Tarragona
Katalonien – ich bin angekommen. Gestern habe ich es nicht realisiert, doch es ist wahr, ich bin an der letzten Station in Spanien angelangt. Das heißt, wenn ich mich nicht doch noch anders entscheide und irgendwo anders hinfahre. Es sieht im Moment nicht so aus. Ich habe es gemerkt, weil sämtliche Infostände in der Stadt zwei Sprachen aufweisen, die ich beide nicht verstehe. Spanisch und „Catalan“. Auf die Idee, vielleicht noch Englisch hinzuzufügen, ist bislang niemand gekommen. Oder doch und sie wurde verworfen.
Nach einer längeren Schreibsession am Morgen machte ich mich erst gegen Mittag in die Stadt auf. Es war eine recht gefährliche Angelegenheit auf der alten N340, neben mir Autos mit gehörigem Tempo, aber es gab keinen anderen Weg. Zum Glück waren es nur ungefähr 8 Kilometer, die ich in einer halben Stunde hinter mich bringen konnte. Mich begrüßte das Amphitheater, das sich malerisch gegen das Meer absetzt und fast am Strand liegt. Ich konnte mich nicht dazu bringen, es von innen zu besichtigen, denn von der Palmenstraße oberhalb hatte ich eine bessere Sicht als ich jemals von drinnen hätte haben können. Danach war Rambla-Laufen angesagt, etwas, dass man in jeder spanischen Stadt tun sollte, so es denn eine gibt. Sie ist natürlich mit denen in Barcelona nicht vergleichbar, aber so sollte man gar nicht beginnen. Ich sah mir die Geschäfte an. Da ich Probleme mit meiner Uhr habe, dachte ich, ich schaue mich mal um. An einem Juweliergeschäft blieb ich stehen. Ich vertrete die Auffassung, dass – wie übrigens bei den meisten anderen Dingen auch – eine große Auswahl niemals abschreckend wirken kann, denn ich finde das, was ich will nicht, es findet immer mich. Besonders bei Uhren, die eine Richtige schreit aus Tausend anderen und wird geduldig auf mich warten. So auch heute. Anscheinend kommt es immer mehr in Mode, riesige Uhren zu tragen, die wie ich schätze einen Durchmesser von mehr als sieben Zentimeter haben. Lächerlich sehen sie aus, aber die Modeindustrie ist eben dazu verdammt, immer etwas Neues zu erfinden, um sich selbst am Leben zu halten. Ähnlich also wie die Automobilindustrie, in der ebenfalls alle möglichen unnützen Dinge zu Standards gehören, die im Grunde niemand braucht.
Zurück zur Uhr, die es heute sein wollte, was noch lange nichts heißt. Denn ich entdeckte das Preisschild: 1500 Euro. Für eine Uhr. Um zu wissen, wie spät es ist. 1500 Euro. Anscheinend gibt es Leute, die sich so etwas leisten können. Ich persönlich halte so etwas für Dekadenz im Endstadium. Aber dieses Gefühl habe ich häufig, wenn ich in den Schaufenstern bummle, was nicht oft geschieht, denn auf die Dauer ist so etwas langweilig.
Tarragona ist jedoch mehr als nur ein einziges Juweliergeschäft. Ich brauchte etwas Zeit, um mich zurechtzufinden, dann aber, nach einem kurzen Lunch, fand ich die mittelalterliche Stadt. Sie ist klein und wirklich schön, fast schon ein bisschen italienisch. Ich sage das, weil sie mich an Lucca erinnerte, die drei- bis vierstöckigen Häuser in Erdfarben, dazu immer wieder größere Plätze mit Cafés. Besonders erhebend ist der Augenblick, wenn man auf die Kathedrale zutritt. Sie herrscht über allem am Ende einer langen Straße und das Rosettenfenster sieht man schon von Weitem ehe der Rest des Baus sich zeigt. Es ist en wuchtiger, teilweise romanischer Bau, der auch viele gotische Züge trägt, besonders an der Fassade. Auch die Häuser drum herum tragen diesen alten Charme, der den ganzen Kathedralenvorplatz erfüllt. Touristisch ist Tarragona noch nicht überlaufen, ganz im Gegensatz zu den erwähnten italienischen Städten, die sicher früher eine ähnliche Ausstrahlung gehabt haben, die ich vor 15 Jahren bei meinem ersten Besuch dort noch spüren durfte. Jetzt erinnert vieles an eine Art Open-Air-Disneyland, das nur für die Besucher lebt. Aber ich greife vor, denn noch bin ich in Spanien.
Ich lief an der alten Stadtmauer entlang, verlor mich wieder in den Gassen und hatte viel Spaß dabei. Das historische Zentrum ist relativ klein, so dass man wirklich nicht lange braucht, ehe man alle Winkel recht genau kennt. Ich weiß auch nicht warum, aber wieder raste die Zeit, obwohl ich im Grunde nicht viel gemacht hatte. Die Zeugnisse der alten Römerstadt hatte ich im Vorübergehen gesehen, soweit das möglich war. Auf ein Museum verspürte ich keine rechte Lust, zumal es auch immer kühler wurde. Ich gönnte mir noch einen Kaffee, blieb einmal wieder viel zu lange im Internet hängen, und musste irgendwann feststellen, dass sich der Himmel immer mehr zuzog. Auch war es bereits später als ich wollte, somit machte ich mich auf den Heimweg. Wie es kommen musste, fing es kurz vor dem Erreichen des Campingplatzes zu tropfen an, doch hatte ich Glück. Jetzt jedoch sitze ich im Camper und es regnet ein wenig. Das erste Mal seit Granada.
Ich habe ein wenig gelesen und mich erkundigt, vielleicht bleibe ich morgen doch noch hier. Es soll entlang des Weges noch einige sehenswerte römische Ruinen geben, die frei zugänglich sind. Auch soll das Nachbardorf noch richtig authentisch sein, so etwas habe ich bislang auf dieser Reise noch nicht gesehen, zumindest nicht in Spanien. Grund genug also, morgen einige Kilometer in die andere Richtung zu fahren.