Beginn der Rückfahrt Richtung Antalya

Ganz so kalt ist es nicht. Trotzdem war es sicher einer der bedeutendsten Tage auf dieser Fahrt bislang. Ich blieb heute Morgen dabei, um halb sieben wachte ich auf, wohlgemerkt, und sah es als Zeichen. Da ich gestern schon das Meiste gepackt hatte, brauchte ich kaum noch Zeit. Allerdings nahm ich mir die Freiheit, nochmals ausgiebig zu frühstücken. Ich genoss es, in drei Metern Entfernung die Wellen am Strand zu beobachten, die Sonne schien um diese Zeit noch nicht so intensiv, doch war es bereits ausgesprochen warm. Zumindest soweit ich das beurteilen konnte. Dann war es soweit. Ich zahlte, verabschiedete mich wortreich von dem Schweizer Paar, mit dem ich hier so viel Zeit verbracht hatte. Dann fand ich mich plötzlich auf der Straße wieder.

Ich hätte heulen können. Wirklich und wahrhaftig fühlte ich mich hundeelend. Meine Entscheidung, nicht weiter nach Syrien zu fahren verfluchte ich jetzt. In einigen Hundert Kilometern Entfernung stehen die Pyramiden, ist eine völlig fremde Welt, die auf mich wartet. Und die nun noch ein wenig länger tun muss.
Ich kam vorbei an entdecktem Land. Wie im Zeitraffer gingen mir Bilder der vergangenen Wochen durch den Kopf. War meine Reise hier vielleicht am Intensivsten? Trotz der Tatsache, dass ich nicht so aktiv gereist bin wie in den Monaten vorher? Mir ist die Gegend ans Herz gewachsen, beinahe ein bisschen zu einer Art Zuhause geworden. Durch meine langen Aufenthalte hier, die immer mindestens eine halbe Woche gedauert haben, scheint das geschehen zu sein. Auch vermisste ich Nina immer noch, würde bald schon wieder in Gefilden sein, in denen wir uns aufgehalten haben. Mich machte das alles irgendwie traurig. So fuhr ich, gab mich schweren Gedanken hin. Zum Glück war die Straße anspruchsvoll, so dass ich mich wirklich konzentrieren musste. Bald schon tauchten wieder die Bananenplantagen auf, von denen es hier Hunderte gibt. Aber erst musste ich die Bergkette überwinden, musste wieder Pisten fahren. Die Folge war ein langsames Vorankommen, das mich aber nicht weiter störte. Ich kannte ja alle Unterkunftsmöglichkeiten in der Gegend. Nach drei Stunden näherte ich mich Anamur. Es war eine Art Etappe und auch hier kam Sehnsucht auf, wenn ich an die arbeitsintensiven und erholsamen Tage hier dachte. Aber ich fuhr vorbei, ohne anzuhalten. Wieder an einer hohen Küstenstraße entlang in Richtung Alanya. Auch dieser Weg war schwierig, ich erinnerte mich richtig. Die Transe tat ihren Dienst wie immer, zuckelte problemlos, aber langsam die Hügel hinauf und schlängelte sich die Serpentinen entlang. Die Ausblicke waren göttlich, allerdings musste ich meist auf die Straße achten. Nina hätte es geliebt, wenn ihr die Verhältnisse nicht Angst gemacht hätten. Oft gab es keine Leitplanken und der Abgrund war Hunderte Meter tief. Nichts für schwache Nerven.

Dann näherte ich mich Alanya. Hier war mein Herzschmerz am stärksten. Gerade einmal zwei Wochen ist es her, seit ich mit Nina hier war. Ich erinnerte mich an unsere Besichtigung der Festung, die von weither sichtbar ist, unsere Mahlzeit in einem der einfachen Restaurants auf diesem Burghügel. Es war eine schöne Zeit. Und in diesem Augenblick tat es weh, sich daran zu erinnern.
Ungefähr 250 Kilometer war ich gefahren, hatte sieben Stunden dafür gebraucht, Zeit also für eine Pause. Die nutzte ich zum Einkaufen. Ich gönnte mir etwas ganz Besonderes: eine kleine Flasche Raki für einen Heidenpreis. Ich liebe Anisschnaps.

Das letzte Stück dauerte dann nicht lang. Da es schon später Nachmittag war und ich nicht im Dunkeln fahren wollte, entschied ich mich für einen Stopp bei Camping Osay. Wieder also auf dem Platz, auf dem ich mit Nina so lange war. Allerdings fahre ich morgen gleich wieder, denn ich muss einfach aus dieser Gegend heraus.
Ich frage mich, warum dieser Tag wirklich so folgeschwer für mich war. Vielleicht weil es nun wirklich irgendwie in Richtung Heimat geht. Vielleicht auch, weil ich nach Tausenden von Kilometern ungedreht bin. Ich weiß es nicht genau. Allerdings kenne ich mich gut genug, um zu wissen, dass diese Gemütsregungen nie lange dauern. Bald schon werde ich mich auf mein geliebtes Italien freuen und vielleicht mit Tunesien nochmals ein kleines Abenteuer erleben. Somit habe ich keinen Grund, mich zu beschweren. Aber ein wenig den Chancen nachtrauern, die ich habe liegen lassen – bewusst natürlich – das darf ich heute Abend schon.
Darauf trinke ich.
Prost.