Radtour im Westen von Chania

Es hat nicht viel gebracht.
Ich fror trotz der neuen Hose. Sehr ärgerlich.
Keine Ahnung warum, vielleicht werde ich empfindlicher, je älter ich werde. So also stand ich heute Morgen vor einem Dilemma. Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich machen sollte. In die Stadt fahren? Und was dann? Eine Decke kaufen, als Ergänzung für den offensichtlich nicht mehr funktionierenden Schlafsack? Das alles erschien mir Stückwerk. Zu allem Überfluss ist gestern ebenfalls das Kopfkissen geplatzt. Wahrscheinlich auch das Alter, Ehefrau Nina hat das Gleiche erlebt. Mit dem gleichen Kopfkissen. Vor zwei Wochen. Alles geht eben irgendwann kaputt. Meines habe ich einfach geklebt und auch händisch genäht. Es ist nicht ganz dicht, aber es funktioniert ganz gut beim Schlafen.
Aber das Dilemma mit dem Schlafsack hatte ich noch nicht gelöst. Eigentlich wollte ich nicht mehr nach Chania. Genug ist genug irgendwann. Der Rummel geht mir ein bisschen auf den Senkel, was nicht an der hübschen Stadt liegt, sondern an meinem schwierigen schizoiden Wesen. Allerdings hatte ich gestern etwas gesehen, eine Wanderkarte für diesen Teil der Insel. Und die wollte ich sowieso kaufen, also warum nicht?
Ich recherchierte und fand tatsächlich einen Outdoorladen, unweit des Zentrums. Eigentlich nur wenige Meter von der venezianischen Mauer entfernt.
So also radelte ich erneut nach Chania, zum Glück hatte ich den Weg gefunden, an dem ich fast die ganze Zeit am Meer entlang radeln oder laufen konnte. Manchmal muss ich schieben, aber selten. In weichem Sand fährt es sich sehr schlecht.
Als Erstes kaufte ich die Wanderkarte. Ich schaute sie mir sofort an, war aber etwas enttäuscht. Ein wenig ungenau, zu wenige Wanderwege. Aber vielleicht muss ich mich nur etwas mehr damit beschäftigen. Karten haben manchmal die Angewohnheit, wie Menschen etwas eigen zu sein. Je mehr man sich damit dann aber beschäftigt, desto klarer wird das Ganze.
Nun zum Schlafsackproblem.
Ich suchte also den Outdoorladen auf. Ein kleiner Laden, der aber, soweit ich das überblicken konnte, wirklich alles zu haben scheint, was ein Camper und Hiker braucht. Zelte, Rucksäcke, Kleidung – alles gab es. Und natürlich Schlafsäcke. Am liebsten hätte der Händler mir einen Armeeschlafsack verkauft, ein winziges Stück, das aber tiefste Temperaturen auszuhalten schien. Aber ganz ehrlich, ich friere zwar nicht gerne. Aber nachts schwitzen ist mindestens ebenso unangenehm. Also bot er mir einen Ultralight Schlafsack an, ein einfaches Produkt, für etwas mehr als 30 Euro. Ein gutes Angebot. Aber ich zögerte.
Keine Ahnung warum. Vielleicht wollte ich den alten Schlafsack nicht wegwerfen, vielleicht erschien er mir noch zu dick. Eine Hammam-Decke könnte doch auch als Zusatz reichen?

Jedenfalls ging ich erst einmal wieder aus dem Laden und dachte nach, während ich noch einmal durch den Bazar schlenderte. Ich schaute mir die Decken an. Dünne Badetücher. Und die sollten in Zwiebelmanier die Kälte abhalten?
Wie dämlich.
Dann dachte ich an einen YouTube-Ausschnitt eines Kanals, dem ich eine Zeitlang gefolgt bin. Vanlifer. Denen ist eine Kamera kaputtgegangen.
Der Mann sagte: It’s gear. If you are afraid that it breaks, don’t buy it. But when you don’t buy it, you can’t use ist. In the end, it is just gear.
Nur Ausrüstung. Und wenn sie kaputt ist, ist sie kaputt.
Auch wenn dieser Kanal zweifelhaft ist und, so glaube ich, nicht immer ehrlich, wie bei den meisten Influencern, hat er damit recht.
