Rocamadour
Wieder eine Nacht mit Gewitter und Regen. Es wird langsam zur Gewohnheit.
Die Blitze erleuchteten alles taghell, aber noch war der Donner weit entfernt. Es tröpfelte auch nur und ich habe es aud dieser Fahrt bereits erlebt, dass das Gewitter gar nicht bis zu mir vorgedrungen ist. In dieser Nacht aber war es nicht so. Immer wieder zerrissen die Blitze die Dunkelheit, das ohrenbetäubende Grollen kam nun näher. Es war klar, dass es mich erwischen würde. Komischerweise habe ich keine Furcht davor, auch so eine Nacht im Zelt zu verbringen. Immerhin handelte es sich um starke Gewitter, aber ohne Sturm. Ich glaube, das wäre es, was mich wirklich beeindrucken würde. Trotzdem ist an Tiefschlaf natürlich nicht zu denken. Es ist, als wenn einem jemand die ganze Zeit etwas ins Ohr brüllen würde, während er ab und an einen Lichtstrahl auf einen richtet. Dazu dann das Geräusch des Regens auf dem Zelt, erst kleine Hammerschläge, die später in ein lautes Rauschen übergehen. Weil das Zelt nicht mehr ganz dicht ist, tropft es auch manchmal auf mich herunter. So etwas ist wirklich erbaulich. Wie ein nasser Lappen. Kein Wunder also, dass ich wie gerädert erwachte. Es war Sonntag. Und ich stand nicht gerade begeistert auf, auch wenn der Regen langsam nachließ und später ganz aufhörte. Solche Tage gibt es manchmal. Da kann man nichts machen. Hier aber scheinen sie eher die Regel, als die Ausnahme zu sein.
Trotzdem ließ ich mich nicht beirren. Auch wenn es noch etwas tröpfelte, machte ich mich auf den Weg nach Rocamadour. Wieder ein Ort, den ich geschafft habe zu besuchen, der vor zwei Jahren vollkommen unerreichbar in weiter Ferne lag. Nun, mit etwas Anstrengung und Witz war ich also hier.
Als Erstes sah ich mir das Dorf, das eigentlich wohl eher eine winzige Stadt ist, von einer Aussichtsplattform an. Es schmiegt sich höher an die Felsen als alles, was ich bislang hier gesehen habe. Hoch oben auf dem Felsen ragt die Burg empor, darunter dann die Kathedrale. Rocamadour ist seit Jahrhunderten Pilgerstätte. Auch jetzt noch, so weit ich das verstanden habe. Als ich den Ort betrachtete, dachte ich mir, dass das der beste Augenblick meines Besuches hier an diesem Ort sein würde. Ich spielte sogar fast mit dem Gedanken, einfach wieder abzufahren, denn je näher ich dieser spektakulären Kulisse kommen würde, desto mehr würde sie zum Jahrmarkt werden. Natürlich drehte ich nicht um. Wer fährt schon so weit, um sich dann gar nichts anzusehen? Also lief ich die lange Straße nach unten.
Ich hatte natürlich recht, sobald ich das mächtige Stadttor passiert hatte, waren all die Geschäfte zu sehen, die es sonst auch gab. Ich habe es nun so oft beschrieben, dass ich nun keine Lust mehr darauf habe.
Warum stört mich das so? Ich kann mich an Besuche in Florenz und Rom erinnern, die ganz sicher nicht anders waren. Aber vielleicht ist das unfair, weil das Städte sind, in denen auch noch normale Bürger wohnen. Hier, in Rocamadour, kann ich mir das kaum vorstellen, auch wenn es wahrscheinlich so ist. Sicher, die Häuser sind malerisch, gut restauriert und rustikal. Aber das Flair ist nicht da. Das habe ich eher in Orten wie Sallignac oder sogar Gramat. Außerdem, je näher ich den Felsen und den Gebäuden kam, desto normaler wirkten sie. Natürlich türmten sie sich auch noch auf, aber aus der Ferne ist es eben trotzdem etwas anderes. Spektakulär und gewaltig. Die Nähe verdirbt diesen Eindruck.
Ich lief hinunter zum Tal, dort wurde es wieder etwas uriger, wahrscheinlich, weil die Geschäfte weniger wurden. Ich schreckte eine Katze auf, deren Körpersprache ich wohl mal wieder falsch gedeutet hatte. Sie blinzelte mir zwar zu, was aber noch lange nicht hieß, dass ich mich nähern durfte. Mit einem entsetzten Aufschrei verschwand sie, um kurz danach in einiger Entfernung wieder aufzutauchen. Sie ließ mich aber nicht mehr aus den Augen. Ich entschied, dass es das Beste war, sie einfach in Ruhe zu lassen. Ist wahrscheinlich bei den meisten Katzen die richtige Herangehensweise.
Unten im Tal schaute ich mir eine Mühle an, die eher aussah wie ein Wachtturm. Aber es war wohl eine Wehr-Mühle. Wer weiß, was die Menschen damals an Sicherheitskonzepten brauchten. Umsonst haben sie solche Anstrengungen sicher nicht vollbracht. Dann ging ich wieder zurück, um die Treppe zur Kathedrale emporzusteigen.
In der Kathedrale wurde wirklich ein Gottesdienst gehalten. Es roch nach Weihrauch, die Priester in prächtigen Roben tranken Wein aus güldenen Kelchen. Ich hielt es gar nicht aus. Sie fressen und saufen den Körper und das Blut ihres Gottes. Sind sie wirklich besser als all die Religionen davor? Wahrscheinlich ist auch das Christentum nur so ein Zeitgeist, der allerdings schon eine Weile anhält. Egal. Ich setzte meinen Weg nach oben fort, wo ich einige Aussichtsplattformen vorfand. Wieder sah ich mir die jetzt erneut eindrucksvolle Stadt an. Was etwas Entfernung ausmacht. Aber nichts war so beeindruckend, wie die Aussicht am Anfang, von der Plattform in der Nähe der Klosterruine aus. Das Schloss sah ich mir nicht an, es versprach gegen Aufpreis ein Panorama merveilleuse. Hatten wir schon, brauchte ich nicht für bezahlen.
Gegen Nachmittag beendete ich dann meinen Besuch. Morgen noch die Gouffre de Padirac, dann werde ich langsam wenden und wieder in Richtung Bordeaux gondeln. Zwar habe ich noch zwei Wochen, aber die Route steht nun fast unabwendbar fest und führt zurück. Nicht so schlimm. Eigentlich reicht es langsam.