Achtung, Jammer-Alarm

Gestern habe ich es endlich getan. Und ich muss sagen, dass es noch heute schmerzt. So sehr schmerzt es, dass ich es kaum beschreiben kann. Ich habe gewusst, dass es soweit kommen musste. Schon seit Wochen eigentlich. Ich habe es anderen erzählt, meine Entschlossenheit vorgetäuscht, insgeheim natürlich gehofft, dass sich das Blatt wenden würde. Alle hielten mich für verrückt.
„Du übertreibst“
„Das wird schon nicht so schlimm“
„Drama-Queen“
So in der Art fielen die Antworten aus. Aber ich hatte recht, was mir beinahe noch mehr wehtut. So ein Herzschmerz, so ein Verlust. Kaum zu ertragen.

Wovon rede ich?
Ich muss etwas ausholen. Zu meinem 40. vor zehn Jahren habe ich entschieden, ein Jahr lang mit einem Wohnmobil um das Mittelmeer zu fahren. Sozusagen als Belohnung für meine Zeit hier. Eine gewaltige Leistung immerhin.
Zu meinem 50. in diesem Jahr wollte ich etwas Ähnliches machen. Etwas umweltfreundlicher, etwas spartanischer. Ich wollte mit meinem Faltrad nach Griechenland, um dort drei Monate dieses Land zu besuchen. Mit Zelt und Gaskocher, zwischen Ruinen und Olivenbäumen.
Seit einem Jahr bereite ich diese Reise vor, lese viel, besorge Ausrüstung, denn in der heutigen Zeit geht so etwas ohne Video-Vlog gar nicht. Man muss ja mit der Zeit gehen.
Diese Reise habe ich gestern abgesagt. Also im Grunde habe ich nur die Unterkunft auf Kreta gekündigt. Ein kleiner Klick im Netz, eine große Tragödie für mich. Heute hat dann Easyjet die Flüge von sich aus storniert. Damit ist es nun endgültig. Statt Ägäis also Frauensee in Brandenburg (wenn ich da überhaupt hinkomme, zu unserer Datsche, meine ich).
Mein Wehklagen war noch bis in die fernsten Winkel der Stadt zu vernehmen.

Dann ist mir gestern aber noch etwas passiert.
Meine Frau wollte im Mai eigentlich nach Prag. Nick-Cave-Konzert. Zum Glück musste ich nicht mit, eine gute Freundin hatte sich erbarmt. Ich möchte dazu sagen, dass wir in Prag eine Art Stammunterkunft haben. Zwischen Vinhorady und Ziskow befindet sich dieses einzigartige Apartment in einem Art-Deco-Gebäude. Katerina, die Besitzerin, empfängt uns immer mit größter Wärme.
Sie hat uns gestern angeschrieben. Durch die noch extremeren Maßnahmen der tschechischen Regierung haben sowohl sie als auch ihr Mann ihre Arbeit verloren. Kein Einkommen mehr für die kleine Familie. Daher bat sie uns höflich, den Termin absagen zu können, weil sie die Wohnung jetzt doch lieber vermieten wolle.
Mir wurde klar, dass mein kleines Problem mit der Griechenland-Reise eigentlich keines war. Ein Luxus-Problem der ersten Welt, vollkommen unerheblich und engstirnig. Wie viele Katerinas gibt es jetzt, in Tschechien, Deutschland, der Türkei oder wo auch immer? Wie viele Menschen stehen vor den Trümmern ihres Lebens, das sie vor einer Woche noch beständig und stabil wähnten?

Auf uns alle werden noch Dinge zukommen, die wir nicht einschätzen können. Manche werden leicht zu ertragen sein. Andere eher nicht. Und trotzdem wird es auch für diese Lösungen geben.
Also lasst uns mit dem Jammern aufhören. Jetzt ist Mut gefragt. Besonders für die, denen es gesundheitlich und/oder mental nicht so gut geht.

Das heißt aber nicht, dass man nicht auch einmal eine kleine Träne für einen unerheblichen Verlust übrig haben kann. Denn Träume haben wir alle. Und die sollten wir auch nicht aufgeben. Vielleicht aber im Augenblick aufschieben.

Eine Kleinigkeit noch:
Katerina hat noch ein zweites kleines Apartment direkt nebenan. Wer diese Familie also unterstützen will, wenn dieser ganze Zirkus vorbei ist, kann sich bei ihr melden:

Das ist keine Werbung. Nur ein Tipp, der auch einer Freundin hilft, deren Leben sich in den letzten Tagen vollkommen auf den Kopf gestellt hat.

Und Prag ist immer eine Reise wert, wenn man die Touristenströme zu meiden weiß.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Dr. Drosten.