Cefalu

Auch dieser Tag begann mit herrlichstem Sonnenschein. Es ist eine Freude, im Januar diese Wärme auf der Haut spüren zu dürfen. Auch die Nacht war recht mild, ich hatte fast vergessen, wie es ist, nur mit einer Decke zu schlafen. Dabei ist es noch gar nicht lange her. Ich hadere zurzeit mit den Gedanken zum Ende dieser Reise. Aber ich glaube, das muss ich nicht. Ich habe etwas begonnen, was ich fortsetzen werde. Dabei kann ich zufrieden mit dem sein, was ich erreicht habe, die Zeit war kreativ und effizient, auch wenn sicher noch Spielraum vorhanden ist, um noch mehr und besser zu arbeiten. Daher will ich nicht trauern, sondern mit Schwung und Freude in die Zukunft schauen. Auch wenn mir die eine oder andere Träne erlaubt sein wird, wenn ich an meine Zeit als Landstreicher zurückschaue.

Aber noch ist es nicht soweit. Ich begann den Tag mit einem kurzen Blick ins Internet, der dann länger wurde. Viel zu lang. Aber es hat sich gelohnt. England hat die „Ashes“ verteidigt, die Australier auf eigenem Boden in denselben gespielt. Es ist ein beinahe historischer Sieg, mehr als 20 Jahre haben wir darauf gewartet. Aber das nur am Rande.
Ich hatte beschlossen, mit dem Rad nach Cefalu zu fahren. Ob es eine gute Idee war, bezweifelte ich von Anfang an. Schließlich lag die letzte Radtour schon Wochen zurück, in Silifke, wenn ich mich recht erinnere. Entsprechend steif waren auch meine Muskeln nach bereits wenigen Metern, die auch noch bergauf führten. Ich tat das, was ich in solchen Fällen immer mache: Ich schob. Dann ging es einige Zeit bergab. Mir graust bereits jetzt vor diesem Stück auf der Rückfahrt, aber wenigstens wurden meine Muskeln langsam warm. Danach lief es etwas besser, kleinere Steigungen nahm ich, zwar langsam, aber problemlos. Die 13 Kilometer streckten sich jedoch. Ein Isogetränk, das ich irgendwann einmal gekauft hatte, leistete jedoch gute Dienste. Ich kam letztlich mit nur einer kurzen Pause aus. Dann endlich, nach mehr als einer Stunde Fahrt, erreichte ich Cefalu, war froh, vom Rad steigen zu können und wieder auf meine bevorzugte Art unterwegs zu sein: zu Fuß.

Vor mir eröffnete sich eine malerische Altstadt. Die Gassen sind schnurgerade gezogen, der Ort direkt an Meer hat ein Übermaß an Charme. Ich wanderte durch die sonnendurchfluteten Straßen, erfreute mich einfach nur an der Atmosphäre. Da es noch vor zwölf war, hatte ich sogar noch Zeit, mir den Dom anzusehen. Er beeindruckte mich sehr. Vor einem felsigen Hügel gelegen, setzt sich der helle Sandstein hervorragend ab. Auch das tiefe Blau des Himmels spielte eine Rolle, es war ein göttlicher Anblick. Der Dom scheint mir sehr alt, romanisch-gotisch. Außen wirkt er wuchtig, innen schlicht und elegant. So mag ich es. Der Chor ist mit einem byzantinischen Mosaik geschmückt, das an den Dom von Montereale bei Palermo erinnert. Oder wahlweise an die Hagia Sofia. Leider wird der Chor von barocken Elementen umrahmt, die wie immer überladen den Eindruck etwas stören. Aber das Schöne ist, dass man das von Weitem, also vom Portal aus, kaum sieht. Von hier wirkt der Dom am eindrucksvollsten. Ich gebe hier nur meine Meinung wider, nicht mehr. Andere mögen es anders empfinden. Der Dom wird zurzeit restauriert, so dass überall antike Steine herumlagen. Innen wie außen. Muss ja auch mal sein.

