02.09. Ankunft in Wien

Manchmal ist das Leben wirklich ungerecht.
Jeder kennt Coco Chanel, die Pariser Modezarin.
Und Emilie Flöge? Kennt die jemand? Fast niemand mehr. Dabei ist Emilie Flöge die Frau, die die Wienerinnen, die es wollten, mit ihren Reformkleidern aus dem Korsett befreit hat, also das Pendant zu ihrer Pariser Kollegin. Dass sie nebenbei noch die Lebenspartnerin/Freundin/Geliebte (man weiß es leider nicht genau) von Gustav Klimt war, sollte eigentlich nur eine Fußnote sein. Denn Emilie Flöges Schaffen steht auch ohne das Nennen des berühmten Malers auf eigenen Füßen.
Natürlich hat Klimt ihr geholfen. Mit seinen Freunden der Wiener Werkstätte, allen voran Josef Hoffmann und Koloman Moser, hat er ihr sowohl bei der Finanzierung als auch bei der Einrichtung des Salons geholfen. Erste Wahl beim Design und Handwerk sozusagen. Nach diesem anfänglichen Anschub aber etablierte sich Flöge rasch in der Wiener Modeszene und betrieb ihren Modesalon so erfolgreich, dass dieser bald führender Modetreffpunkt der oberen Wiener Gesellschaft war. Natürlich war sie gut vernetzt, vor allem in der Kunstszene, aber so etwas war damals wie heute ein Muss unter erfolgreichen Unternehmern. Von 1904 bis 1938 führte sie ihr Geschäft der Schwestern Flöge. Erst Anschluss und Krieg beendeten es. Von der hochwertigen Einrichtung ist heute leider nichts mehr erhalten. Sie wäre heute ein Vermögen wert, so wie alles, das aus den Wiener Werkstätten stammte.
Weshalb erwähne ich das im Detail?
Weil wir in der Nähe des Casa Piccola untergekommen waren und mich mein erster Gang in die Mariahilfer Straße führte, wo ich dieses elegante Gebäude besichtigen konnte. Eine Tafel erinnert an die berühmte Modedesignerin.
Ich kann mich entsinnen, dass ich ins Treppenhaus gelaufen bin. Keine Ahnung, ob die Tür auf war oder ich durchgeschlüpft bin, als jemand das Haus verlassen hat.
Der Modesalon befand sich in der ersten Etage, ich habe mich damals aber nicht getraut, oben nachzusehen. Ich glaube, dass dort heute eine Agentur untergebracht ist. Ich bin mir aber nicht sicher. Da ich nicht daran glaube, dass sich Geister der Vergangenheit an einem Ort befinden, komme ich dem Menschen Flöge sowieso näher, wenn ich mich mit ihrem Werk beschäftige und den Menschen, die sie umgaben. Von daher finde ich auf Fotos und vor allem in Büchern ganz sicher mehr heraus, als wenn ich die Räumlichkeiten besuche, die sie damals belegt hat.
Trotzdem war es natürlich interessant, auf diese Weise unseren Wien-Besuch zu beginnen. Gleich hinein in die Welt der Stadt zur Jahrhundertwende.
Der Tag sah ansonsten wie folgt aus: Anreise mit dem Bus von Prag aus, was letztlich den größten Teil des Tages ausmachte. Erst abends sind wir etwas spazieren gegangen.
Und gleich auf Flöge gestoßen.
Wer sie übrigens „treffen“ will: Sie ist die Dame auf Klimts wohl berühmtesten Gemälde, der Kuss. Eigentlich wollte auch er sich auf dem Bild verewigen, änderte es aber nach Intervention der Modeschöpferin. So besagt es zumindest ein Gerücht.
Ich zumindest glaube es. Es passt dramaturgisch so schön in die nebulöse Geschichte der beiden.

03.09. Secessionsgebäude und Spaziergang durch Wien

Ein wundervoller Tag voller Kunst und Kultur.
Und leider so wenigen Fotos.
Viele Museen erlauben es nicht, innen zu fotografieren. Warum das so ist, kann ich nicht sagen, denn viele Fotos von Gemälden von Klimt befinden sich gemeinfrei auf Wikipedia.
Auch das grandiose Beethoven-Fries im Secessionsgebäude. Alleine deshalb lohnt sich aber schon ein Besuch dort.
Es sollte übrigens nur zeitlich beschränkt ausgestellt werden und nach der Eröffnungszeremonie im Jahr 1902 wieder entfernt werden. Zum Glück überlegte man es sich anders. Es ist heute ein Muss für jeden, der sich auf die Suche nach Gustav Klimt macht.

