Budva

Ich bin gestern doch noch in den kleinen Ort Sveti Stephan gegangen. Er sieht übrigens von der Ferne malerischer aus, als aus der Nähe. Ich rede von der kleinen Insel, die ähnlich dem Mont St. Michel in der Normandie/Bretagne (hier mögen sich die Geister bitte eines Tages entscheiden…) dem Dorf vorgelagert ist. Heute ist es ein Ressort, das sich scheinbar gegen die Gezeiten stemmt, an sich sehr mächtig anzusehen, besonders von Weitem. Der Strand soll auch einer derjenigen sein, die man laut Rough Guide unbedingt ausprobieren soll, ich habe ihn nicht gesehen, vor lauter verschwitzten Leibern. Aber das war auch ein sehenswerter Anblick, manchmal zumindest, wenn die Zellulite noch nicht zu stark vorangeschritten ist und die einst straffe Haut in eine Kraterlandschaft verwandelt hat. Aber das ist eine andere Geschichte.
Es sah also alles sehr nett aus, ein kleiner Pfad führte mich auf einen dicht bewaldeten Felsen, von dort hatte ich wundervolle Ausblicke auf das Meer und den Ort. Die tief stehende Sonne ließ die Farben noch intensiver leuchten, tagsüber taucht sie ja alles in ihr eigenes, sehr gieriges Licht, dass kaum noch andere Töne zulässt.
Als die Sonne langsam unterging, färbte sie die ansonsten weißen Felsen der Gebirge in ein rötliches Licht. Ich sah das vom Campingplatz aus, der übrigens bestimmt ein alter Olivenhain war. Die Bäume hier sind sicher einige Hundert Jahre alt, viele von ihnen schon hohl und gespalten und dennoch tragen sie noch Früchte. Vielleicht ist es wie bei Menschen. Wenn unsere Gesellschaft es endlich einmal zulassen würde, die Früchte der Erfahrung und der Weisheit zu nutzen und sie den jungen, dynamischen, dummen zur Seite stellen würde. Nur so ein Gedanke.

Ich habe einmal bei einer Olivenernte mitgeholfen, eine anstrengende Arbeit, die mir aber mächtigen Spaß gemacht hat. Ich war der leichteste damals, in einem der vielen Olivenhaine um Florenz herum, also hatte ich die Aufgabe zu klettern und mit meiner Harke die sehr festen Früchte von den Ästen zu trennen. Jede Olive zählte damals, der Vater meines Freundes Alessandro war der stolze, und das ist wörtlich zu nehmen, Besitzer, der sich seinen Jahresbedarf an Olivenöl selbst beschaffte. Natürlich half die ganze Familie und auch ich fehlte nicht. Es ist eines der großen Geheimnisse, das Anbauen von Oliven. Es darf nicht zu nass sein, was im November in der Toskana auch nicht gerade leicht ist, doch die Früchte müssen so lange am Baum bleiben wie möglich. So erklärte es mir der Vater damals und als ein kleiner Regenschauer auf uns niedergegangen war, wurde die Ernte für mehrere Tage unterbrochen, denn kein Tropfen Wasser darf in die Pressung gelangen. Alles sehr eigenartig, aber so war es. Am Ende kam ein herrliches Tröpfchen dabei heraus, golden und sanft. Dafür lohnt sich jede Mühe.
Daran erinnere ich mich jetzt, denn ich sitze unter einem recht alten Gefährten, auch wenn es hier noch betagtere gibt.

Ich fand gestern noch heraus, dass es von Sveti Stephan aus einen Bus nach Budva gibt, also war mein Sightseeing-Tag gerettet. Mein Rücken zwang mich, etwas länger liegen zu bleiben, vor neun war an das Aufstehen nicht zu denken, aber das schlimmste habe ich hinter mir.
Eine kurze Fahrt später hielten wir. Ich fand die Altstadt nicht sofort, doch war es keine schlechte Sache, an der Strandpromenade entlang zu gehen. Wieder gab es echte Designerbrillen zu Spottpreisen, auch Uhren. Eine Breitling kostete 20 Euro und führte mich wirklich in Versuchung. Als ich sie jedoch in der Hand hielt, eine Uhr, die eigentlich ein Pfund wiegen müsste, die präzise und elegant verarbeiten sein sollte, ließ ich sie liegen. Es schien mir alles wie Plastik, unsauber, unecht. Klar, das wundert keinen, aber ich kann so etwas nicht tragen. Dann lieber eine Noname-Uhr oder gar keine, da hat man wenigstens keine Lüge am Handgelenk.
Die Altstadt erreichte ich nach diesem kurzen Spaziergang. Davor liegt der Hafen, wo millionenschwere Jachten lagen, eine größer als die andere. Wo war ich denn hier hingeraten? Eigentlich könnte ich mich einmal mit dem Gedanken anfreunden, einen alten Fischerkahn herzurichten. Man sage bitte nicht, ich könne das nicht, so etwas muss ich schon selbst herausfinden. Jedenfalls war es alles etwas übertrieben hier, doch in der Stadt waren auch normale Menschen.