Ich lief danach noch eine Weile durch die Stadt, kam ans Meer. Um die Stadt herum sind herrliche Strände, feiner Sand, sauber, es kann sich sehen lassen. Auch bietet Cefalu vom Meer aus einen malerischen Anblick, die alten Häuser trotzen der Natur, man sieht ihnen den Kampf gegen die Gewalten an.
Mir fiel nichts Besseres ein, als mich auf den Weg zum Tempel der Diana zu machen, der auf La Rocca, dem besagten Berg, liegt. Es war ein steiler Anstieg und ich fragte mich, ob ich mir das wirklich antun wollte. Aber da war es bereits zu spät, denn ich hatte schon ein ganzes Stück hinter mich gebracht. Den Tempel erreichte ich recht leicht, er liegt inmitten eines kleinen Waldes. Es ist nicht viel übrig, aber der Ausflug lohnt sich. Damit hatte ich aber noch nicht genug. Jetzt sollte es auch die Spitze sein, die Festung, die ganz oben auf dem Berg liegt. Es sind noch einige Höhenmeter bis dahin, ein kleiner Pfad führte mich steil nach oben. Es ist schon eigenartig, dass mir das Laufen kaum etwas ausmacht. Ich hätte so eine Steigung niemals mit dem Rad nehmen können, zu Fuß aber machte es mir Spaß. Es ist wirklich immer wieder ein erhebendes Gefühl, einen Hügel zu erklimmen. Immer muss ich lächeln, wenn ich die Spitze erreiche, es sind wahre Glücksmomente. Es geht mir nur so beim Wandern. Im Leben erkenne ich diese Augenblicke kaum, weiß nicht, wann ich eine Spitze erreicht habe, fühle daher auch kein Glück. Eigentlich schade. Vielleicht muss ich daran arbeiten, etwas genauer hinzuschauen.

Der Ausblick von hier oben war natürlich fantastisch. Das Meer, die Berge, die nahe Stadt, alles war klein und in die intensive Sonne getaucht. Für kurze Momente erlebte ich ein unbeschreibliches Freiheitsgefühl, hier oben, in der Einsamkeit. Der sanfte Wind wehte mir um die Haare, es war warm und angenehm. Vielleicht ist man dem Göttlichen auf Bergen doch näher als unten. Vielleicht aber auch, weil die Aussicht so wundervoll ist. Ich genoss diese raren Momente, bevor ich mich auf den Rückweg machte. Von oben sah ich auch den Dom und den geräumigen Platz davor. Ich wollte mir nach so schönen Erlebnissen etwas Besonderes gönnen. Nach dem Abstieg setzte ich mich auf die Terrasse eines der Cafés und bestellte einen Café Macchiato. Und hier sitze ich nun, hatte fast vergessen, wie es ist zu schreiben. Eigentlich kaum zu fassen, habe ich doch meinen Roman fast ausschließlich in Cafés geschrieben. Irgendwann habe ich es sein gelassen, seither läuft es auch nicht mehr. Sicher liegt es auch an den ziemlich gesalzenen Preisen in den hiesigen Cafés. Aber letztlich brauche ich das. Heute jedenfalls hat es sich gelohnt, gerade verschwindet die Sonne hinter den Häusern, so dass ich sagen kann, jede Minute ausgenutzt zu haben. Ich gehe nun noch einmal kurz an den Strand, bevor ich mich wieder auf das Rad schwingen werde. An diesen Tag werde ich noch lange denken.

Morgen geht es wieder in Richtung Catania. Eine Woche mit Nina werde ich genießen, bevor ich mich dann auf den letzten Abschnitt der Reise machen werde. Wie auch immer der aussehen wird. Er macht mir etwas Sorgen. Wir werden sehen, ob die berechtigt sind oder nicht.