Voll Maske

Gestern habe ich es einfach mal gemacht.
Ich habe mich an die Nähmaschine gesetzt und vier Gesichtsmasken genäht. Stoff habe ich immer, weil ich vor Jahren mal vorhatte, mehr zu nähen. Daraus ist bis auf ein paar Ausnahmen nichts geworden, auch weil ich festgestellt habe, dass ich es eigentlich nicht kann. Aber das ist das letzte Argument, weil ich so vieles mache, das ich nicht kann. Egal. Ich schweife mal wieder ab.
Gestern habe ich also genäht. Quadrate zugeschnitten, die eher Rauten waren. Aber so etwas nehme ich nicht so wichtig. Es hat eigentlich ganz gut geklappt. Jetzt habe ich zwei Masken und Ehefrau Nina auch, obwohl sie ihre wahrscheinlich aufgrund der Trigeminus-Neuralgie nicht tragen kann. Trotzdem, sicher ist sicher. Und es soll niemand sagen, dass wir nichts getan hätten.

Warum aber habe ich das überhaupt gemacht? Gesichtsmasken, besonders selbstgenähte, halten laut Dr. Drosten die Viren nicht fern. Aber sie helfen eventuell ein bisschen dabei, sie zurückzuhalten, wenn man selbst infiziert ist. Aber erstens war gestern Samstag und ich wollte etwas sinnvolles machen. Und zweites, habe ich mir gedacht, erfüllt solch eine Maske auch noch andere Aspekte.
Dazu möchte ich kurz ausholen. Vorgestern entschieden wir uns, nochmals kurz spazieren zu gehen. Beim Verlassen des Hauses kam uns ein Nachbar entgegen. Ohne nachzudenken, hielt ich ihm die Tür auf. An seinem Gesicht merkte ich, dass er das nicht mochte. Der Gedanke, dass er auf Armeslänge an mir hat vorbeigehen müssen, kam mir erst eine Sekunde später. Und da dämmerte es mir: Er dachte sicher, dass ich die Viren-Gefahr gar nicht ernst nehme. Dass ich ihn gefährde, weil ich ignorant bin.
Nun, ignorant bin ich nicht, aber manchmal gedankenlos.
Heute jedoch verstehe ich, dass eine Gesichtsmaske auch signalisieren kann, dass man sich Gedanken gemacht hat. Und dass man andere nicht gefährden möchte. Es ist sozusagen eine Geste des Respekts vor den Mitmenschen, die man mit solchen Maßnahmen beschützt.
Dachte ich mir.

Heute Morgen jedenfalls musste ich zum Bäcker. Die erste Gelegenheit also, meine neue Gesichtsmaske auszuprobieren. Die Dinger sind nicht besonders bequem, durch den umgeleiteten Atem beschlägt auch die Sonnebrille permanent. Aber daran gewöhne ich mich bestimmt.
Jedenfalls kam ich beim Bäcker an. Der T-Damm wirkte wie ausgestorben. Um acht Uhr ist dort selbst an Sonntagen viel mehr los. Aber heute fuhr nicht einmal ein Auto. Auch Menschen waren kaum zu sehen. Normalerweise gibt es beim Bäcker eine lange Schlange. Heute nicht. Die Leute standen pflichtbewusst in anderthalb Metern Abstand zueinander. Mehr als vier waren wir nicht. Gespenstisch.

Als ich an der Reihe war, gab ich meine Bestellung auf. Das entsetzte Gesicht des Backwarenverteilenden habe ich noch vor mir. Hatte ich mir vielleicht eine anerkennende Geste erhofft, erntete ich Horror. So kam es mir zumindest vor. Man muss sich das aber auch mal vorstellen. Da laufen zwei junge Menschen hinter der Theke entlang, mit wenigen Zentimetern Abstand zueinander, und geben Teigwaren heraus. Vielleicht hat der junge Mann in diesem Augenblick verstanden, dass er mehr als nur leicht gefährdet ist. Oder dass er einen Infizierten vor sich hat. Ich hoffe also, dass ich ihm nicht mehr Angst gemacht habe, als er vielleicht ohnehin schon hat.

Trotzdem halte ich das Tragen von Masken weiterhin für wichtig. Ich weiß, dass sie nicht viel helfen werden. Aber wenn alle eine tragen würden, so bin ich mir sicher, würde sich der Virus langsamer vermehren. Schon weil er durch die Masken nicht mehr so weit fliegen könnte. So habe ich zumindest Dr. Drosten verstanden.

Morgen nähe ich noch eine Maske. Auch weil ich mal ausprobieren möchte, welcher Stoff sich am besten bewährt. Eines ist jedenfalls sicher: Durch die Maske unterhält es sich nicht besonders gut. In der Bäckerei heute war ich kaum zu verstehen. Aber ist das nicht ebenfalls ein positiver Aspekt? Niemand will sich mit einem Maskenträger unterhalten. Kein sozialer Kontakt. Und das ist schließlich der Schlüssel zur Eingrenzung des Coronavirus.

Ich jedenfalls mache mich nicht verrückt und ziehe das durch. Immer mit Augenmaß, trotzdem bestimmt und entschlossen.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Dr. Drosten.