Voll nachdenklich

Das zweite Wochenende in Selbst-Isolation.
Gestern, Samstag, war es noch schön draußen. Was im Angesicht dieser Situation das grausamere Schicksal darstellt als heute. Denn die Temperaturen sind abgesackt, um satte 10 Grad, der Wind ist frischer und es regnet ein bisschen. Alles in allem zieht es uns nicht nach draußen. Vorbildlich also.

Ansonsten ist nichts weiter geschehen. Und vielleicht ist das auch gut so. Es gibt leider die ersten prominenten Toten. Der Lebensgefährte von Klaus Wowereit ist am Virus gestorben. 54 ist er geworden, nicht viel älter als ich. Er hatte COPD. Und es zeigt, dass es jeden erwischen kann, meist diejenigen mit Vorerkrankung. Der Virus kennt kein reich oder arm, kein dumm oder schlau. Nur zwischen den Geschlechtern scheint es zu unterscheiden. Zumindest hat es den Anschein, dass mehr Männer als Frauen daran sterben. Woran das liegt und ob das vielleicht eine statistische Ungenauigkeit ist, werden wir noch sehen.

Überhaupt habe ich mir bislang noch keine Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn es mich treffen sollte. Gestern, nach dem Großputz, hatte ich erhebliche Probleme beim Luftholen. Einfach zu staubig. Dank der Medikamente geht es inzwischen, ist aber noch lange nicht wieder so, wie es sein soll. Diesen Zustand kenne ich, daher weiß ich, dass in etwa zwei Tagen alles wieder in Ordnung sein wird. Trotzdem denke ich natürlich darüber nach. Was wenn ich das Virus bekomme? Ich bin gefährdet, zumindest mehr als andere.
Das erste Mal seit zehn Jahren habe ich darüber nachgedacht, einige Zeilen zu schreiben. Also Briefe für Angehörige. Nur für den Fall, dass es schneller geht als ich will. Aber etwas in mir möchte das nicht. Es ist nicht so, dass ich wirklich Angst habe. Das kann natürlich daran liegen, dass ich wie wohl fast jeder Mensch ein gehöriger Verdränger bin. Aber auch jemand, der sich nicht von Ängsten beherrschen lassen will. Entscheidungen muss man natürlich mit einer Portion Vorsicht fällen. Aber Ängste sind nie gute Ratgeber, vor allem wenn diese überhand nehmen. Soweit sind wir zum Glück noch nicht. Auch nicht die Menschen um mich herum. Aber auch andere nicht. Trotzdem kann es passieren.

Ich wünsche jedem, dass der Kelch des Verlustes, ob des eigenen Lebens oder das naher Angehöriger, an ihr oder ihm vorübergeht.

Vielleicht ist es ganz gut, dass Ehefrau Nina und ich uns unter der Woche ein gewaltiges Stück Alltag bewahrt haben. Wir beide arbeiten. Um zwölf ist Lunch, um 20 Uhr Abendessen, das ich, je nach Aufwand, eine bis anderthalb Stunden vorher frisch koche. Es sind diese beruhigenden Rituale, die uns ziemlich stabil halten, auch wenn vieles um uns herum wesentlich chaotischer verläuft.
Wir werden uns das bewahren, so lange es geht. Und wenn es nicht mehr gehen sollte, werden wir uns wohl oder übel umstellen. Doch das sehen wir dann.
Viel Einfluss auf das Geschehen haben wir nicht.
Aber darauf, wie wir damit umgehen.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.