Chinon

Nach meinem Frühstück in der Bar – habe mir ein Croissant und einen schönen Kaffee geleistet, da ich dachte, wenn ich schon Übernachtungskosten gespart habe, kann ich wenigstens frühstücken gehen und schreiben, was mich mit 2,50 Euro nicht wirklich arm gemacht hat und in mir den Gedanken weckte so etwas öfter zu tun – bin ich durch Chinon geschlendert. Es ist ja nicht sehr groß, daher war ich dann nach 10 Minuten bereits einmal durch. Was mir sofort auffiel, war die Tatsache, dass die Gebäude zwar alle einen mittelalterlichen Eindruck machten, doch sehen die Steine, aus denen sie erbaut sind, aus wie neu. Es muss eine Art Kalkstein sein, denke ich zumindest, den ich eigentlich nur fast schwarz gefärbt kenne, was sicher an der nicht ganz sauberen Luft und dem nicht mehr ganz neutralen Regen liegen könnte. Also entweder ist in Chinon die Luft sehr sauber oder die Renovatoren waren eine Spur zu übereifrig. Kennen Sie den Film „A good year“? Max sagt Charlie auf die Frage, wie das Chateau erhalten ist: „Well, it is a bit shabby.“ Darauf Charlie (sein Rechtsanwalt, der das Gebäude verkaufen soll): „We don’t say shabby, we say, that is has the patina of a bygone era.“
Verstehen Sie, was ich meine? Diese Patina fehlt und somit auch das Gefühl, es mit einer mittelalterlichen Stadt zu tun zu haben. Und doch ist mir etwas Merkwürdiges aufgefallen. Ich habe das Schloss angesehen und war dabei in den Kellergewölben, in die Touristen schon seit Menschengedenken ihre kleinen Botschaften gekratzt haben. Ich schaue mir so etwas gerne an, wenn ich ein Herz mit zwei Initialen sehe, daneben die Jahreszahl 1946, frage ich mich zum Beispiel, ob aus den Beiden etwas geworden ist. Und was. Da kann ich mir die wildesten Geschichten ausdenken. Aber zurück zum Thema: Ich habe auch Jahreszahlen aus dem späten 18. Jahrhundert gesehen. Auf Stein, der genauso hell und neu aussieht, wie derjenige, aus denen draußen die Häuser gemacht sind. Wieder fehlt der Ausdruck von Zeit auf den Steinen, wenn nicht die Jahreszahl wäre, könnte man denken, sie wären erst im letzten Jahr vermauert worden.

Chinon und Umgebung

Also entweder hier hat jemand innen genauso sorgfältig restauriert oder die Stadt ist wirklich so alt. Ohne allerdings so zu wirken. Gut gehalten eben.
Das Château ist übrigens nicht so, wie man sich das an der Loire vorstellt. Kann sein, dass das daran liegt, dass einige englische Könige sie zu einer Trutzburg ausgebaut haben, die wirklich der Verteidigung diente, also nicht eine Art verspielte Anlage für die Gutverdienenden jener Zeit, sondern eine Burg mit militärischem Nutzen.
Überall begegnet man dem Namen Jean D’Arc, denn hier soll sie aus einer Scharr von Höflingen den König Charles identifiziert haben, der sich aus Jux unter sein Gefolge gemischt hatte. Die Halle, in der das geschehen sein soll, existiert nicht mehr, nur noch eine Wand mit einem Kaminabzug (dahinter allerdings ein anderes Gebäude), aber es ist dennoch eine nette Idee. Der gesamte Komplex wird gerade umgebaut, so dass ich die Kerker nicht sehen konnte. In ihnen sind vor 700 Jahren einige Tempelritter gefangen gehalten worden, die Symbole an der Wand hinterlassen haben. Hätte ich zu gerne gesehen, denn die Tempelritter haben mich schon immer angezogen, seit ich das Foucaultsche Pendulum von Eco gelesen habe. Zum Glück ebbt der Hype darüber nach dem DaVinci-Code langsam ab, so dass ich mit meinem Interesse dafür bald allein da stehe, aber das nur am Rande.
Mit Chinon war ich durch, so dass ich nun begann, mir Gedanken zu machen, wo ich als Nächstes hinfahren könnte. Ich beschloss, nach Saumur zu fahren. Keine Ahnung warum, wahrscheinlich weil es auf dem Weg zu einem Stellplatz für meinen Camper lag. Jedenfalls erinnerte ich mich dunkel, denn vor 12 Jahren war ich bereits schon einmal hier gewesen. Das Château war zum Glück geschlossen, es wird renoviert. Mir kam das gelegen, denn der Rough Guide teilte mir mit, dass es dort wahre Meisterwerke der Sattlerkunst sowie herausragende Stücke von chinesischem Porzellan zu sehen gab. Mich riss das nicht vom Hocker und ich war froh, dass ich die Gelegenheit nicht bekam, zwischen meinem schlechten Gewissen und meinem unintellektuellem Desinteresse wählen zu müssen. Aber kurz gesagt, ich hatte keine Lust, weder auf das Eine noch das Andere. So ging ich einfach durch die Stadt, die auf so angenehme Art nicht vom Schloss beherrscht wird. Ein berühmtes Kavallerieregiment kommt aus Saumur, daher mutet es ein wenig militärisch an. In jedem Fall ist es jedoch herrlich französisch, mit einem Boulevard, der von (noch kahlen) Bäumen gesäumt ist, netten, kleinen Boutiquen und Bars/Cafés. So mag ich das, schön unaufdringlich.
Danach begann ich die Suche nach einem geeigneten Stellplatz, der Dritte sagte mir zu, aber nicht bevor mich Garmin Nüvi, kurz Garmin, Dank Straßenreparaturen, einmal quer durch die Wallachei geschickt hatte. Immer wieder erstaunlich, was diese Dame so alles für Straßen kennt. Leider kennt sie nicht die Ausmaße meiner Transe, so dass ein kleiner Feldweg mitunter zu schmal für mein Gefährt sein kann. Vor allem, wenn mir ein nervöser Franzose hupend entgegen kommt. Aber das ist sicher bald ein ganzes Kapitel wert, ich werde etwas sammeln. Jetzt stehe ich zwischen Saumur und Angers auf einem kleinen Parkplatz, habe für heute genug getan und bin zufrieden. Schön. So habe ich es mir vorgestellt.