Mostar

Vielleicht ist es der intensive Sonnenschein, vielleicht eine andere, innere Uhr, um Punkt sieben Uhr erwachte ich und anders als sonst brauchte ich nicht einmal den Schlaf aus den Augen reiben. Trotz der relativen körperlichen Anstrengung am Tag zuvor. Auch wenn die Sonne schon vom Himmel strahlte, als würde es ihr letzter sein, lagen die Temperaturen noch um die 20 Grad, sehr angenehm also, um in Ruhe zu frühstücken, Gegen acht schnallte ich das Rad ab und machte mich auf den Weg ins 10 Kilometer entfernte Mostar. Spätestens jetzt war ich froh, so früh aufgestanden zu sein, auf diese Weise drückte die Hitze noch nicht. Die Strecke zog sich ziemlich dahin, lange vermutete ich, ich hätte vielleicht die Altstadt schon hinter mir gelassen, immer wieder fuhr ich an Warenhäusern oder Wohnblocks vorbei, nicht alle unbedingt mit Schönheit geschlagen. Doch das Warten lohnte sich, denn relativ plötzlich war ich da.
Selbst auf die Gefahr hin, langweilig zu klingen, aber ich muss es immer wieder betonen, der Krieg und dessen Schäden sind allgegenwärtig, in Mostar beinahe noch mehr als anderswo. Denn bevor ich den von der Unesco geschützten Teil der mittelalterlichen Altstadt erreichte, wanderte ich an der höher gelegenen Straße mit Bauten aus dem (vielleicht) 19. Jahrhundert entlang, die sicher einst prächtig gewesen, deren Fassaden sicher der Stolz der Besitzer gewesen waren. Heute sind es nur noch Ruinen, meist ist nicht mehr als die äußere Hülle vorhanden. Dabei sieht man ihnen an, wie großartig sie einst gewesen sind. Überall sah ich Kugeleinschläge, selbst in den Häusern, die der Krieg verschont hat. Ich kann mich an diesen Gedanken einfach nicht gewöhnen, dass Menschen so etwas tun. Die Massaker, die mutwillige Zerstörung von kulturellen Zentren, all das, was Menschen zu Ungeheuern macht. Noch nie war ich dabei einem Kriegsschauplatz aus jüngster Vergangenheit so nahe wie hier, auch wenn ich aus Berlin bin und den Gedanken kennen sollte. Tue ich aber nicht, denn ich habe die Russen nie als echte Bedrohung empfunden, vielleicht auch, weil ich erst 1970 geboren bin.
Das hier aber ist anders. 1993 haben diesmal kroatische Truppen ganz bewusst die Altstadt Mostars unter Beschuss genommen. Dabei ist mehr als nur die berühmte Brücke kaputt gegangen, die gesamte Altstadt glich den Landschaften Berlins 1945, das zeigen die Bilder, die hier überall hängen.

Irgendwann stand ich dann mitten drin, die mittelalterliche Altstadt ist perfekt renoviert, für mich eine Spur zu perfekt.
Ich begann die Besichtigung sehr ruhig, nahm erst einmal einen bosnischen Kaffee zu mir, merkte an den Preisen, dass ich mich in einer Touristenhochburg befand, auch wenn die Straßen noch ruhig waren. Letztlich ist es alles noch im Rahmen, 2 Mark für einen Kaffee, fast doppelt so viel wie sonst üblich, auch wenn im europäischen Vergleich günstig. Ich sah also dem Treiben zu, die Verkäuferinnen der Souvenirläden waren noch dabei, ihre Kaffees zu trinken und sich zu unterhalten. Noch war alles sehr ruhig.
Bald darauf begann ich meinen Rundgang, ich stand binnen Sekunden auf der berühmten Brücke. Sie ist wirklich malerisch, wobei der Fluss darunter samt der herben Erosion an den Felsen, die das Gewässer hinterlassen hat, dazu beitragen. Das Wasser war beinahe türkis. Wie ich schon sagte, ist die Altstadt restauriert, dabei sieht sie leider nicht mehr besonders alt aus, eher auf alt getrimmt. Gesandstrahlt und hell, den Materialien sieht man die Jahrhunderte nicht mehr an. Und in den Souvenirläden, überall in den antiken Märkten gibt es nichts anderes als den üblichen Klamauk. Mostar ist in die nicht sehr tiefe Schlucht hineingebaut. In einer Höhle befindet sich eine moderne Cocktailbar mit dem Namen Ali Baba – laute Technomusik dröhnte mir entgegen, nicht ganz mein Geschmack, aber wer es mag. Die Einrichtung jedenfalls sah toll aus, orientalisch, hätte ich mich für einen abendlichen Besuch entschieden, wäre ich sicher etwas trinken gegangen. So aber lief ich weiter die Altstadt hinauf. Von der ich sagen muss, dass sie sehr kompakt ist, denn nach wenigen Minuten hatte ich sie in voller Länge durchquert. Ich glaube selten so viele Moscheen auf einen Haufen gesehen zu haben, allesamt interessant, einige kann man sogar besuchen.

