Aix-en-Provence

Gestern Abend spazierten wir noch ein wenig durch Collobrières, ein hübsches Dorf, das man in wenigen Minuten erkundet hat. Die Ruine einer mittelalterlichen Kirche setzte sich gegen den immer dunkler werdenden Himmel ab. Ein Franzose, den wir bei unserem Rundgang trafen, warnte uns vor dem bevorstehenden Regen, der prompt wenige Minuten später einsetzte. Also liefen wir schnurstracks zum Camper zurück, um unsere Paella zu kochen.

In der Nacht trommelte der Regen immer einmal wieder auf die Transe, ab einem gewissen Punkt sogar ziemlich heftig und ohne Unterlass.
Am Morgen war der Waldboden um uns herum voller Pfützen und die Spannung stieg, ob wir es vom am Hang liegenden Campingplatz herunter schaffen oder nach wenigen Metern tief im Sand stecken würden. Mit etwas Schwung gelangten wir auf die Teerstrecke und quälten uns dann den Hang hinunter. Am Ende ging alles gut. Jetzt, in diesem Moment, bin ich sehr froh, dass wir den Tag so früh starteten und keine Minute verloren, um weiterzukommen. Denn was jetzt folgte, war das schlimmste Unwetter, das ich seit Langem erlebt habe.
Der Regen wurde immer stärker, anfangs half noch die erste Stufe des Scheibenwischers, dann die zweite. Irgendwann erreichten wir jedoch den Punkt, an dem selbst das die Wassermassen nicht mehr von der Scheibe entfernte. Die Straßen hatten sich in kleine Sturzbäche verwandelt, von überall her wurde Erde auf die Fahrbahn gespült, es war ein reines Glücksspiel, eines, das ich normalerweise nicht eingehe. Auch kam noch ein gewisser Wassereintritt im Camper hinzu, nicht viel, doch genug, um meine Fußsohlen zu benetzen. 35 Kilometer von Aix-en-Provence entfernt blieben wir auf einem Parkplatz stehen, um das Schlimmste abzuwarten. (Anmerkung 18 Monate später: Es war mehr als nur ein Unwetter. In Draguignan, nicht weit entfernt von Aix, kam es zu Überschwemmungen, 19 Menschen ließen an diesem Tag ihr Leben.)

Um diesen Tag nicht nur physisch ins Wasser fallen zu lassen, bekam Nina einen ihrer immer häufiger auftretenden Migräneanfälle. Den letzten Teil der Strecke verbrachte sie im Bett hinten, während ich den Weg zum Campingplatz in Aix problemlos fand. Die Fahrt war durchaus interessant, besonders zum Ende hin. Als der Regen beinahe aufgehört hatte, bekam ich Gelegenheit, die liebliche provencalische Landschaft zu betrachten. Langsam tauchte der Mont St-Victoire vor uns auf, an den Spitzen wolkenbehangen und gespenstisch. Wir fuhren an grünen Weinfeldern vorbei, in deren Mitte oft ein rustikales Landhaus, das kurioser Weise immer ein Chateau war (Ja, ich weiß schon, der Wein heißt eben so, so dass selbst die kleinste Hütte zu einem königlichen Gebäude wird). Was der Rebsaft nicht alles erreicht….

Nina fühlte sich etwas besser, so dass wir einen kleinen Entdeckungsgang nach Aix wagten. Es war zu viel gewagt, denn der nächste Anfall kam, als wir gerade auf den Place de Mirabeau einbogen. Es war wirklich nicht fair, besonders auf Aix hatte sie sich so lange so gefreut. Jetzt traf sie der zweite Anfall noch heftiger als der erste. Wir verbrachten die besonders schlimmen Anfangsbeschwerden in einem Café auf dem Place, wir hatten uns zwar vorgenommen, genau das zu tun, doch nicht unter diesen Voraussetzungen. Sie ließ sich jedoch nicht unterkriegen, sondern wartete, bis das Schlimmste vorbei war, dann liefen wir noch ein wenig durch die Stadt. Es ist die beste Tätigkeit, die man in Aix meiner Auffassung ausführen kann, außer natürlich in einem Café am Place de Mirabeau zu sitzen und Leuten beim Existieren zu beobachten. Jede zweite kommerzielle Betätigung hier scheint mir das Betreiben eines Restaurants zu sein, eines reiht sich an das andere. Und wie ich noch vom letzten Jahr weiß, alle sind zur Mittagszeit krachend voll.
Die anderen Geschäfte scheinen immer Luxusartikel zu enthalten, wobei die Einwohner hier auch so aussehen, als würden alle in der Altstadt, einkaufen, so chic sind die meisten angezogen. Wie Studenten, von denen es eine ganze Menge gibt, ihr Leben hier finanzieren, ist mir ein Rätsel, auch weil die Immobilienpreise in Aix eher in siebenstelligen Summen als noch in sechstelligen gemessen werden. Ein Umstand, der sich sicher auch in den Mieten widerspiegelt. Leider begann es wieder zu regnen, auch musste Nina langsam der Erschöpfung Tribut zollen, die zwei Migräneanfälle an einem Tag zwangsläufig nach sich ziehen. So beendeten wir unsere erste kleine Stippvisite.

Es war sicher nicht unser glücklichster Tag, das Wetter spiegelte viel zu eindeutig unsere Stimmung wider, doch kann man es nicht ändern. Zwar habe ich jetzt Zeit zu schreiben, doch auf diese Art wollte ich sie mir nicht erschleichen. Ich hoffe, dass wenigstens Nina sich morgen besser fühlt, das Wetter soll es nicht unbedingt werden, deprimierend zwar, doch wir werden das Beste daraus machen.