Tarifa

Ein weiterer Versuch nach Afrika zu kommen, ist fehlgeschlagen. Ich bin sehr früh aufgestanden, um pünktlich zur 11-Uhr Fähre in Tarifa zu gelangen. Hoffnung hatte ich, weil der Wind in Jimena fast nur noch sporadisch auftrat und auch nicht mehr so stark erschien. Anders jedoch in Tarifa, wo es so sehr stürmte, dass an Fährverkehr nicht zu denken war. Der Wind pfiff so unbarmherzig, dass mir die Sandkörner vom nahe gelegenen Strand ins Gesicht peitschten und wie tausend Nadelstiche brannten. Nur meine Sonnenbrille verhinderte Schlimmeres. So bleibt mir heute nichts als Müßigtum, es soll wohl so sein. Auf dem Campingplatz gestern wäre zwar das Wetter besser gewesen, doch gefiel mir die Gesellschaft nicht. Direkt neben mir quartierte seit 4 Monaten ein deutscher Alt-Hippie, der bereits meinen reizenden, ostdeutschen Nachbarn auf der anderen Seite gehörig auf die Nerven gegangen war. Ich hörte das durch die offene Campertür und hoffte, dass dieser Kelch an mir vorübergehen möge. Das war natürlich gar nicht möglich, denn gleich zwei Landsmänner zu treffen, war wohl das Fest seiner Zeit in Spanien. Natürlich kam er auch zu mir. Er habe gehört, ich wolle allein nach Marokko. Das wäre hart, sehr hart. Dabei wackele er mit der Hand. Auf meine Frage allerdings, was er meine, ging er nicht ein. Im Gegenteil, er sagte, es werde immer härter. Das Wackeln wurde stärker. Um ganz ehrlich zu sein, da hatte ich bereits keine Lust mehr zu reden, denn ich kann es absolut nicht leiden, wenn jemand versucht, in anderen Ängste zu wecken und diese immer weiter schürt. Ich denke, es ist auf der einen Seite eine Frage von Wichtigkeit, so lange man Information hat und selbst wenn man nur vorgibt, sie zu haben, bleibt man für andere interessant und auf eine Art wichtig. Auf der anderen Seite gibt das solchen Individuen auch eine gewisse Macht. Ich hatte nicht die Absicht, mir Angst einjagen zu lassen oder mich der Macht dieses Menschen unter zu ordnen. Er begriff wohl sehr schnell, dass ich kein Interesse an einer weiteren Unterhaltung hatte und blieb dann auch nicht länger. Also alles halb so schlimm. Trotzdem war mir der Mensch etwas unheimlich, so dass ich beschloss weiterzuziehen. Sicher hätte er mir eine Menge erzählen können, denn er war mit einer Schwalbe unterwegs, war gerade ein halbes Jahr in Marokko gewesen, bevor er vor 4 Monaten nach Spanien zurückgekehrt war. Vielleicht lag es auch an meinem stark ausgeprägten Misstrauen, vielleicht auch an meinen Vorurteilen gegenüber solchen Leuten, vielleicht war es aber auch mein sechster Sinn, der sich meldete, ich weiß es nicht. Jedenfalls scheine ich solche Typen anzuziehen, denn vor ein paar Tagen vor einem Supermarkt hat mich bereits ein Jüngerer dieser Spezies abgepasst, als ich gerade meine Sachen eingeräumt habe. Zum Glück fuhren wir in unterschiedliche Richtung, ich bin sicher, er hätte sich sonst bei mir einquartiert. So aber erzählte er mir nur von günstigem Haschisch in Marokko und dass er dort 3 Wochen lang auf einem Campingplatz versackt ist. Dass er sich damit bei mir keine Sympathiepunkte holte, ahnte er nicht. In einer schwachen Sekunde habe ich mit dem Gedanken gespielt, mir meine langen Haare abschneiden zu lassen, doch das kommt natürlich nicht in Frage. Anpassen um des Anpassens Willen ist nicht meine Sache, ich werde in Zukunft nur noch klarer sein, was meine Vorlieben und Abneigungen betrifft. Wahrscheinlich reicht dann schon der Satz: „Ich finde kiffen bescheuert.“ Dann sollte eigentlich Ruhe sein und die Wahrheit ist es obendrein.
Vielleicht wird das Wetter besser, dann werde ich versuchen, über den Strand die 5 Kilometer nach Tarifa zu laufen. Es ist der erste Tag, an dem ich mit dem, was ich gemacht habe, nicht recht zufrieden bin. Aber vielleicht ist es gut so, das Innehalten. Trotzdem hoffe ich, dass sich der Sturm morgen legt und ich endlich weiter kann.
Aus dem Spaziergang wurde übrigens nichts, es war einfach zu stürmisch.