Was mir auffiel, waren die Geschäfte, die sich am Ende der Altstadt befanden und die sich auch danach fortsetzten. Sie enthielten Schmuck und vor allem Uhren. Von Rolex bis Breitling. Ich kann mich erinnern, dass ich vor Monaten darüber geschrieben habe, ich glaube in Spanien war es, Taragona wahrscheinlich, da mokierte ich mich über die Preise dieser Zeiteisen. Ich kann mich an Zahlen erinnern, die jenseits meiner Vorstellungskraft diesbezüglich lagen. Komisch, hier lagen die gleichen Uhren bei 50, vielleicht 70 Euro. Und das alles in völlig öffentlichen, stattlich ausgestatteten Geschäften, die sich kaum von den Juwelieren unterschieden, die die echten Uhren anbieten. Die gibt es nämlich auch, meist liegen sie nur wenige Meter von den anderen entfernt. Ich kann mich erinnern, dass es vor einiger Zeit in Italien einen Fall gab, bei dem eine Deutsche von einem Afrikaner eine Handtasche erwarb, die ebenfalls einen Markennamen trug. Sie wurde von der Polizei aufgegriffen und musste eine Strafe von damals 3000 Euro zahlen, drakonische Maßnahmen gegen die Produktpiraterie. Auch wird das Leben dieser meist schwarzen Verkäufer durch die Polizei sehr schwer gemacht, die meisten leben wohl in ständiger Angst vor dem Entdecktwerden. Hier ist es anders, ein wahres Paradies für Verkäufer gefälschter Produkte, die völlig offen verkauft werden. Ich widerstand aber dem durchaus drängenden Verlangen, eine wirklich schicke Breitling-Uhr zu kaufen. Eigentlich brauche ich sie nämlich nicht.

Gegen 11:30 wurde es voller und heißer. Hatte ich die engen Gassen beinahe für mich allein gehabt, strömten immer mehr Menschen in die Stadt. Da ich vom gestrigen Tag gelernt hatte, zog ich mich in eine Bar zurück, bestellte kalte Getränke und eine Kleinigkeit zu essen. Und da saß ich dann, wie versprochen mehrere Stunden. Ich schrieb dabei, es war eine sehr erfolgreiche Session, danach beobachtete ich das Geschehen um mich herum, People-Watching oder besser Frauen-Schauen. Immer wieder interessant. Innerlich lachte ich natürlich, denn es waren heute 37 Grad angesagt, die ganz sicher nicht übertrieben waren und um diese Zeit auch herrschten. Ich bewegte mich nicht sehr, ab einem gewissen Punkt wurde es allerdings unangenehm, weil das Restaurant voller wurde, so dass ich in ein Café wechselte. Hier machte ich mit dem Nichtstun weiter, es war ohnehin viel zu voll in den Straßen, die Menschen drängten sich vorbei, kamen dabei meist nur in Trippelschritten weiter. Ganz zu meinem Vergnügen, denn so konnte ich viel besser beobachten. Ein uralter Bosnier, mit langem weißen Bart und Haaren, der gegenüber von meinem Beobachtungsposten ein Geschäft betrieb, machte sich den Spaß und turnte ein wenig, in dem er sich an dem Holzbalken der Tür zu seinem Laden hochzog und akrobatische Übungen machte. Alle Achtung, der Mann ist topfit. So turnte er über einer ältlichen Touristin, die gar nicht davon mitbekam, was über ihr geschah. Plötzlich hatte der Mann eine Menge Zuschauer und die Frau fragte sich, warum alle so lachten. Ich saß in der ersten Reihe und hatte meinen Spaß.

Gegen Vier hatte ich genug, Mostar wurde immer voller, die Hitze jedoch hatte ihren Zenit bereits überschritten. Zwar war es immer noch recht drückend, aber ich beschloss, mich auf den Heimweg zu machen. Der zog sich bei den Temperaturen zwar etwas dahin, aber letztlich denke ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Mein Energielevel ist bei Weitem nicht so weit unten wie gestern, somit weiß ich jetzt, wie ich mit den Temperaturen umgehen kann. Früh aufstehen, Mittags nichts tun, Nachmittags wieder Action.
Mal sehen, wie der Sommer sich entwickelt. Morgen heißt es wieder:
Mittelmeer…….