Saignon

Das Wetter schlägt langsam um. Viel zu langsam für meinen Geschmack, aber ich kann es nicht ändern. Zumindest schien an diesem Tag die Sonne, auch wenn es windiger wurde. Nun, perfekt ist es nie. Immerhin konnten wir die Reise etwas aktiver angehen.
Unser Campingplatz befindet sich ungefähr auf der Hälfte der Strecke Apt – Saignon. Daher bot sich dieser Tag an, ihn mit einer kurzen Wanderung zu dem Bergdorf aufzufüllen. Die zwei Kilometer liefen wir also auf der Straße hoch nach Saignon, wurden durch immer bessere Ausblicke belohnt. Das Dorf selbst sieht schon von unten malerisch aus. Es klammert sich an den Hügel, scheint sich an der Spitze festgesetzt zu haben, während Felsformationen sich abheben.
Ich muss sagen, dass Saignon hält, was es verspricht. Ziegen begrüßten uns, als wir die Gärten vor dem Dorf erreichten. Eine schmale Straße, an deren Rändern sich krumme alte Häuser befinden, führte uns immer weiter nach oben. Das Schöne an diesen Orten ist, dass sie klein und überschaubar sind. Wenige Momente später standen wir sozusagen mitten im Zentrum, ein Brunnen plätscherte aufgeregt, während sich die eine oder andere Katze anbiederte. Berankte Häuser umrandeten den Platz, Bänke luden zum Verweilen ein. Aber bevor wir uns von unserer kurzen Wanderung erholen wollten, riefen erst die Felsen, die Saignon überragen. Der Rough Guide versprach herrliche Ausblicke auf das Luberon.
Besonders anstrengend war es dann letztlich auch nicht, wir wanderten die Steinstufen hinauf, bis wir oben standen und den Ort mit seiner spitzen Kirchturmspitze unter uns gelassen hatten. Es ist genauso, wie man sich ein Dorf in dieser Gegend vorstellt. Rustikal, klein, alt. Auch das Luberon war gut zu erkennen. Roussillon mit seinen Ockersteinbrüchen, die ich vor ungefähr zwei Wochen besichtigt hatte, hob sich ab. Gordes schien aus der Entfernung nur wie ein kleiner Felsen. Aber es war da. Mehr konnte ich, so glaube ich, nicht erkennen. Apt natürlich, das uns zu Füßen lag und das wir danach erneut besichtigen wollten. Aber erst war es Zeit für Lunch. Baguette, Käse, Früchte. Das passt zum rustikalen Ambiente. Wir genossen den windgeschützten Platz am Springbrunnen, während wir uns ausruhten. Danach liefen wir noch einige Meter zur romanischen Kirche, wo sich das einzige Café des Ortes befindet. Auch hier war es windgeschützt, die Sonne wärmte uns sogar, was kaum zu glauben ist. Ende Mai in der Provence, wenn jeder Schatten sucht, setzten wir uns mitten in die Strahlen. Ein kleines bisschen kam Sommergefühl auf. Um ehrlich zu sein, wir genossen es wirklich. Wir dehnten unseren Aufenthalt aus, ein Lächeln in unseren Gesichtern. Nach einem letzten kurzen Rundgang verließen wir Saignon, das uns so gut gefallen hat. Vielleicht auch, weil es keine aufdringlichen Touristenläden anbot, uns somit vom Kitsch verschonte. Ich weiß natürlich nicht, wie solch ein Dorf ursprünglich ausgesehen hat, bevor die Horden in der Provence einfielen. Wahrscheinlich verfallen und arm, voller alter Menschen, die von der Jugend für Reichtum und Arbeit verlassen ihr Dasein fristeten. Das ist jetzt natürlich anders. Trotzdem hat Saignon einiges bewahrt, so sahen wir einen alten Mann, dessen Hund zu seinen Füßen schlief, immer an der gleichen Stelle vor sich hindösen.

Saignon

Wir machten uns an den Abstieg, fanden dieses Mal den Wanderweg nach Apt. Es ist wirklich ein schöner Spaziergang, manchmal etwas unwegsam, mit Sicherheit aber schöner als eine Wanderung an einer Straße entlang. Wir kamen an manchem Bauernhof vorbei, die heute wahrscheinlich eher Chambre d’Hote sind. Aber das passt schon, denn von irgendetwas müssen die Provençalen ja leben. Wenn sie es sind, denen die Farmhäuser gehören und nicht reiche Europäer, die das große Geschäft gewittert haben.
Der Abstieg nach Apt dauerte nicht lange. Bald schon befanden wir uns wieder unten, sahen hinauf zu dem Ort, an dem wir nur eine Stunde zuvor hinabgeblickt hatten. Wieder liefen wir durch Apt, das uns an diesem Tag etwas schläfriger vorkam als gestern. Als wir genug hatten, brachen wir wieder auf zum Camper. Es war ein herrlicher Tag voller Sonne. Immer hoffe ich, dass es der Durchbruch ist. Ich wage es eigentlich kaum mehr, mir vorzustellen. Das Schlimme ist: Mir gehen die Socken aus. Ich hatte eigentlich gar nicht vor, überhaupt welche zu tragen. Welch ein Schicksal.
Kein Wunder also, dass wir uns mit einem Gericht aus dem Norden Frankreichs belohnten: Gallettes mit Ziegenkäse und Champignons. Dazu Cidre aus der Normandie. Man muss das Leben nehmen, wie es kommt.