Eitelsonnenschein, aber klare, frische Luft. Kalt und klirrend. Und doch in der Sonne herrlich warm, fast zu warm. Nach der kalten Nacht war es eine Freude, die Hitze zu genießen. Jeder Teil in mir sehnt sich danach. So saß ich also vor dem Zelt, die Morgensonne im Gesicht, die schon gehörig brannte, doch mit unglaublich angenehmen Temperaturen. Meist ist es in der Sonne zu heiß für mich.
Eigentlich hatte ich fest vor, es an diesem Tag ruhiger angehen zu lassen. Doch als ich erst einmal am Hafen war, nachdem ich es endlich geschafft hatte, mich aufzuraffen, konnte ich nicht widerstehen. Also begann ich die Wanderung, die ich mir eigentlich für Sonntag vorgenommen hatte, nachdem ich einige Vorräte eingekauft hatte. Ohne Picknick macht es doch keinen Spaß.
Ich befand mich auf bekannten Pfaden. Der GR34 führt auch hier die Küste entlang, und zwar in beide Richtungen. Ich entschied mich für den westlichen Teil von Camaret aus, die mir am Vortag von der Touristeninformation empfohlen worden war.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich Küstenabschnitte sein können. Und zwar immer in geringstem Abstand zueinander. Sanft, dramatisch, melancholisch, rau, es gibt eigentlich kein Adjektiv, dass man nicht irgendwann verwenden könnte, je nach Umgebung und auch Wetterlage. Ich kann es immer kaum glauben, welche Intensität die Farben haben. Besonders heute, bei grellem Licht und klirrenden Temperaturen. Die Konturen waren kontrastreich, die Felsen stachen aus dem Meer heraus, schienen sich wie in 3D auf mich zuzubewegen. Die Musik dazu spielte das Meer selbst, war es doch windig, sodass es bewegt war. Es rauschte und zeterte, krachte gegen die Steine weit unter mir, anscheinend sinnlos und doch hatte es im Laufe der Zeit alle Spuren hinterlassen, die im Gestein sichtbar waren. Die See hat halt die Jahre auf ihrer Seite. Ebenso wie der Wind, der mal lässig und geduldig arbeitet und selbst den härtesten Felsen unterdrücken und formen kann. Vom Pointe du Grand Gouin folgte ich dem Wanderweg weiter, bewunderte die unglaubliche Schönheit der Landschaft. Abwechslungsreich und beinahe überladen. Kein Wunder, dass Maler hier besonders gut arbeiten können. Ich wäre überfordert, diesen Reichtum zu bändigen. Aber jedem sein Metier.
Ich erreichte den Plage de Pen Hat. Nun, zuerst einmal sah ich ihn von weit oben. Es ist beeindruckend, diese Weite zu erleben. Die meisten Strände sind nur schmale Streifen in der Landschaft, Ränder an der Küste. Nicht hier. Sie dominieren die Gegend, greifen ins Land, als wollten sie darauf bestehen, ebenfalls dazuzugehören. Von meinem Aussichtspunkt in der Nähe des Pointe du Toulinguet stieg ich hinab. Hunderte Meter weißer Sand lagen vor mir. Nasser weißer Sand, denn wieder einmal herrscht Ebbe. Das Meer hatte sich weit zurückgezogen, doch die krachenden und rollenden Wellen sah ich natürlich immer noch. Sie mussten sehr hoch sein. Nicht umsonst ist das Schwimmen hier verboten. Wer weiß, welche Strömungen hier regieren.
Hier blieb ich schließlich, um ein Picknick zu mir zu nehmen. Es war dringend nötig, denn ich war wirklich erschöpft. Da ich mein Strandtuch immer dabei habe, war es kein Problem. Was man mit einer Nähmaschine nicht alles anstellen kann. Wenn man den richtigen Stoff findet.

Beinahe schlief ich ein. Der Gedanke daran, dass ich mich wieder mit Sonnenschutzcreme einschmieren muss, weckte mich. Das ist das einzige Manko hier. Es gibt keinen Schatten. Und auch wenn es nicht übermäßig warm war, schien die Sonne intensiv. Ich möchte mit meiner Haut nicht mehr als nötig schaden. Am Ende des Tages hatte ich natürlich doch einen leichten Sonnenbrand.
Bald also setzte ich meinen Weg fort. Zwar wurden die Schritte schwerer, aber es war ja nicht mehr weit. Ich kam an etlichen ehemaligen Bunkern vorbei, die anzeigen, dass es hier nicht immer friedlich gewesen ist. Dicke Betonwände, rostiger Stahl. Trotzdem fügten sich die Bunker gut in die Landschaft ein. Mich interessierte aber eher die dramatische Felsformation. Steil geht es hier in Richtung Meer. Ein falscher Schritt… aber lassen wir das. Ich konnte es natürlich nicht lassen und musste bis zum Rand der Schlucht, um Fotos zu schießen. Ich bin nicht schwindelfrei.
Ich hätte nicht gedacht, dass sich alles mal steigern lässt. Aber der Pointe du Pen-Hir ist ein echter Höhepunkt. Beinahe senkrecht erheben sich hier Felsblöcke aus dem Meer, die Tas de Pois. Als wären Riesen zu sehen, erstarrt. Unbeweglich trotzen sie den Elementen, die zerren und sausen. Auch an mir. Im Gegensatz zum harten Stein ertrug ich es nicht sehr lang
Jetzt war ich wirklich am Ende. Ich glaube, das es nicht nur die körperliche Belastung ist. Die Eindrücke stürzten derartig auf mich ein, dass ich kaum noch in der Lage war hinzusehen. Ich kenne dieses Gefühl der Übersättigung. Wenn es zu viel ist, ist es zu viel. So also suchte ich den direkten Weg zum Campingplatz, der erstaunlich nahe lag.
Was mich dann auf die Idee gebracht hat, abends nochmals loszugehen, um das Finale der Champions League anzusehen, begreife ich heute nicht mehr. Dämlich. Erst war ich zu früh, kein Mensch in der Bar außer mir. Dann kamen einige junge Franzosen, bereits angeglüht, was im Laufe des Abends natürlich noch intensiver wurde. Das Spiel? War ein Fußballspiel eben. Ich langweilte mich nach 20 Minuten. Eigentlich sollte ich in solchen Fällen aufstehen und gehen. Ich blieb. Alles kreischte um mich herum, rauchte und soff. Mir war das alles zu viel. Kurz nach dem Schlusspfiff flüchtete ich. Aber ich habe durchgehalten. Schön war es nicht. Und schnell vorbei war es auch nicht. Ich muss mir diese Erfahrung merken. Aber wie ich mich kenne, vergesse ich alles und mache denselben Fehler demnächst wieder.
Unbelehrbar.