Ansonsten schlenderten wir durch Wien, an diesem ersten Tag, der uns zur Verfügung stand. Vorbei am Loos-Haus und dem Café Central, ruhten uns zwischendurch auf Outdoor-Möbeln im Museums-Quartier aus. So heiß wie in Prag war es aber nicht mehr.

04.09. Belvedere und natürlich Klimt

Ein sonniger Tag, den ich allein verbrachte.
Ehefrau Nina kannte das Belvedere schon, ich hingegen auch, wollte es aber nochmal sehen. So viele Klimt-Gemälde, die wollte ich mir nicht entgehen lassen. Vor allem einige, die er während seiner „Goldenen Periode“ gemalt hat. Unter anderem natürlich das Werk, für das er berühmt ist: „Der Kuss“.
Wenn man den Ausführungen der Roman-Biografie glauben schenken darf, handelt es sich bei dem Paar übrigens um Klimt selbst und Emilie Flöge. Zumindest hatte Klimt das so geplant. Da er seine Werke aber oft überarbeitet hat und auch Emilie anscheinend nicht besonders erbaut gewesen ist von dem Gedanken, auf diese Weise, nämlich ehrerbietig vor dem Liebhaber kniend, dargestellt zu werden, hat er es verändert. Und seinem männlichen Protagonisten einen wilden Haarschopf gegeben. Somit ist er, der fast kahle Künstler, wohl nicht mehr abgebildet. Und auch Emilie war nicht rothaarig.
Es ist übrigens nicht das einzige Gemälde mit diesem Sujet. Auch in der Villa Stoclet in Brüssel und im Beethovenfries im Secessionsgebäude Wiens findet sich dieser Kuss in Varianten wieder.

Aber genug davon.
Letztlich nämlich habe ich einen ganz anderen Maler „gefunden“, der mich in den nächsten Jahren noch oft beschäftigt hat.
Giovanni Segantini.
Seine Art, das Licht in den Alpen einzufangen, hat mich seitdem immer wieder fasziniert. Eines seiner Werke, „Die böse Mutter“, befindet sich im Belvedere. Soweit ich mich erinnern kann, bin ich an diesem Tag erst auf den Künstler aufmerksam geworden. Denn nach der Reise hierher habe ich einiges gelesen. Ich muss mal nach St. Moritz, wo sich das Segantini-Museum befindet. Es ist aber wie so oft bei mir: Mich interessiert immer die Person mehr als seine Werke, die natürlich auch Teil seiner Persönlichkeit sind. Besonders bei „freien“ Künstlern, also denjenigen, die nicht nur Aufträge abarbeiten. Das ist ein kleiner Widerspruch zu dem heutigen Ausflug, denn Klimt hat immer nur an Aufträgen gearbeitet, war aber ab einem gewissen Zeitpunkt derartig berühmt, dass er es sich leisten konnte, keine allzugroßen Kompromisse mehr zu schließen. Bemerkenswert, war er doch ein finanziell ausgesprochen erfolgreicher Mann. Welcher Künstler kann das schon von sich sagen?

Ansonsten habe ich an diesem Tag nur Bilder vom Belvedere außen, denn im Museum selbst darf man nicht fotografieren. Sei es drum, die Bilder gibt es alle gemeinfrei bei Wikipedia. Und die sind allemal besser als meine stümperhaften Versuche, mit einer billigen Digi-Cam drinnen zu fotografieren.
Das Belvedere jedenfalls ist auch sonst sehenswert. Die Gebäude und die streng gegliederte Parklandschaft breiten sich vor einem aus und öffnen den Blick auch auf die Stadt selbst. Aber letztlich kommt man nur wegen Klimt hierher. Der stellt in diesen Tagen alles andere in den Schatten.

Klimt im Belvedere – Alle Bilder sind gemeinfrei und auf Wikipedia