Barcelona

Und damit bin ich im dritten Monat meiner Reise. Und welch ein Höhepunkt, denn ich sitze in Barcelonetta in einer Strandbar.
Wie bestellt erwachte ich heute Morgen zu einer halbwegs zivilen Zeit um 7:30 Uhr. Es war beinahe etwas zu früh, doch mit solch einer Zeit kann ich wesentlich mehr anfangen. Gepackt hatte ich gestern bereits, alles war fertig, so dass ich selbst mit einem entspannten Frühstück bereits eine Stunde später vom Platz rollen konnte. Die Fahrt selbst war unspektakulär und wäre auch noch wesentlich kürzer gewesen, hätte ich Garmin nicht ignoriert. Das soll man nur machen, wenn man sich sicher ist, so aber geschah es mir recht. Die Straßenschilder zeigten zwar alle den Weg nach Barca, Gamin kannte aber eine Abkürzung direkt am Meer entlang. 20 Kilometer und etliche Serpentinen später als erwartet kam ich dann am Campingplatz an. Ich hatte erwartet, dass dieser sich näher an der Stadt befinden würde, doch es mögen an die 15 Kilometer sein, zu allem Überfluss auch noch auf einer Schnellstraße, so dass an die Möglichkeit, das Zentrum per Rad zu erreichen, im Moment nicht zu denken ist. Es gibt aber einen Bus, der sehr regelmäßig fährt. Vor einer Sache war ich von Engländern gewarnt worden: Der Platz liegt direkt in der Abflugschneise des Flughafens. Wenigstens dieser Umstand war nicht zu überhören und ich muss sehen, ob es ein wesentlicher wird. Es kann sein, dass ich aus dem Grund nicht so lange hier aushalte, wie ich möchte, aber das ist Zukunftsmusik.

Nach einer Stunde Ruhe und einem kleinen Kontakt meines Fahrradträgers mit einem Baum und dem daraus resultierenden verbogenen Nummernschild, machte ich mich auf den Weg in die Stadt. Es war ein durchweg eigenartiges Gefühl. Erst im Januar waren Nina und ich hier gewesen, als eine Art Abschiedstour vor meiner großen Fahrt. Gerade vier Monate ist das her und doch wirkt es wie eine Ewigkeit. Wenn da nicht die lebhaften Bilder dieses Kurztrips wären, die diesen Urlaub wieder dahin rücken, wo er hingehört, nämlich in meine jüngste Vergangenheit. Mein Weg heute führte mich deshalb auch unmissverständlich zu den Orten, die mir damals am meisten bedeutet haben. Ich wanderte die ausgesprochen belebte Rambla entlang, ließ die Altstadt erst einmal beiseite, marschierte geradewegs auf ein modernes Einkaufszentrum zu, das ich ebenfalls ignorierte, um dann nach einem Rechtsschwenk auf Barcelonetta zuzulaufen. Warum gerade dieses alte Fischerviertel auf mich einen solchen Eindruck macht, weiß ich nicht, doch habe ich mich hier vor vier Monaten am wohlsten gefühlt. Dabei ist es nicht einmal ein besonders historischer Ort, denn vor 200 Jahren ist der Bezirk modernisiert worden, die Häuser sehen alles andere als ärmlich aus und sind wie auf dem Reißbrett angeordnet. Am lokalen Markt irgendwo in der Mitte Barcelonettas kam ich natürlich nicht vorbei, da es Samstag war, musste ich mir den Ort mit vielen Einheimischen teilen.

Danach lief ich zum Strand, der ebenfalls ziemlich bepackt mit Leibern war. Vielleicht nicht der günstigste Tag der Anreise, doch darf ich nicht vergessen, dass ich in einer Weltstadt bin. Mein erster Gang hier führte mich in ein Café, wahrscheinlich mein Lieblingsort im Allgemeinen, um diese wenigen Zeilen zu schreiben. Es ist ein Anfang und ich weiß noch nicht so recht, was ich aus dem Besuch hier machen möchte. Aufgrund des Besuchs von vor einigen Monaten werde ich das übliche panische Sightseeing auslassen und lieber Atmosphäre spüren, wovon Barca einiges zu bieten hat. Ich werde mir einige Anregungen für meine gotische Novelle holen, Bauwerke, die mich architektonisch interessieren, in die Geschichte einbauen. Vielleicht werde ich sogar etwas modern und nehme Gaudi mit auf, aber ob ich so wagemutig bin, wird sich noch herausstellen. Auch habe ich erst kürzlich den neuen Roman von Zafon gelesen und würde gerne einige Orte aufsuchen, um zu überprüfen, ob meine Fantasie mit den Bildern, die er mit Worten gemalt hat, übereinstimmen. Es ist gar nicht so wichtig, ob es alles stimmt, aber ich will studieren, wie er es gemacht hat und vielleicht auch warum. Es ist eine einzigartige Chance, mit den Augen eines Schriftstellers zu sehen, dazu muss ich mir heute Abend das Buch nochmals vornehmen. Erst einmal jedoch werde ich noch durch die Barri Gotic schlendern, ungezwungen und ziellos, dann werden wir sehen. Auch habe ich heute noch nicht an der Geschichte geschrieben und daher ein gehörig schlechtes Gewissen.