Nantes

Als ich wieder am Auto war, fand ich natürlich sofort den Rough Guide, der zwischen dem Bett und dem Schreibtisch steckte. Hier las ich, dass Angers eine wundervolle Burganlage zu bieten hatte, über die ich während meines kurzen Besuches nicht gestolpert bin. Natürlich finde ich es schade, doch meine Einstellung gegenüber dem Reisen hat sich in den letzten Jahren soweit gewandelt, dass ich weiß, ohnehin niemals alles sehen zu können. Ich kann mich gut an Urlaube erinnern, in denen ich von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten gerannt bin, nur um nach der Reise Erholung zu brauchen, weil ich körperlich erschöpft und geistig ausgebrannt war. An Einzelheiten konnte ich mich kaum noch erinnern, so dass ich es heute fast schon als närrisch betrachte, immer auf der Suche nach möglichst hundert Prozent zu sein. Dabei merkte ich im Laufe der Zeit, dass man manchmal so viel mehr sieht, wenn man die Dinge einfach selbst für sich entdeckt. Ohne Reiseführer. Hier eine Nische, dort ein schöner Torbogen, ein herrlicher, privater Garten, alles Geschenke, die oft in keinem Führer stehen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe viele Reiseführer, dabei ist der bereits erwähnte Rough Guide mein ständiger Begleiter, manchmal auch der Loneley Planet, wenn der Rough Guide gerade gar nicht aufzutreiben ist. Doch ist es erfrischend, ihn auch einfach mal zu vergessen. Oder sich ein Highlight herauszusuchen und das dann richtig anzuschauen. Frei nach dem Motto: Man kann nie alles sehen und man muss auch für den nächsten Besuch etwas übrig lassen. Mit dieser Einstellung habe ich plötzlich Zeit für anderes gefunden, für die Beobachtungen der Menschen selbst, wie sie sich bewegen, oder leben. Alles Kleinigkeiten, die ein Volk so interessant machen, die einfach anders sind als in Deutschland. Zum Beispiel beim Einkaufen. Franzosen scheinen sich auch im aller größten Hypermarché immer eine Minute Zeit zu nehmen, mit dem/der Verkäufer/in zu schnacken. Sei es während des Ausfüllens eines Schecks oder eine kleine Diskussion über den einen oder anderen Artikel. Dabei gehört das geduldige Warten in der Schlange einfach dazu. Was uns Deutsche rasend macht, gehört hier zur Normalität. Dass sich keine all zu langen Schlangen bilden, liegt daran, dass meist eine Vielzahl von Kassen offen ist. Der Effekt: Keiner ist gestresst. Das hat doch auch etwas. Wie gesagt, eine Beobachtungen am Rande, so wie ich sie wahrnehme, ohne daraus aber eine allgemeingültige Regel abzuleiten.

Nantes

Genauso wie das Lunchen um die Mittagszeit. Es scheint mir ein Stück Lebensfreude, wie die Franzosen sich aus der Arbeitswelt lösen und sich voll und ganz auf das Mittagessen konzentrieren können, das genauso liebevoll gestaltet ist, wie alles Kulinarische hier. Sei es nur ein Salat, der nie ohne Verzierungen daher kommt. Oder noch besser, die Nachspeisen, die kunstvoll angerichtet selbst zur Mittagszeit nie fehlen dürfen. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Franzosen den Großteil ihres Geldes für das Essen ausgeben. Bei uns in Deutschland ist es eher das Auto. Weshalb es bei uns so viele Discounter gibt, während man in Frankreich noch viel mehr Märkte besuchen kann. Selbst die Hypermarchés bieten eine solche Fülle an Auswahl, dass es jedes Mal eine Freude ist, dort einzukaufen. Die Fischtheken sind voll mit frischem Fang, Fleisch liegt dort in Bergen und die Auswahl an Obst ist riesig. Wer doch mal zu einem Discounter geht, sieht dort nicht wie gewohnt Menschenmassen, sondern nur den einen oder anderen, der sich das eine oder andere Schnäppchen sichert.

Ich bin gestern Abend noch bei Laurence eingetroffen, es war ein herzliches Wiedersehen nach so langer Zeit. Unkompliziert wie erhofft, haben wir zusammen diniert, dann noch ein Gläschen getrunken und über alte Zeiten gesprochen. Ich kam zum Glück nicht in die Verlegenheit, viel mit ihren Kindern reden zu müssen, da diese mich so schüchtern und misstrauisch beäugt haben, dass es über das Bonne Nuit und Bonjour nicht hinausging. Die beiden hätten mich sonst sicher vollkommen blamiert, meine Französisch-Kentnisse sind über ein gewisses rudimentäres Grundstadium nie hinausgekommen.
Ich habe so viel Zeit zu schreiben heute Morgen, da es in Strömen gießt. Ich bin mehr als froh, gerade nicht im Camper sein zu müssen, denn es ist unangenehm feucht und ausgesprochen kalt. Morgen fahre ich weiter, wenn es wettertechnisch so bleibt, werde ich sicher an einem Stück in den Süden fahren. Der Frühling soll kommen.
Sofort..