Aegiali, Langada und Tholaria

Am ersten Tag, an dem wir an unserem Urlaubsziel Amorgos, angekommen waren, passierte nicht viel. Erst einmal zur Ruhe kommen. Die Atmosphäre schnuppern. Alles in sich aufnehmen, was einem entgegenströmt.
Ruhe.
Viele Leute nehmen sich auf den einzelnen Kykladeninseln viel zu wenig Zeit, fahren oft schon nach zwei oder drei Tagen wieder ab. Ich persönlich finde beinahe, dass eine Woche schon nicht wirklich ausreicht. Aber das ist Ansichtssache.
Wir jedenfalls nahmen uns erst einmal Zeit zum Frühstückten auf der Terrasse mit (etwas) Meerblick und genossen das Geräusch der nahen Wellen. Noch immer war die See ziemlich aufgewühlt.
Leider mussten wir gegen Mittag das Zimmer wechseln, was den Tag irgendwie in zwei Hälften schnitt. Trotzdem liefen wir gegen zehn los, um uns einen der Strände anzusehen, Levrossos, der ein kleiner Geheimtipp ist. Normalerweise werden solche Orte von Fischerbooten angefahren, hier aber muss man über einen Felsen hinüberwandern, was die meisten Touristen nicht auf sich nehmen. Hinter dem Strand sind noch mindestens zwei weitere, sie werden immer einsamer, wer also wirklich Ruhe sucht, braucht nur weiterzulaufen.

Es war jammerschade, dass wir nicht bleiben konnten, denn wir mussten ja zurück. Auch nicht so schlimm, denn das Zimmer, das wir bezogen, lag besser.

Wie es oft der Fall ist hier auf den Kykladen: Ich weiß nie, wo die Zeit hingeht. Wir gingen nach dem Zimmerwechsel zum Stadt-Strand, eine langgezogene Sichel von beeindruckender Größe, auf dem sich die Besucher ziemlich gut verteilten, verbrachten hier dann viel Zeit. Ich weiß nicht mehr wie lange. Jedenfalls geschah nicht mehr viel. Wir verbrachten den Abend auf der Terrasse, ich bereitete eine echte Tomatensoße aus den unglaublichen Tomaten zu, die hier geerntet werden. Sie sehen nie so perfekt aus wie in deutschen Supermärkten, aber wenn man sie isst, fragt man sich, warum es bei uns solch einen Mist gibt.

Am nächsten Tag brachen wir auch erst gegen zehn Uhr auf. Irgendwie spielt Zeit hier eine eher untergeordnete Rolle. Wir wollten hoch nach Langada, um die eher traditionellen Kykladendörfer besuchen. Menschen wohnten früher nicht am Meer, viel zu unsicher, denn Piraten trieben hier ihr Unwesen. Was wir heute als romantische Dörfer sehen, waren früher gut zu verteidigende Trutzfestungen. Es muss ein hartes Leben gewesen sein.
Von Aegiali führt ein gut ausgebauter Eselspfad nach oben. Es sind vielleicht anderthalb oder zwei Kilometer. Der Ort selbst ist nett, die üblichen weißen Häuser und schalen Gassen eben. Hinter Langada türmen sich die eindrucksvollen Berge auf, immer wieder unterbrochen von Kirchen und Kapellen, die an den Wänden zu kleben scheinen. Oft ist es spektakulärer, sie aus der Ferne zu betrachten, als selbst hinzuwandern.

Wir ließen Langada hinter uns, stiegen weiter auf. Noch immer hatten wir uns nicht auf ein echtes Ziel geeinigt, vielleicht nur etwas höher steigen, vielleicht die kleine Kirche Panagia Epanochoriani, die wir dann auch tatsächlich bald darauf erreichten. Hier leistete uns eine Katzenkolonie Gesellschaft. Ich war das letzte Mal vor fünf Jahren hier gewesen, hatte hier sicher ein Dutzend Katzen gefüttert. Keine der Tiere ist mehr am Leben, Katzen werden hier meist nicht älter als fünf Jahre. Aber ihre Nachkommen waren da, die sicher vom Priester gefüttert werden. Gesunde Tiere, die nicht aussehen, als ob sie verhungern würden. Ich aber hatte das Futter, das ich eigentlich immer bei mir trage, zu Hause vergessen. Sehr, sehr ärgerlich. Aber viele der Tiere genossen einfach nur die Gesellschaft, waren anhänglicher als unsere in Berlin. So ist es eben. Pfiffige Tiere, die es gelernt haben, Menschen zu umgarnen, um somit zu überleben. Vielleicht komme ich nochmal her und füttere die Tiere.

Nun aber wollten wir auch den ganzen Kreis schließen und zur zweiten Siedlung in der Gegend, Tholaria, wandern. Es ist eine Art Rundweg an den Felsen entlang, nicht sehr schwierig, aber der Untergrund ist manchmal tückisch. Am Wegesrand wachsen wilde Kräuter, die in der ganzen Gegend einen würzigen Duft verbreiten.
Nach ungefähr 45 Minuten erreichten wir Tholaria. Wir waren jetzt doch etwas erschöpft. Aber auch hier, an einem entlegenen Ort, gibt es natürlich Cafés und Tavernen. Auf dem Weg hatten wir einige Wanderer getroffen, trotzdem war es ziemlich leer hier. Warum in Aegiali alles ausgebucht zu sein schien, ist mir ein Rätsel. Es ist nicht voll. Aber vielleicht ist das normal.
Nachdem wir uns erfrischt und gestärkt hatten, wollte ich unbedingt noch das antike Aegiali suchen, in dem die Menschen in der Antike gelebt haben. Es ist kaum ausgeschildert, doch fanden wir ein Hinweisschild, das darauf hinwies.

Leider fanden wir es nicht. Wir liefen eine halbe Stunde in die falsche Richtung, dann wieder zurück, dann in eine andere, bevor wir aufgaben. Als wir bereits beinahe am Wanderweg in Richtung des modernen Aegiali angelangt waren, entdeckte ich es aus der Ferne. Da lag es, auf einem Hügel direkt vor uns. Wenigstens machte ich noch ein paar Fotos. Aber entdecken werde ich es an einem anderen Tag. Jedenfalls weiß ich jetzt, wo es ist.

Wir gönnten uns noch einen Kaffee in der Stadt, nachdem wir den Abstieg hinter uns gebracht hatten, dann aber entspannten wir uns. Es ist ein guter Anfang hier, auf der Insel, die dafür bekannt ist, dass man auf ihr wandern kann. Und gut wandern.

Ich hoffe allerdings inständig, dass es irgendwann wärmer wird. Denn im Moment herrscht eine ungewohnte Kühle. Die Sonne versteckt sich oft hinter ziemlich finsteren Wolken. Und abends ist es ungewöhnlich kalt. Die bekannte Milde stellt sich nicht ein.
Es ist ein bisschen ärgerlich.