Catania

Wieder schreibe ich einen Tag später, was mir zurzeit allerdings kaum etwas ausmacht. Gestern schrieb ich den Roman weiter, ich hatte fast vergessen, was für eine enorme Befriedigung es ist, etwas Eigenes zu erschaffen, daran Schritt für Schritt zu arbeiten. Wenn ich nicht so vergesslich wäre, würde ich wahrscheinlich nie mehr meine Finger von der Tastatur lassen können. Aber vielleicht beginne ich mich nach und nach an dieses Glück wieder zu erinnern. Kein Angestellter kann das nachvollziehen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich außerhalb seiner geldbringenden Tätigkeit etwas zu suchen, wo er sein Glück finden kann. Zumindest wenn er es nicht in seiner Firma suchen kann, was häufiger vorkommt, als man denken mag.

Ich bin gestern noch einmal nach Catania gefahren. Es waren die alten Spaziergänge, mittlerweile kenne ich die Stadt recht gut, was mich nicht davon abgehalten hat, das Theater nicht zu finden. Direkt daneben, auf dem offenen und weiten Platz davor, befindet sich ein skurriles Gebäude. Es trägt die römische Jahreszahl 1939 und es verwundert nicht. Dieses wuchtige, bunkerartige Haus ist mit Figuren geschmückt, ebenmäßig gestaltete Körper, die man aus sozialistischer/nationalsozialistischer Kunst kennt. Ein Freund erzählte mir, dass es ein ehemaliges Hauptquartier der Schergen Musolinis war. Ich muss es einmal recherchieren. Komisch, dass man es nicht abgerissen hat, denn selbst der helle Stein, aus dem es errichtet wurde, passt nicht zu der düsteren, alten Atmosphäre der Stadt. Ganz abgesehen davon, dass der Theaterplatz ohne das Ding noch schöner wäre. Aber das ist nur meine Meinung.

Catania selbst wirkte irgendwie leer, es war doch etwas anderes, mit Nina hier entlangzuspazieren. Die Geschäfte interessierten mich nicht mehr, zumal es hier kaum noch Winterkleidung gibt. Allein die Vorstellung, mir im Januar etwas zu kaufen, dass ich im Frühling oder gar Sommer anziehen soll, ist für mich unmöglich. In Deutschland herrschen immer noch Minustemperaturen, da soll ich ein hübsches Kurzarmhemd anprobieren? Eigenartig, diese Welt. Trotzdem machte es Spaß, vielleicht kehre ich am Freitag nochmals zurück. Ich habe beschlossen, am Samstag Sizilien zu verlassen. Meine Rückfahrt beginnt damit unweigerlich. Ich werde heute etwas planen, mir die Route genauer überlegen. Sicher werde ich nochmals in der Provence vorbeischauen. Es ist ein kleiner Umweg, der mir aber Freude machen wird. Es ist eine gute Gelegenheit, die Alpen zu umfahren, die ich im Winter nicht überqueren möchte. Auch wohnt meine Schwester in Lyon, so dass ich einen Abstecher dorthin machen kann.
Ansonsten bleibt nicht mehr viel zu tun. Wenn es nicht zu teuer ist, schaue ich auch einmal in Florenz vorbei. Das wäre noch ein gutes Ziel. Nach zehn Jahren Abstinenz ist es wirklich Zeit, die Königin der Toskana wiederzusehen.
Vielleicht wird der Abschied hier nicht allzu schwer. Es ist bei Weitem nicht mehr so warm, der Wind ist frisch und die Wolken schwerer als gewöhnlich. Wir sind weit entfernt von der heiteren, beinahe frühlingshaften Atmosphäre der letzten Woche. Wenn die Sonne so intensiv scheinen würde, hätte ich sicher Probleme, mich von ihr loszureißen. So aber geht es. Auch wenn ich mir das einzureden versuche, etwas Wehmut schwingt bereits mit. Auf der anderen Seite bin ich aber auch gespannt, möchte mich dem Neuen stellen, das zuhause auf mich wartet. Danach werden wir sehen. Die Zukunft ist schließlich noch nicht geschrieben.