Fahrt nach Metéora

Ich habe es geschafft. In einem Kraftakt bin ich die 550 Kilometer bis Kalambaka/Metéora gefahren. Zu diesem Zweck stand ich bereits vor sieben auf, als die Sonne sich noch nicht einmal durch die dicke Wolkendecke durchgekämpft hatte. In der Nacht hatte es heftig gestürmt, ich musste sogar meine Ohrenstöpsel verwenden, weil der Wind so laut in den Bäumen säuselte und die Brandung, nur wenige Meter entfernt, immer wieder donnernd gegen das Land fegte. Der ganze Camper war über und über mit salzigem Schleim bedeckt, was ich erst bemerkte, als ich losgefahren war. Aber da war es zu spät, denn für solche Kleinigkeiten wie gute Sicht halte ich nicht.

Ich machte von Anfang an Tempo, was in meinem Falle hieß, die Nadel bei 80 zu halten. Auf diese Weise ist es im Fahrzeug noch am angenehmsten, was sich widerspricht, denn angenehm ist es beim Fahren nie. Viel zu laut, das Radio muss ich meist auf einen höheren Pegel stellen, um es überhaupt zu hören. Ich denke, das ist es, was das Fahren so anstrengend macht. Aber ich hielt durch. Bis Thessaloniki gönnte ich mir keine Pause, schaffte im Schnitt wirklich 75 Kilometer in der Stunde, so dass ich gegen Mittag die, wie ich finde, schönste Stadt Griechenlands erreichte. Natürlich hielt ich nicht, denn Thessaloniki war nur Etappenziel.

Jetzt begann der herausfordernde Teil. Bislang war ich Autobahn gefahren, da mir Wikipedia mitgeteilt hatte, dass auf dieser Strecke von immerhin 300 Kilometern keine Mautpflicht herrscht. Kurz nach der Großstadt aber steht eine von zwei Mautstationen auf dieser Strecke. Die Zweite ist ca. 80 Kilometer weiter. So begann Operation „No-Maut“. Ich habe einfach keine Lust, 14 Euro für wenige Kilometer Strecke zu zahlen. Ich verließ also die Autobahn und setzte meinen Weg fort, vorbei an Alexandria, das ich von der Hinfahrt kannte, bis Veria. Hier führte mein Weg mich durch die Stadt, ich verlor etwas Zeit. Und dann begann der Aufstieg. Ich hatte es befürchtet, aber dass ich so hoch fahren musste, teilte mir meine etwas weniger konstruktive Karte nicht mit. Es fehlen schlichtweg die Höhenmeter. So also schlängelte ich mich das Gebirge empor. Es war recht anstrengend, aber die Aussicht war wie üblich wundervoll. Ich sah auf die bunten Hänge, die über und über mit Bäumen im prächtigen Herbstlaub geschmückt waren. Leider habe ich es versäumt, ein Foto zu schießen. Ärgerlich. Aber ich war vom Ehrgeiz zerfressen, diese Etappe an diesem Tag zu schaffen.

Dann sah ich auf sie hinab. Die Autobahn zog sich direkt unter mir entlang. Und das Beste, ich sah auf die zweite Mautstation. Als ich den Berg hinabfuhr, wusste ich, dass ich gewonnen hatte. Denn kurz nach der Station gab es eine Auffahrt, somit konnte ich wieder auf die Schnellstraße hinauf. Hinter mir folgten einige andere Kleinlaster, die sich die happigen LKW-Gebühren ebenfalls gespart hatten. Am Ende habe ich vielleicht eine halbe Stunde verloren. Das war es mir wert, vor allem auch wegen des Gefühls, hier einen kleinen Sieg errungen zu haben.

Das letzte Stück, 70 Kilometer vor den Klöstern, war das schlimmste. Meine Konzentration ließ bereits mächtig nach, und ich musste wieder kleinere Pässe befahren. Auf und ab ging es. Am meisten sorgten mich die Schilder mit den Rädern samt Schneeketten. Es wird doch keinen Wintereinbruch geben? In jedem Fall sah ich in der gar nicht so entfernten Ferne die Bergkuppen, die bereits von einem prächtigen weißen Dach geziert wurden. Königin Winter kämpft sich vor. Mit letzter Kraft fuhr ich auf den Campingplatz, es war kurz vor fünf, die Sonne ging wenige Minuten später unter.
Ich erhole mich noch immer, habe das Dröhnen des Motors im Ohr, weiß jetzt aber, dass ich die gewaltigste Strecke hinter mir habe, die ich für lange Zeit fahren werde. Es ist nicht vernünftig, zumal kommt es mir so vor, dass ich einfach nur weite Strecken hinter mich bringe, ohne wirklich zu reisen. Vor wenigen Tagen noch war ich 2500 Kilometer entfernt, in der Süd-Türkei. Es war warm und angenehm. Das ist vorbei. Im Camper sind es noch 16 Grad, dabei wird es nicht bleiben. Morgen werde ich mir die Klöster ansehen, ein angemessener Abschied für den Osten, zu dem ich Griechenland zähle. Wehmut ist mir jetzt fremd, denn verabschiedet hatte ich mich schon lange vorher. Im Grunde war mein letztes Reiseziel dort Kas. Zumindest erscheint es mir jetzt so. Mal sehen, was die Erinnerung damit macht. Sie hat schon eingesetzt und verfärbt diese Zeit bereits in allerlei Farben. Ob es wirklich so war, werde ich erst wieder wissen, wenn ich dieses Journal lese. Aber dafür ist im nächsten Jahr Zeit, wenn ich sicher in diesen Erinnerungen schwelgen werde. Und meine Rückkehr verfluchen. Man will eben immer das, was man gerade nicht hat. Also sollte man diese Gefühlsduseleien nicht zu ernst nehmen. Aber genießen sollte man sie schon.