Catania

Es ist eine eigenartige Zeit. Wie versunken stecke ich in meinem Camper, nicht fest, sondern einfach nur drinnen im Warmen, während draußen eisige Winde wehen. Wahrscheinlich ist es gar nicht so kalt, ich habe sogar den Eindruck, dass es langsam etwas milder wird. Aber im Moment bin ich zufrieden damit, nicht wie ein Verrückter in der Gegend herumlaufen zu müssen. Für Morgen habe ich mir vorgenommen, wieder einmal in die Stadt zu laufen. Für Ausflüge nach Syrakus oder Taormina ist wahrscheinlich doch erst am Montag Zeit, da die Busse am Wochenende nicht sehr regelmäßig fahren.

Ich beginne langsam, mich wegen meiner andauernden Tatenlosigkeit schuldig zu fühlen. Auch wenn ich mit dem Buch gut vorankomme und selten faul bin, ist heute der erste Tag, an dem ich begonnen habe, darüber nachzudenken, ob man Tausende von Kilometern fahren muss, nur um dann im Camper zu hocken, um zu schreiben. Was mir vor einigen Tagen noch wie eine Wohltat vorkam, scheint mir heute etwas verwelkt und durchgekaut. Am Ende macht es sicher nichts, zeigt mir aber wieder einmal, wie ich funktioniere. Die Unruhe kann ich zwar für einige Tage bannen, aber niemals für längere Zeit. Ich habe heute darüber nachgedacht, wie es in Zeiten war, in denen ich für andere habe arbeiten müssen. Bin ich letztlich daran gescheitert?
An der Unruhe, dem ständigen Wechseln, den Veränderungen, denen ich mich und damit auch die Menschen um mich herum, für die ich verantwortlich war, ausgesetzt habe?

Ich habe seit einigen Tagen das Gefühl, dass ich jetzt diesbezüglich schlauer bin. Und weiß auch, dass ich als Führungsperson noch mehr lernen müsste, wenn ich denn jemals wieder eine solche Position einnehmen sollte (wonach es derzeit nicht aussieht). Das Leben wollte mir eine Lektion erteilen, die habe ich teilweise gelernt. Aber nicht vollständig, denn ich habe mich abgesetzt, bevor sie beendet war. In dem Glauben, alles gelernt zu haben. Das ist nicht der Fall, wie ich jetzt, anderthalb Jahre später, weiß. Wo die Lektion genau liegt, weiß ich noch nicht genau, aber es brennt auf eine Art. Wer weiß, wann ich wieder die Chance bekommen werde. Vielleicht erst in vielen Jahren, in Bereichen, in denen ich es nicht erwarten würde. Vielleicht aber auch direkt nach meiner Reise, denn kurioserweise herrscht in Deutschland angeblich Vollbeschäftigung, was eine Suche nach einem Arbeitsplatz zumindest erleichtert. (Anmerkung ein Jahr später: Eine große Lüge, denn nirgends ist es so schwer, Arbeit zu finden wie in Berlin.) Aber daran möchte ich noch nicht denken. Erst einmal bin ich hier, habe noch einige Wochen, vielleicht Monate vor mir. Die Aussichten in Berlin sind nicht gerade rosig, nein, sie sind völlig weiß. Es herrschen Minusgrade im zweistelligen Bereich, etwas, das ich eigentlich nicht erleben möchte. War es nicht auch Sinn dieser Reise, den Winter dieses Jahr auszusparen? Einen ewigen Sommer habe ich nicht erlebt, bewusste Entscheidungen sind dabei immer die besten. Aber möchte ich einen Winter? Kälte ist furchtbar, lieber halte ich höhlenhafte Hitze aus. Es wird sicher keine leichte Entscheidung. Die ich jetzt auch noch nicht treffen muss. Wir warten Weihnachten und Neujahr ab. Dann werden wir sehen, wie es mir geht. In vier Tagen jedenfalls ist der dunkelste Tag des Jahres. In der Stadt scheint mir das nicht so viel auszumachen wie in der Walachei. Trotzdem werde ich den 22.12. ein wenig feiern. Schließlich geht es von da ab lichttechnisch wieder bergauf.
Auch wenn es wieder Monate dauern wird, bis ich das bewusst wahrnehme.