Mein Schlafsack ist hin. Und ich brauche einen neuen für den Sommer. Und etwas über 30 Euro ist ein guter Preis, vor allem hier auf Kreta. Ich lief also zurück zum Outdoorladen und kaufte den Schlafsack. Ich glaube, dass es mich wurmt, weil es ein anderer „Topf“ ist, aus dem ich ihn bezahle. Im Augenblick bezahle ich alles aus dem Reisebudget. Wenn ich zu Hause bin, habe ich ein Ausrüstungsbudget, von dem ich eben so etwas wie Schlafsäcke kaufe. Das alles sind Grenzen in meinem Kopf. Denn diese „Töpfe“, oder Budgets, sind rein virtuell. Alles geht vom Konto herunter. Trotzdem scheine ich das alles noch zu trennen. Interessant.
Jetzt aber war das Problem gelöst, es hätte so einfach sein können. Aber das war nun egal. Der neue Schlafsack wiegt ein paar Gramm mehr als der Alte. Doch ist er eine Spur dicker, wird also ausreichen. Hoffe ich zumindest.
Ich entschied, dass es damit genug war. Ich fuhr also zurück zum Campingplatz, um auszuladen.
Es war gerade halb Eins, also noch lange nicht spät. Überhaupt nicht spät.
Also entschied ich mich dazu, endlich eine kleine Radtour zu machen. Keine Ahnung, was mich erwarten sollte, aber ich dachte, dass ich vielleicht Richtung Westen, Richtung Kissamos/Kastelli radeln könnte, immer am Meer entlang. Also fuhr ich einfach los, vielleicht konnte ich einsame Strände erreichen, wenn der Strom der Touristen nachlässt.
Erst einmal aber passierte ich meinen „Haus-Strand“, dann den nächsten in der nächsten Bucht. Sie waren nicht brechend voll, aber immer noch gut gefüllt. Es ist erstaunlich, wie lange die Saison hier dauert.
Dann drehte ich eine kleine Runde, um den Weg zu finden, fand mich wirklich auf der Hauptstraße wieder. Es ist der einzige Weg.
Hatte ich die Hoffnung, hier immer mal wieder das Meer zu sehen, wurde diese Hoffnung bald zerschlagen. Zwar kam es ab und zu zum Vorschein, aber letztlich fuhr ich nur an Hotels vorbei. Oder Studios. Oder Restaurants/Cafés, Supermärkten, Strandbazars. Das erinnerte mich alles an die türkische Riviera, kein Ort ist unbebaut. Und das hörte auch nicht auf. Ich finde es wichtig, dass man sich Orte anschaut, auch außerhalb der touristischen Zentren, um zu sehen, wie es ist. Nun, es ist hier nicht besonders interessant. Ich passierte einen Ort mit dem Namen Agia Marina. Kein nettes Fischerdorf, wie ich gehofft hatte. Nur eine einzige Touristenbude. Dahinter wurde es dann aber noch schlimmer. Ein Ressort am anderen, also Anlagen, bei denen ein Gast das Gelände den ganzen Urlaub über eigentlich nicht verlassen muss. Warum fährt man eigentlich weg, wenn man in so etwas urlaubt? Nichts für mich. Ca. zehn Kilometer musste ich fahren, bis es allmählich aufhörte. Im Grunde war ich schon ein Drittel des Weges zu meinem Ziel gefahren, das ich morgen anfahren werde. Witzig, ich könnte es vielleicht radeln. Aber die Hügel, die ich dazu überwinden müsste, türmten sich vor meiner Nase auf, also nehme ich wohl eher den Bus.
Irgendwann drehte ich um, suchte ein nettes Café am Strand, das es eigentlich immer gibt. Hier sitze ich nun. Und es könnte kaum besser sein.
Ich hoffe, in den nächsten Tagen Orte zu finden, die etwas ruhiger sind. Auch der Campingplatz in Chania ist nicht besonders leise, dazu befindet er sich einfach in der Nähe einer Gegend mit zu viel Nachtaktivität. Vielleicht habe ich in Kissamos und Paleochora mehr Glück. Oder in Agia Galini, wenn ich das schaffen sollte.
Morgen also ist wieder Reisetag. Es ist an der Zeit.
Und auch wenn ich schön viele nette Orte habe sehen dürfen, so kann ich noch nicht behaupten, dass ich einen gefunden hätte, von dem ich sagen kann, dass es der Ort ist. Also DER Ort. Der Ort, an dem ich einfach mal die Füße ausstrecken kann und an dem ich etwas länger bleiben möchte.
Manchmal finde ich ihn nicht. Dann ist es auch gut.
Sifnos ist solch ein Ort. Aber es ist zu früh, um mir darüber Gedanken zu machen.