Mozirje

Der Tag startete langsam, kam nicht in die Gänge und war plötzlich vorbei. So kann man ihn beschreiben, letztlich ist fast nichts geschehen. Aus meinem Vorhaben, früh aufzustehen und rechtzeitig loszufahren wurde wieder nichts, vor halb neun schlug ich nicht einmal meine Augen auf, danach bummelte ich vor mich hin, um dann irgendwann loszufahren. Dank der Vignette kam ich schnell voran, wäre ich in motivierter Stimmung gewesen, es hätte heute noch alles gut werden können. Doch ich war es nicht und diesmal kann ich es nicht einmal auf das Wetter schieben. In jedem Fall erreichte ich einen Campingplatz bei Mozirje, mitten im Wald, der schon um die Mittagszeit reichlich angefüllt war. Was sich sogar noch ändern sollte. Auf der Fahrt kam ich endlich an den Bildern vorbei, die ich mir von Slowenien erwünscht hatte. Alte Frauen mit Kopftüchern, kleine Ortschaften, die gar nichts aufzubieten hatten, um sie zu besuchen, Mais- und Kornfelder – alles in allem sehr idyllisch.
Beim Ankommen blieb es auch, der Fehler lag sicher in der Tatsache begründet, dass es auf dem Platz wieder einmal Wifi gab, also surfte ich, was immer eine völlig sinnlose und zeitraubende Tätigkeit ist. Wenn es so weiter geht, werde ich nur noch Plätze aufsuchen, bei denen das Internet viel kostet oder bei denen es noch keines gibt. Das scheint in Slowenien nicht der Fall zu sein, bislang gab es das überall.
Wenigstens kam ich mit dem Roman voran, eine schwierige Stelle ist im Kasten, so dass ich wenigstens hier mit etwas aufwarten kann.
Ich frage mich, ob das Schreiben jemals etwas bringen wird. Bislang möchte selbst in meiner Verwandtschaft kaum jemand meine Geschichten lesen, von Verlagen ganz abgesehen. Selbst wenn sie es tun, verstehen sie es oft nicht, manchen ist bereits das, was ich fabriziert habe, schon eine Spur zu kompliziert. Es sind eben keine Krimis. Am Ende ist es egal, ich erschaffe etwas, das sich zu lesen lohnt, besonders für den, der gerne etwas tiefer eintauchen möchte. (Eintrag genau ein Jahr später: Ich weiß nicht, ob das Wunschdenken ist. Für mich hört sich das an als wäre ich letztes Jahr unendlich enttäuscht und verzweifelt gewesen. Heute, nach all der Zeit und der Erfahrung, dass die Menschen in meiner Umgebung nicht mehr die gleichen sind wie vor der Reise, kann ich besser verstehen, warum niemand zuhören wollte. Es sprengt einfach das Maß dessen, was Menschen begreifen können. So ist es nun einmal, ob Enttäuschung oder nicht)
Dass auch ich dabei eine Entwicklung durchlaufe, an deren Ende ich noch nicht angelangt bin, dabei immer besser werde, ist auch klar. Ich habe mir vorgenommen, einfach immer weiter zu machen, ich liebe es, anders kann ich es nicht ausdrücken. Die bloße Tatsache, mich jeden Tag hinsetzen zu können, um zu schreiben, ist doch großartig. Sicher fühle ich mich manchmal müde, kämpfe gegen die Faulheit, aber bislang habe ich noch immer die Oberhand behalten, zumindest an den meisten Tagen. Schon das ist ein Erfolg an sich und wird mich in meiner Entwicklung ganz sicher weiter begleiten. Auch wenn es vielleicht noch 20 Jahre dauert, bis sich einmal jemand bereit erklärt, meine Bücher zu drucken, von denen es dann sicher Dutzende gibt. Es sei denn, mir fällt etwas ein, um den starren Büchermarkt in Bewegung zu bringen. Dass ich dabei ein größeres Ego entwickeln muss, um mich selbst besser zu vermarkten, liegt auf der Hand. Mal sehen, ob ich es in mir habe, ich glaube fast nicht. Wahrscheinlich ist mir der Preis zu hoch, den ich bezahlen müsste, um immer im Mittelpunkt zu stehen.

Eine Sache ist mir in Slowenien aufgefallen. Ich fühle mich völlig sicher. Ich hatte das fast vergessen, doch ist es ein Ereignis, das ich erwähnen muss. Als Berliner bin ich mit der Mauer aufgewachsen, das Inseldasein war vollkommen normal für mich. Um im Wald spazieren zu gehen, mussten wir durch die Zone, deren „Beschützer“ meinen Vater und alle anderen, die auf die Transitautobahn wollten, regelmäßig anschnauzten und schlecht behandelten. Also war „der Block“ immer eine Gefahrenzone, die man so schnell wie möglich hinter sich ließ. Dass man diese Subjekte am Ende so leicht aus der Verantwortung gelassen hat, verstehe ich bis heute nicht. Für mich hätte jedes SED-Mitglied offiziell Rechenschaft ablegen müssen. Aber egal.

Jedenfalls bin ich so aufgewachsen, der Osten hatte immer etwas Bedrohliches, selbst als die Wende kam, fuhr ich sehr ungerne nach Brandenburg. Ich wurde dafür oft ausgelacht, aber am Ende waren es immer noch die gleichen Menschen dort, teilweise echte Verbrecher, die uns lange Zeit – über 40 Jahre lang – als Feinde angesehen haben. Und plötzlich, 1989, war alles zu Ende? Alle waren plötzlich wieder Freunde? So viel Unsinn kann mir einfach niemand erzählen.
Es dauerte Jahrzehnte, bis ich mich wirklich einmal in den Osten wagte. 2008 war Polen mein eigentlich erstes Reiseziel, im selben Jahr folgte Kroatien, 2009 dann Prag. Das war alles kein Problem, überall fühlte ich mich willkommen. Hier auch, es gibt diese alten Animositäten nicht mehr, die sicher größtenteils von mir kommen. Ich weiß, ich verzeihe nur sehr langsam, aber ich denke, ich habe es geschafft. Mal sehen, wie es irgendwann einmal im tieferen Osten wird, Litauen oder die Ukraine. Doch das steht dieses Jahr noch nicht auf dem Programm. Alles zu seiner Zeit.