Oualidia

Ich grinse immer noch wie ein Einheimischer.
Nach der üblichen Überwindung des inneren Schweinehundes bin ich doch noch Essen gegangen. Ich wusste nicht, was mich erwartete, im Restaurant Costeau waren einige Marokkaner, aber es war um diese Zeit, ca.19:30, nicht gut besucht. Die Karte war auf arabisch und französisch und ich bedauerte erneut, kein Wörterbuch mitgenommen zu haben. Ich bestellte, mutig wie ich war, eine gemischte Platte mit Sole, Calamares und einem Fisch (Merler), den ich nicht kannte. Ich bekam kurze Zeit später erst einen riesigen Brotkorb mit drei Laiben, bald darauf folgte ein Fischteller, der sicherlich für Zwei gereicht hätte. Anscheinend wollte mir der Koch noch etwas Gutes antun, denn er hatte noch einige Garnelen hinzugefügt. Ich zählte insgesamt acht fritierte Fische, 4 Sole, 4 Merlers, garniert mit Calamares und Garnelen. Es war ausgezeichnet, denn frischer ging es nicht. Das feste Fleisch der Sole schmeckte mir am besten, dazu gab es noch eine rote Soße, bei denen ich immer sehr vorsichtig bin, nachdem ich mir einmal mit Harissa mächtig den Gaumen verbrannt hatte. Diese jedoch passte sehr gut, war verhältnismäßig mild, das Brot ließ sich herrlich damit würzen. Das einzige Problem bestand in der Tatsache, dass ich keinen Extra-Teller für die Gräten hatte, doch wie ich beobachten konnte, machten sich die Einheimischen diesbezüglich keine Gedanken, sondern nutzten die Papierunterlage für Abfälle. Ich konnte das auch nicht ganz vermeiden, hatte am Ende aber alles sorgfältig getrennt. Das Einzige, das fehlte, war ein Glas trockener Weißwein, aber das verschmerzte ich. Die Rechnung überraschte mich dann wieder, gerade einmal 60 Dirham, inklusive großzügigem Trinkgeld. Vergleiche jedoch hinken sicher.
Es war mittlerweile dunkel und ich spazierte noch die Straßen auf und ab. Es war lebhaft wie nie, jeder Einwohner der Stadt schien auf den Beinen, die Geschäfte leuchteten noch hell, ebenso die Bazaare, die Cafés waren voll. Ich suche sonst nicht unbedingt nächtliche Vergnügungen, doch das gefiel mir. Ich lief und lief, merkte am Ende nicht, dass ich einmal wieder viele Kilometer zurückgelegt hatte. Der Weg zurück zum Campingplatz schien plötzlich sehr lang, zumal ich mich auch noch ein wenig verlaufen hatte, doch letztlich fand ich ihn und beendete den Tag mit einem Gläschen Rotwein im Camper.

Eines verstehe ich doch nicht so ganz. Auf den Campingplätzen hier sehe ich immer Heerscharen von Mitarbeitern. Meist sitzen sie alle in einem kleinen Kabuff, grüßen herzlich, sind nett und hilfsbereit, wenn es um Auskünfte geht. Doch die Zustände auf den Plätzen stehen im krassen Widerspruch zu der beschäftigten Anzahl der Mitarbeiter. Ich sage ja nichts, wenn das Gras hoch ist oder mal ein Licht nicht funktioniert. Aber gar keines? Und die hygienischen Verhältnisse sind meist sehr schlecht, denn es wird nicht sauber gemacht. Repariert auch nicht, was meist dazu führt, dass die Duschen und Toiletten entweder gar nicht oder nur teilweise funktionieren. Wäre ich Besitzer einer solchen Anlage, würde ich guten Nutzen aus den vielen Mitarbeitern ziehen. Bin ich aber nicht, also beobachte ich nur. So schlimm ist es schließlich auch nicht, wenn man sich erst einmal etwas daran gewöhnt hat.
Ich erwachte und hatte gehörigen Muskelkater vom gestrigen Marsch und beschloss, es etwas ruhiger angehen zu lassen, fuhr aber trotzdem recht früh ab. Es war der erste echte Frühlingstag, ein Tag, der bereits mit einem blauen Himmel und stetig steigender Hitze begann. Ganz nach meinem Geschmack also. Ziel heute war Oualidia, ein winziger Küstenort, der kilometerlange Sandstrände und eine entspannte Atmosphäre versprach. Genau das Richtige für müde Beine und überreizte Augen. Ich fuhr direkt am Meer die Küstenstraße entlang, bemerke dabei, dass die Menschen immer freundlicher werden. Viele winkten mir zu und grüßten, sobald sie mich sahen. Die Fahrt war sehr angenehm, auch wenn ich mich sehr konzentrieren musste. Die Straßen sind zwar sehr gut, wie ich finde, doch sind immer viele Fußgänger, Kühe, berittene Esel oder langsame Mopedfahrer unterwegs, so dass ständiges Achtgeben erforderlich ist. Etwa 10 Kilometer von Oualidia entfernt begann ein wahres Fahnenmeer, alle 50 Meter stand eine Marokkanische Fahne und wehte im Wind, auf beiden Fahrbahnseiten. Als ich in die kleine Stadt einfuhr, sah ich riesige, leere Zelte und Menschen, die mit Vorbereitungen zu – wie ich annahm – Festlichkeiten beschäftigt waren. Ich suchte erst einmal den Campingplatz auf, fand ähnliche hygienische Verhältnisse vor wie sonst auch, wurde aber wie immer sehr freundlich begrüßt.
Der Lonely Planet hatte wieder nicht gelogen, der Strand hier ist unglaublich. Soweit mein Auge reichte, sah ich Dünen, das Meer, Felsen. Dabei war es recht einsam, nur wenige Menschen waren unterwegs. Fischer boten ihre Fänge an, ich war nicht abgeneigt, doch hielt ich es für zu früh am Tag, bereits Fisch zu kaufen. Vielleicht weihe ich später meine frisch erstandene Tajine ein. Ich muss gestehen, dass ich sie in einem Supermarkt gekauft habe, aber bei 2 Euro konnte ich nicht widerstehen. Ich möchte diesen Fehltritt gegen Ende der Reise wieder gutmachen und hiesige Händler durch reichhaltige Ausgaben meinerseits entschädigen.
Bei einem Minztee erzählte mir ein Marokkaner den Grund für das Fahnenmeer und die festliche Stimmung im Dorf: Der König kommt morgen in den Ort, um einige Tage am Meer zu verbringen. In Rabat hatte ich ihn nicht getroffen, nun kreuzen sich hier vielleicht unsere Wege. Mein Plan war zwar, morgen weiterzufahren, das muss ich mir jetzt natürlich genau überlegen, denn wann bekomme ich schon einmal die Gelegenheit auf solch ein Spektakel? Wir werden sehen.
Der Marokkaner war sehr stolz, als er mir das erzählte. Er freute sich ebenso über mein Interesse und ich bin sicher, einen weiteren Freund gewonnen zu haben. Auch stelle ich fest, dass mein Französisch wieder besser wird. Zwar stoße ich immer wieder an Grenzen, doch diese weiten sich zusehends. Vielleicht lerne ich doch noch das eine oder andere, denn durch Frankreich und Italien komme ich ja noch. Hier bleibt mir nichts weiter zu tun, als endlich etwas auszuspannen. Auch wartet die weiterhin spannende Lektüre der Experimente Ghandis auf mich, von denen ich mich inspirieren lasse.
Sprachlich und geistig.