Kaş

Es war wieder ein eigenartiger Tag. Wieder erwachte ich sehr früh, noch vor sieben. Beim ersten Schritt aus dem Camper begrüßte mich Gouda, die etwas beleibte Katzendame, die schon mit Nina Freundschaft geschlossen hatte. Da ich mich hier nicht besonders wohl fühlte, beeilte ich mich. Die Erinnerung an Nina war hier einfach überall und ich fragte mich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, nochmals auf diesen Platz zu fahren. Als ich mich von Gouda diesmal endgültig mit einigen Stücken Fleischwurst verabschiedet hatte, machte ich mich noch vor acht auf den Weg. Dank der Party, die gestern wieder einmal die halbe Nacht gedauert hatte, war noch niemand wach. Mir war es recht. Somit musste ich mich nicht verabschieden.

Für einen Augenblick war ich euphorisch. Endlich würde ich diese Gegend im Süden der Türkei verlassen, nach so vielen Wochen, die ich hier verbracht hatte. Ich fühlte mich hervorragend, dachte, ich hätte meine gestrige Depression überwunden. Doch falsch gedacht. Ich fuhr nur wenige Kilometer, dann kamen all die wundervollen Erinnerungen wieder. Als ich Manavgat passierte, dachte ich an unseren letzten gemeinsamen Spaziergang, am Fluss entlang, den türkischen Kaffee, den wir in einem Ufercafé bestellt hatten. Eigentlich war es nichts Besonderes und doch…. Wieder wurde ich etwas traurig. Das einzig Gute an der Strecke war, dass ich relativ rasch vorankam. Bereits nach zwei Stunden erreichte ich Antalya, das viel zu viele sinnlose Ampeln und mit Sicherheit keine grüne Welle aufzuweisen hat. Das führte zu Zeitverlust. Wieder sah ich all die Orte, die wir zusammen gesehen hatte. Besonders intensiv scheinen die letzten Stunden in mein Gedächtnis gebrannt, denn ich seufzte sogar, als der Shoppingmall in der Nähe des Flughafens in Sicht kam, in dem wir zuletzt gegessen hatten. Aber ich widerstand und hielt nicht an, obwohl ich ein zweites Frühstück gut vertragen hätte.

Als ich an Camping Denizer vorbei fuhr, ließ ich den letzten Ort, mit dem ich mit Nina zusammen war, hinter mir. Danach wurde es besser, auch wenn die Niedergeschlagenheit heute nie ganz aufhörte. Doch ich ließ mich rasch von der Landschaft gefangen nehmen, die hier auf der Küstenstraße spektakulär und abwechslungsreich ist. Dazu muss ich sagen, dass ich wieder einmal meine Meinung geändert hatte. Pamukkale muss warten, ich will noch die letzten Tage der Wärme am Wasser auskosten. Daher hatte ich mich bereits gestern entschieden, lieber den Küstenstreifen von Antalya in Richtung Fetiye zu fahren, den ich vor drei Wochen ausgelassen hatte.
Ich wurde nicht enttäuscht. Auch hier war die Straße gut, oft zweispurig. Auch die Kurven wirkten sanft, so dass ich nicht so scharf abbremsen musste und weiterhin gut vorankam. Diese Fahrt kann ich nur empfehlen. Sie ist spektakulär und nicht so anstrengend wie die gestrige. Ich stellte sogar fest, dass ich eigentlich viel zu schnell war. Dadurch gönnte ich mir mehr Pausen, machte einige Fotos. Allerdings muss ich gestehen, dass es an den grandiosesten Stellen keine Möglichkeit zum Anhalten gab, so dass ich nicht annähernd so viele Bilder im digitalen Kasten habe, wie ich es eigentlich gern gehabt hätte. Also muss es in meiner Erinnerung genügen.

Die Fahrt war so wunderbar, weil sie so abwechslungsreich ist. Ein Teil führt direkt an der Küste entlang. Der zweite durch die Berge. Der sanfte Anstieg tat meinem Camper gut, der sogar erstaunlich schnell fuhr. Ich kam kaum hinterher. Es folgte wieder ein Küstenstreifen, ich ergötzte mich an dem Blick auf das Meer an diesem etwas diesigen Tag. Hier wurde die Strecke etwas anspruchsvoller, ich musste aufpassen. Trotzdem wagte ich es, Fotos zu schießen, aus dem Auto heraus. Das war nicht ohne, denn manchmal unterschätzte ich daher Kurven. Als ich eine viel zu schnell und unkontrolliert, mit nur einer Hand am Lenkrad zu nehmen versuchte, bemerkte ich, dass es an der Zeit war, mich aufs Fahren zu konzentrieren. Es ging natürlich alles gut.
Auf der Strecke müssen mehrere wichtige lykische Ausgrabungsstätten sein. Ich übersah sie anscheinend, besonders Myra, wo ich vorhatte, auf einen Campingplatz zu fahren, der aber auch nicht ausgeschildert war. Am Ende landete ich in Kas. Hier ging es spektakulär bergab. An einer Stelle sah ich ein Schild, das einen Panorama-Blick versprach. Ich wurde nicht enttäuscht. Die Aussicht ist traumhaft, eine Art Fjord erstreckte sich vor meine Augen. Die Bucht von Kas. Die Sonne stand noch hoch am Himmel und ich wusste, dass ich erst einmal angekommen war. Ich atmete tief durch, genoss den Moment.
Den Campingplatz fand ich ohne Probleme.
Auf meinen Geist, der sehr erschöpft war, hörte ich nicht, sondern lief sofort in die kleine Stadt – oder besser Dorf? Ich weiß es nicht. Ich fand einen wirklich hübschen Ort vor, der noch nicht gänzlich vom Tourismus erobert ist. Sicher liegt er zu weit weg vom Flughafen. Allerdings erfasste mich eine kaum zu unterdrückende Unruhe. Eigentlich möchte ich zwei Tage bleiben, aber plötzlich bekam ich Panik. Es dauerte eine Weile, bis ich lokalisierte, worum es ging. Ich war verwirrt. Verwirrt wegen der vielen widersprüchlichen Gefühle der letzten Tage. Vielleicht auch wegen der Entscheidungen, die ich zu treffe hatte. Und auch aufgrund der Zweifel, die ich noch immer diesbezüglich hege.
Ruhig Blut. Ich werde morgen ausruhen, vielleicht mache ich mir auch einige Gedanken zu meinem neuen Roman, den ich in nächster Zeit anfangen werde.
In jedem Fall kehrte ich nach einigen Momenten der schlechten Laune einfach wieder zum Camper zurück und ruhte mich aus. Letztlich ist der Tag und auch der gestrige nicht spurlos an mir vorübergegangen. Ich bin schließlich kein Roboter.
In jedem Fall beginnen heute die letzten Tage in der Türkei. Das wird mir langsam klar. Auch merke ich, wie groß dieses Land wirklich ist. Noch immer stehen mir 1200 Kilometer Fahrt bevor. Unglaublich. Aber es ist so.
Mit einem Schluck Raki lässt sich alles ertragen. Mal sehen, ob Atatürks Geist vorbei schaut. Sicher nicht. Aber hoffen kann ich ja.