Sant Pere Pescador
Gestern Nacht suchte mich eine kurze, heftige Krankheit heim, die mich mächtig dehydrierte. Kein Wunder also, dass es mir heute ein wenig an Kraft fehlte. Zum Glück machte das nicht viel, denn schon kurz nach dem Aufstehen begann es zu regnen. Die Situation war beinahe schon ungewohnt, ich saß im Camper, die Tropfen trommelten auf das Blech. In diesem Zustand wirkte es auf mich beruhigend, denn es gab für mich nichts weiter zu tun, als hier zu sitzen und dem Regen zuzuhören. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass es Sonntag war und ich irgendwo an der Küste, weit weg von größeren Orten, beinahe am Strand saß. So fand ich Zeit für eine schöne Schreibsession und bereitete mich geistig auf meinen Abschied aus Spanien vor.
Ich erinnere mich genau, vor vier Wochen hatte ich die Straße von Gibraltar überquert, war völlig am Ende wieder auf meinem Kontinent angekommen. Jetzt, diese Zeit später, schaue ich bereits auf das zweite Land zurück, dass ich morgen verlasse. Es war eine weite Strecke, allein von hier bis nach Tarifa zeigt mir Garmin 1330 Kilometer an. Ich bin natürlich viel mehr gefahren, es müssen mehr als 2000 gewesen sein. Anders als in Marokko, wo mein Reisen gehetzter war, bin ich hier in Spanien gewählter und langsamer vorgegangen. An vielen Orten bin ich länger geblieben, habe sie etwas eingehender erkundet. Und doch kann ich mich an weite Strecken erinnern, auf denen ich Vieles liegen gelassen habe. Einiges habe ich bewusst gemieden, weil ich mich eben für etwas anders entschieden hatte, wieder anderes habe ich gar nicht oder zu spät entdeckt, wie zum Beispiel ein römisches Aquädukt bei Tarragona, von dem ich bereue, den Rough Guide nicht besser studiert zu haben. So etwas geschieht jedoch. Es war eine extrem erfolgreiche Reise durch Spanien, man kann immer mehr machen, doch hier habe ich eben auch wieder zu meiner Tätigkeit gefunden und mit dem Arbeiten begonnen.
Städte wie Granada, Valencia und natürlich Barcelona stachen aus der noch größeren Zahl an Orten heraus, Dalis Museum habe ich gesehen, Miros in Barcelona nicht, wer weiß schon warum. Auf einen Stierkampf habe ich verzichtet, könnte mich jetzt mit meiner inneren Stärke brüsten, wenn ich es nicht besser wüsste. Ich war einfach nur zu den falschen Zeitpunkten in den Orten, entweder waren die Corridas noch Wochen hin oder längst vorbei, so dass ich gar nicht erst in die Versuchung kam, mich entscheiden zu müssen. Vielleicht habe ich in der Provence mehr Glück, doch da ich den meisten Teil mit Nina zusammen reisen werde, sehe ich mich nicht auf den Rängen einer Arena.
Spanien war insgesamt teurer und hat mich an den Rand meines eingeteilten Budgets gebracht. Natürlich hätte ich kulinarisch gerne mehr gekostet, doch das ist ein Punkt, an dem man etwas wieder gutmachen kann. Einige Höhepunkte habe ich mir dennoch geleistet, Serrano-Schinken gekostet, auch einmal den herzhaften Käse gegessen und natürlich – darauf konnte ich nicht verzichten – den herrlichen Wein getrunken, der diese wunderbare Barik-Note hat, die ich so liebe. Einige Fläschchen habe ich mitgenommen und werde sie zusammen mit Nina in der Provence entkorken.
Ansonsten glaube ich nicht, dass der Sprung von Spanien nach Frankreich so groß wird wie von Marokko nach Spanien. Sicher liegt das vor allem an den Menschen, die, wie ich meine, nicht so verschieden sind, aber auch das wird sich zeigen. Jedenfalls wird meine Art zu reisen sich in der nächsten Zeit erheblich verändern. Nina kommt in einer Woche und es ist natürlich immer etwas anderes, zu zweit zu reisen. Ich freue mich wahnsinnig darauf und bin gespannt, wie diese Erfahrung auf dieser Fahrt sein wird. Seit vielen Wochen bin ich allein, habe bereits nach wenigen Tagen mit den obligatorischen Selbstgesprächen begonnen, die jeder Alleinreisende kennt. Das wird jetzt nicht mehr nötig sein, denn ab nächster Woche habe ich einen echten Gesprächspartner, keinen erfundenen mehr.
Einen kleinen Strandspaziergang habe ich doch noch gemacht, vielleicht in der Hoffnung, die nahe gelegenen römischen Ruinen von Alt Empuria zu erreichen. Meine Kräfte haben nicht gereicht, auch schlug das Wetter wieder um, so dass ich den besten Grund hatte umzudrehen. Wie ich später recherchiert habe, ist nur wenige Kilometer entfernt der Campingplatz La Ballena Allegre, der glückliche Wal. Das ist der Ort, den ich vor 19 Jahren auf meiner ersten Fahrt nach Spanien angesteuert hatte. In einem uralten VW Polo, der kaum noch über hundert Stundenkilometer fuhr, war ich mit einem Freund zusammen aufgebrochen und letztlich hier gelandet. Es wurde zu einem traumatischen Erlebnis, denn wir wurden bis auf die Knochen ausgeraubt. Meine Vorsicht beim Reisen habe ich hier, auf sehr schmerzhafte und teure Weise, gelernt. Wer ist denn aber auch so blöd und lässt sein gesamtes Geld und Wertgegenstände auf einem unbewachten Parkplatz vor einer Kartbahn? Ich war es jedenfalls mit meinen 20 Lenzen, ebenfalls mein Freund, der kaum älter war.
Erfahrungen kommen, ob man sie machen will oder nicht. Meinem Freund, einem Ecuadorianer, werde ich jedenfalls schreiben, sobald ich wieder einmal online sein werde. Denn dass ich wieder hier bin, ist Zufall, doch jeder, der mich kennt, weiß, dass ich die Ansicht vertrete, dass es Zufälle nicht gibt. Also wer weiß schon, wozu dieser ruhige und nahezu sinnbefreite Aufenthalt hier, auf diesem ruhigen Campingplatz am Meer, gut war.
Ab morgen werde ich mich wieder besser verständigen können, das Spanische ist mir bis zuletzt verborgen geblieben, selbst einfachste Worte kamen mir nur schwer über die Lippen. „Gracias“ ist vielleicht das einzige, wenn auch eines der wichtigsten. Ab morgen wird es anders.
Merci et à bientot.