Die Stadtmauer ist gut erhalten, nicht ganz so robust wie die in Kotor, aber wie ich finde fragil und rustikal zugleich, mit kleinen Ecktürmchen. Geschmackvoll, einfach geschmackvoll. Ob sie einer Kanonenkugel standgehalten hat, weiß ich nicht, auf mich machte sie nicht den Eindruck. Ein Gewirr von Gassen erwartete mich, drinnen husteten mir Designerläden ihre Produkte entgegen, Restaurants und Bars konkurrierten um unsere Aufmerksamkeit. Ich ging erst einmal zur Festungsanlage. Von hier hatte ich herrliche Aussichten auf die Stadt und die Bucht vor mir. Auch eine eigentümliche Bibliothek sah ich, mit schweren roten Ledersesseln. Es fehlte noch der süßliche Rauch von Zigarren, aber die Marmorbüsten römischer Kaiser waren da.
Ich lief danach noch etwas in der Stadt umher, bevor ich mich an einer wifi-losen Bar niederließ. Die Schreibsession entwickelte sich sehr gut. Der gestrige Tag war ein „geschichtsloser“, ein Tag der Ruhe und des Nachdenkens. Anscheinend war ich geistig frischer wollten die Worte kaum aufhören, sie sprudelten und ich konnte gar nicht so schnell tippen. Das sollte ich ab jetzt öfter machen, einen Tag in der Woche schreibe ich nicht an der Geschichte. Ich werde es verkraften.

Danach wollte ich noch ins archäologische Museum, ein Kleinod, wie ich herausfinden sollte. Es sind gar nicht viele Ausstellungsstücke, aber sehr erlesene. Unten bereits gefielen mir die antiken Weinamphoren, sicher von einem untergegangenen Handelsschiff gerettet, denn sie waren über und über mit Muscheln bedeckt. Hätte ich so etwas in einem Geschäft gesehen, wäre es mir kitschig vorgekommen, hier aber waren sie echt, die Amphoren.
In der ersten Etage dann sah ich wundervollen Goldschmuck. Leider war es recht schlecht beleuchtet, aber ich konnte erkennen, dass es sehr zierliche Ohrringe und Anhänger waren, fein gearbeitet. Echte Künstler am Werk. Ebenfalls ausgestellt war ein illyrischer Bronzehelm, er sah aus als hätte sein Besitzer ihn gerade erst abgelegt. Das waren eigentlich die Hauptattraktionen, mit dem Museumsbesuch ist man in gut 20 Minuten fertig, also eine nette Abwechslung nebenbei.
Eigentlich war es ein perfekter Tag, ich habe viel geschrieben, viel gesehen, bin herumgekommen. Es war auch ein Tag der billigen Anmachen, obwohl ich es nicht wollte. Beim Einkaufen stand eine Verkäuferin so dicht vor mir, dass ich versuchte nach hinten auszuweichen. Dabei trat ich einer Frau auf den Fuß. Da sie nur Sandalen anhatte, dürfte sie mein noch relativ leichtes Gewicht von 65 Kg vollständig gespürt haben. Ich entschuldigte mich natürlich vielmals, sah aber, dass sie ganz offensichtlich Schmerzen spürte und darüber alles andere als erfreut war. Trotz anderslautender Beteuerungen. Keine besonders gelungene Chat-up-Version. Dann, nur wenige Minuten später, sah ich einen Rosa-Sonnenhut, der in der Gegend herumflog. Ich hob ihn auf und wollte ihn der Frau geben, die daneben stand, in der Annahme, dass es ihrer wäre. War es aber nicht, beinahe angewidert drehte sie sich weg. Jetzt war ich aber beleidigt, aber als ich mir den Hut näher ansah, verstand ich sie. Es ging nicht um mich. Auch wenn sie sicher dachte, ich hätte etwas anderes vor. Sei es drum, ich weiß jetzt, wie es nicht geht. Auch wenn ich noch einmal betonen muss, dass es zufällige Erfahrungen waren.

Morgen fahre ich weiter, in einen der Nationalparks. Ich überlege außerdem, eine andere Strecke zu fahren, über Serbien und Mazedonien. Dann könnte ich hier etwas weiter ins Landesinnere vordringen. Darüber muss ich intensiv nachdenken.