Düstere Gedanken, helle Ideen

Manchmal muss ich zugeben, auch mal düsteren Gedanken ein wenig Platz einräumen zu müssen. Heute Nacht stellten sich mir viele Fragen. Habe ich normalerweise keine Schwierigkeiten zu schlafen, kamen sie mir plötzlich in den Sinn. Während die Stadt um mich herum schlummerte, mehr als sonst übrigens, war ich wach und dachte nach:
Was wenn die Versorgung doch zusammenbricht? Standen nicht noch heute Morgen Tausende LKWs an der Grenze zu Polen? 60 KM Stau? Wer soll denn das ganze Toilettenpapier herschaffen, wenn die alle auf die Abfahrt gen Osten warten?
Was geschieht, wenn der Spargel nicht mehr gestochen werden kann, weil die Erntehelfer aus Rumänien zu Hause bleiben, weil sie keine Lust auf deutsches Corona haben? Im Ernst, was passiert, wenn die Leute, die in entsprechenden Industrien arbeiten, wirklich krank werden? Wenn die Ernte wirklich nicht eingeholt wird und zwar die von wichtigen Lebensmitteln und nicht von Luxusgemüse? Wenn die LKW-Fahrer ebenfalls ausfallen, die die Waren überall verteilen?
Und was passiert, wenn die Wirtschaft komplett herunterfährt und sich eigentlich niemand mehr die notwendigsten Dinge leisten kann?

Ich muss gestehen, dass Probleme des Nachts immer größer erscheinen als sie sich am Ende darstellen. Vielleicht liegt das daran, dass der Teil des Gehirns, der für Logik und Problemlösungen verantwortlich ist, wirklich nachts eine Auszeit braucht. Keine Ahnung, ich bin kein Hirnspezialist. Jedenfalls schaffte ich es, doch noch irgendwann wieder einzuschlafen.

Morgens aber beschäftigte ich mich schon noch eine Weile mit diesen Gedanken. Auch noch anderen, die ich aber noch nicht bereit bin zu teilen.
Jedenfalls gelangte ich zu der Erkenntnis, dass Menschen oft erst das Beste aus sich herausholen, wenn sie wirklich vor einer Gefahr stehen. Und das ist jetzt schon eine Situation, die uns alle ganz beträchtlich aus unserer Komfort-Zone herausholt.
Lasst uns trotzdem nicht verzagen. Denn um ehrlich zu sein, trotz der Gefahr zu erkranken, die recht hoch ist, ist unsere Situation eben noch nicht so wie zum Beispiel zu Kriegszeiten. Die Staaten halten zusammen, zumindest ist der EU. Der größte Binnenmarkt der Welt, das also, was die EU am ehesten definiert, ist vollkommen intakt. Warenströme sind gesichert, Produktionsstätten haben Notfallpläne (schon lange vor Ausbruch des Virus erarbeitet), selbst die Briten sind froh, doch noch nicht so ganz ausgetreten zu sein. Und der Stau an der polnischen Grenze ist aufgelöst, wie ich heute erfuhr. Die Polen haben reagiert und Bürokratie schnell abgebaut. Geht doch.
Was ist also das Schlimmste, das uns geschehen kann? Sicher nicht nach einem Ritt auf der Keramikschüssel duschen zu müssen (sorry, von Torsten Sträter geborgt). Andere Kulturen kennen schließlich das Bidet und verstehen unsere Besorgnis hinsichtlich von saugenden Papierfabrikaten nicht. Aber ich lenke ab.

Es kann also sein, dass wir mal keine Kartoffeln kriegen. Vielleicht auch mal keine Tütensuppe, die wir seit ein paar Tagen alle so zu lieben scheinen. Der Witz ist: Dann gibt es eben mal keine Kartoffeln, sondern Kohl. Oder Süßkartoffeln. Oder Reis. Mensch, lasst euch etwas einfallen. Alte Leute, die als Kinder noch den Krieg erlebt haben oder die Zeit direkt danach, lachen uns doch aus.
Mit Schrecken habe ich festgestellt, dass ich nur noch eine kleine Tüte Trockenhefe habe. Die Pizza am Sonntag mit frischen Champignons und Basilikum ist in Gefahr. Wenn nicht diesen Sonntag, dann am nächsten (das würde ich als Jammern auf hohem Niveau bezeichnen).
Also habe ich heute Morgen eine Wildhefekultur angelegt. Ungeschwefelte Rosinen hatte ich noch, etwas Wasser, einen Löffel Zucker. Mal sehen, was daraus wird. Ich muss gestehen, dass ich mich ein bisschen herausgefordert fühle. Die Situation hat auch seine guten Seiten, ich lerne Neues, auch unter (etwas) Druck. Das Gefühl ist nicht unangenehm, Lösungen warten hinter jeder Ecke.

Auch beim Thema Gesichtsmaske komme ich weiter. Zwar hat Ehefrau Nina vor zwei Wochen noch vier ergattert, wovon Schwiegermutter Ellen zwei bekommen hat, doch wird das sicher nicht reichen. Also nähe ich welche, nach Anleitung. Ich kann es zwar nicht besonders gut, aber in wenigen Wochen werde ich den Modewettbewerb des neuesten Kleidungstrends locker gewinnen. Ich habe allerdings Glück, dass ich das Material zu Hause habe. Selbst auf Amazon kann man sich dieser Tage nicht mehr vollständig verlassen, noch nicht einmal als Prime-Kunde. Alles nicht wild. Kommt schon irgendwann.

Also nochmal eine Zusammenfassung: Es geht weiter. Irgendwie. Man kann aus allem etwas machen, man muss sich nur etwas einfallen lassen. Inspiration gibt es überall, dank Internet. Das Rad muss keiner von uns neu erfinden.
Außerdem leben wir in einem Staat, der Leute nicht verhungern lässt. Und vielleicht tut es uns auch mal ganz gut, mit etwas weniger auszukommen.

Macht euch also nicht verrückt. Und verliert nicht die gute Laune. Das wird wieder.
Versprochen.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Dr. Drosten.