Asilah & Larache

Heute Morgen um sechs war die Nacht zu Ende. Mein Rücken begann mich zu plagen und ich wusste erfahrungsgemäß, dass die Schmerzen unerträglich werden würden. Also stand ich auf und machte mich zum Aufbruch bereit, erledigte den Rest des Abwasches und packte im Camper alles an seinen Platz, Da es noch früh am Morgen war, ließ ich mir Zeit, nahm nochmals den Rough Guide und prüfte meinen Wunsch, gleich nach Rabat zu fahren. Warum eigentlich mit einem Schlag 300 Kilometer weiter in den Süden, wenn doch so viel auf der Strecke lag? Was gibt es eigentlich noch zu sehen? Ich las ein wenig und fand den Ort Asilah, den der Lonely Planet als Kleinod beschrieb. Asilah liegt nur ca. 40 Kilometer weiter südlich. Es kostete mich einiges an Nerven aus Tanger herauszufinden, ab und zu vermied ich drohende Kollisionen, indem ich einfach nachgab. Es wurde besser, sobald ich aus der Stadt heraus war. Im Grunde fuhr es sich sehr angenehm auf einer Bundesstraße, bald schon war das Meer zu meiner Rechten, entlang an entstehenden Clubs, aber auch mancher Ruine, die nicht vor dem Ausgang des Geldes fertiggestellt wurde und nun wieder im Rohbau den Elementen zum Fraß vorgeworfen wird. Vielleicht kam die Krise von 2008/9 dazwischen.
Nach nicht einmal einer Stunde erreichte ich Asilah, parkte auf einem bewachten Parkplatz. Dass der gnomische, schlecht gelaunte Parkwächter zweimal versuchte zu kassieren, ärgerte mich und ich war drauf und dran wieder abzufahren, doch gab er nach, weil er merkte, wie wütend ich wurde.
Ich beeilte mich also, in die Stadt zu kommen. Der Weg dorthin führte mich am Strand entlang. Auch auf die Gefahr hin, dass es etwas negativ klingt, doch alles war übersät mit Müll, was sehr schade ist, denn der Strand wäre ansonsten sehr schön. Da ich sehr früh losgefahren war, hatte ich bei Betreten der Medina den Eindruck, dass ich in eine Geisterstadt käme. Alles war zu, kein Mensch zu sehen, mir wurde der Unterschied zu den vorherigen Tagen bewusst. Ich konnte in Ruhe die Gässchen erkunden, die weiß getünchten Häuser wirkten fast alle frisch renoviert. Die Medina Asilahs ist nicht sehr groß, so dass ich rasch auf der anderen Seite angekommen war. Von dort hatte ich einen schönen Blick auf das Meer und die rund ein Dutzend Fischer, die mit ihren Ruten die noch frühe Stunde für einen reichlichen Fang nutzen wollten. Von hier hatte ich auch einen Einblick in den für mich sonst verbotenen islamischen Friedhof, den ich von oben sehen konnte. Dieser misst sicher nicht mehr als 20 Meter im Quadrat, sein weißer Boden ist von Grablangen, kunstvoll verzierten Fliesen unterbrochen. Es war dank der Einsamkeit eine sehr friedliche Atmosphäre.

Asilah

Eigentlich war ich fertig, doch befriedigte mich das noch nicht. Ich beschloss, außerhalb der Medina einen Kaffee zu trinken und ein wenig zu warten, bis das Leben in der Stadt erwachen möge. Das tat ich dann, genoss die Ruhe des Morgens und beobachtete einfach nur das Treiben um mich herum, das außerhalb der Altstadt bereits in vollem Gange war. Viele Autos, die ich sah, erkannte ich wieder aus einer Zeit, in der ich mich noch ein wenig mehr für des Deutschen liebsten Spielzeugs begeistern konnte. Schon damals, Anfang der 90er, waren manche der Fahrzeuge bereits alt genug gewesen, um auch für uns damals erschwinglich zu sein. Jetzt waren fast 20 Jahre vergangen, manche der Golfs fuhren immer noch, allerdings klangen die Motoren eher asthmatisch, aber sie funktionierten noch. Auch viele dreirädrige Mopeds samt Transportablage sah ich, es gibt davon eine ganze Reihe in Marokko.
Auf diese Weise verbrachte ich meine Zeit, ein eifriger Jugendlicher beäugte meine Füße, er trug Schuhputzzeug unterm Arm, zog aber enttäuscht ab, als er meine Sandalen bemerkte. Wer weiß, in Tanger wären die sicher auch noch geputzt worden, und meine Füße wahrscheinlich gleich mit.
Jetzt war in der Medina etwas mehr los. Also wanderte ich nochmals einige Male quer hindurch, sah mir die Touristengeschäfte an, die die üblichen Waren feilboten. Einige dieser Dinge werde ich im Verlauf meiner Reise sicher kaufen, doch nicht hier, in einer Touristenhochburg. Irgendwann beschloss ich aufzubrechen und weiterzufahren.
Als Nächstes entschied ich, nach Larache zu fahren, von dem in meinem Reiseführer zu lesen war, dass eigentlich niemand hinfährt. Niemand war etwas untertrieben, aber sicher war ich als Tourist in der absoluten Minderzahl. Ein kleines Missgeschick muss ich noch erwähnen: Für einen Moment dachte ich, ich hätte meinen Reisepass auf dem Campingplatz in Tanger vergessen und fuhr zurück. Ich entdeckte ihn dann doch noch, aber erst bei Tanger. Ich drehte bei nächster Gelegenheit, der Spaß kostete mich gute drei Stunden.
Trotz meiner recht späten Ankunft auf dem Campingplatz in Larache machte ich mich mit meinem Fahrrad noch auf den Weg in die Innenstadt. Ich sah das erste Mal eine Medina, die nicht für Touristen gemacht ist. Es fand eine Art Markt statt, ich sah eine Menge altes Werkzeug, Kleidungsstücke, auch Schweinehälften und gerade geschlachtete Hühner. Deren Artgenossen saßen zusammengepfercht und zitternd in Käfigen daneben. Ein wirklich erbärmlicher Anblick, aber so ist es nun mal. Unsere Schlachthäuser sind schlimmer als das.
Die Burgruine schaute ich mir nur von weite, an, sie krümelt vor sich hin und ist in keinem guten Zustand, daher auch gesperrt. Ich trank noch einen Pfefferminztee in einem Café, unterhielt mich eine Stunde lang mit einem Marokkaner, der mir eine Menge Tipps gab und mein Bild von der Bevölkerung zum Glück einigermaßen gerade rückte. Zwar war auch er nicht ganz frei davon, mir etwas aufzuschwatzen, doch war das lange nicht sein Hauptmotiv. Er erfreute sich einfach an der Gesellschaft und der Gelegenheit, etwas mit einem Europäer zu reden. Dabei stellte ich fest, dass ich sicher nicht in der Lage bin zu vertrauen. Ich hoffe inständig, dass ich lerne, mit der Mentalität dieses Landes umzugehen und auf diese Weise Land und Leute besser zu verstehen. Bislang ist es Stress und ich bin sicher, dass daher auch die Rückenschmerzen stammen. Kein Wunder, denn ich kann nie wirklich entspannen. Ob es mein Problem ist oder einige Leute wirklich schlimm sind, wird sich sicher noch herausstellen….
Der Verkehr abends war jedenfalls mörderisch, so dass ich erst recht spät wagte, auf das Rad zu steigen, das ich schiebender Weise fortbewegte. Vielleicht lege ich morgen eine kleine Pause ein.

Larache