Igoumenitsa

Alles war ganz anders. Hatte ich mich auf eine eisige Nacht eingestellt, wechselte quasi von einer Minute auf die andere das Wetter. Beinahe frühlingshafte Temperaturen lösten allerdings etwas anderes aus: Mein Kreislauf spielte verrückt. Ich merkte es allerdings erst am Morgen, hatte Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren und lief umher, als ob ich betrunken gewesen wäre. Es war also gut, dass ich das erste Mal seit Langem nicht in Eile war, meine Fähre ging erst gegen Mitternacht und ich hatte nur ungefähr 200 Kilometer zu fahren. Doch die Entspannung am Morgen und das Surfen im Internet schienen nicht zu helfen. Als ich aufbrach, merkte ich, dass es ein schwieriger Tag werden würde.

Ich glaube, so oft wie heute stand ich noch nie vor einem Unfall. Ich kann mich an mehrere Situationen erinnern, wo es durchaus hätte schiefgehen können. Das Harmloseste war noch mein Einlegen des Rückwärtsgangs und das gleichzeitige Übersehen des Fahrzeugs hinter mir. Wenn ich danach recht gesehen hatte, müssen es Zentimeter gewesen sein, und dass es nicht zu einem Zusammenstoß gekommen ist, lag nur daran, dass der andere Fahrer so schnell er konnte, ebenfalls rückwärts gefahren war. Sein Hupen ignorierte ich jedenfalls unbemerkt. Dass ich oft zu schnell fuhr und Kurven daher im Gebirge nicht so nahm, wie es sinnvoll gewesen wäre, war allerdings viel gefährlicher. An einem Punkt hielt ich einfach an und machte Pause, weil ich beinahe mit einem Laster zusammengestoßen war.
Ich kann mir diese Konzentrationslücken einfach nicht erklären. Vielleicht war ich etwas krank, aber außer dem nicht-funktionierenden Kopf fühlte ich mich gut.

Ich schaffte es. Irgendwie erreichte ich heil Igoumenitsa, sogar früher als gedacht, da entgegen der Aussage meiner Landkarte die Autobahn bereits durchgehend fertig ist. Seit 14 Uhr also hänge ich hier herum. Der Ort selbst ist unglaublich reizlos, die üblichen Touristen-Tavernen und viele Reisebüros, eine typische Durchgangsstadt eben. Ich habe mein Ticket sicher schlecht gewählt. Erst um Mitternacht kann ich weiter, komme morgen ebenfalls erst gegen Abend in Italien an. Nicht ideal also für die Weiterreise. Aber es ist nun einmal, wie es ist.

Hier im Ort lungern eine Reihe von zwielichtigen Gestalten herum. Sicher Einwanderer aus Albanien und Afrika, die nichts zu tun haben und deshalb überall die Straßen auf und ab laufen. Ich könnte schwören, dass einer von ihnen versucht hat, mein Auto aufzumachen, zumindest hat er probiert, ob es offen ist. Bei allem Verständnis für die Härte der Situation dieser Wirtschaftsflüchtlinge, es macht meinen Aufenthalt hier nicht besonders angenehm.
Ich muss nun noch sechs Stunden warten, werde sicher bald kochen und mir dann noch einen Film ansehen. Schreiben kann ich heute nicht viel, zwar geht es mir schon etwas besser, aber ich fühle mich immer noch völlig ausgelaugt.
Morgen um die Zeit bin ich hoffentlich in Italien. Dann geht es sicher besser.