Jardins du Manoir d’Eyrignac
Der Tag begann schmerzhaft. Nein, keine Sorge, es ist nichts passiert. Nur hatte ich enormen Muskelkater. Es ging so weit, dass ich gar keine Lust hatte aufzustehen. Unglaublich eigentlich. Dabei hatte ich so viel vor. Mit einiger Mühe wälzte ich mich aus dem Bett, das ja nur eine dünne Matratze ist. Nur langsam kam ich in Fahrt.
Das Wetter scheint noch schlechter zu werden. Ich hätte es kaum für möglich gehalten, aber ständig drohten die Wolken aufzubrechen, um den Regen auf uns loszulassen. Allerdings bin ich mehr denn je entschlossen, mich nicht mehr davon aufhalten zu lassen. Soll ich doch nass werden. Mir doch egal, Hauptsache ich reise. Und so kam es dann auch.
Als Erstes fuhr ich mit dem Rad nach Sallignac, wo der Markt stattfand. Er bestand aber nur aus einigen Ständen, unter einem recht großen Zelt hatten sich etwa ein halbes Dutzend Händler aus der Region eingefunden. Besucher gab es kaum, wahrscheinlich wird es im Sommer etwas besser. Ich hoffe es für die Leute hier. Ich sah mir also lieber die Kirche an, ein Bau, teilweise aus dem 12. Jahrhundert, eher aber aus dem 15. Der Turm passt nicht ganz in das Ensemble, er wurde im 19. Jahrhundert hinzugefügt. Die Kirche selbst ist im Innern ausgesprochen dunkel, es roch nach Feuchtigkeit. Kein Wunder, stand doch Wasser auf dem Boden. Sallignac braucht dringend eine Auffrischung. Vielleicht bekommen der Ort EU-Gelder. Es wäre zu schade, wenn man die wunderbare Lage und die Abgeschiedenheit nicht besser nutzen könnte. Abseits der Touristenpfade ist sie aber eigentlich ein kleines Juwel. Mir jedenfalls gefällt es ungemein.
Nach einer Stunde kehrte ich auf den Platz zurück, stellte das Rad ab und wanderte los. Mein Ziel: Les Jardins du Manoir d’Eyrignac, die angeblich schönsten im Périgord. Ich kann so etwas nicht beurteilen, weil ich nicht genug kenne. Aber ich bin durch die englischen Gärten in Großbritannien verwöhnt, die ich vor etlichen Jahren besucht habe. Meine Güte, ist das lange her. Unsere letzte Fahrt fand in 2011 statt, war aber nur ein zweiwöchiger Urlaub. 2007 sind wir von England nach Deutschland gezogen. Es ist so viel passiert, bei uns und in England. Manchmal denke ich also wehmütig an die grandiosen Gärten zurück, die ich auf dieser Insel habe sehen dürfen. Etwas Vergleichbares konnte ich in Deutschland noch nicht entdecken. Finde ich zumindest.
Meine Wanderung begann also am Campingplatz. Ich musste nur ein Stück laufen, um die Landstraße verlassen zu können. Meine Wanderkarte half mir am Anfang, aber ich habe mich noch nicht an die Markierungen gewöhnt. Sie sind da, vollkommen gelb, aber ich übersah sie manchmal. Wieder schloss ich Freundschaft mit einer Katze, aber über ein Zublinken ging diese Freundschaft nicht hinaus. Sie war zu vorsichtig, aber auch ein bisschen neugierig. Immer wenn sie sich entschlossen hatte, etwas näher zu kommen, kam entweder ein Auto oder – man kann es kaum glauben – ein Hubschrauber, so dass die Katze kehrt machte. Irgendwann war es ihr zu viel und sie blieb im Haus. Sie erinnerte mich an unsere British Long Hair Daisy. Die ist auch etwas misstrauisch und ängstlich.
Der Weg war matschig, so dass innerhalb kürzester Zeit meine Hose mit Schlamm besudelt war. Auch meine Wanderschuhe, die einzigen, die ich mithabe, wenn man von ein paar Latschen absieht, sahen bald kläglich aus. Aber so etwas ist nicht zu ändern. Wenigstens regnete es nicht. Im Gegenteil, es war jetzt sogar ziemlich warm. Kein Wunder, war ich doch erst gegen halb eins losgegangen. Ich muss etwas getrödelt haben, denn ich kam nicht besonders schnell voran. Einmal verlief ich mich, fand aber den Weg, nachdem ich umgekehrt war. Meine Beine allerdings schrien ein bisschen. Auf dieser Wanderung entschied ich mich dafür, morgen endgültig einen Ruhetag einzulegen. Beine hochlegen, ein bisschen wellnessen, will heißen, Duschen, bis es qualmt. Die Duschen hier sind so heiß, wie ich es bisher selten erlebt habe.
Ich wunderte mich allerdings, ob ich noch auf dem richtigen Weg war. Es wurde immer später und eigentlich hätte ich nur 4 Kilometer wandern müssen, also nicht einmal eine Stunde. Ich war schon länger unterwegs. Aber wie es so ist, taucht das Ziel unverhofft hinter der nächsten Kurve auf. So war es auch dieses Mal. Eyrignac lag vor mir.
Ich war erschöpft schon bevor ich den Jardin betrat. Doch es sollte ein grandioses Erlebnis werden. Ich weiß nicht, wie lange ich schon keinen formalen Garten mehr besichtigt habe. Er war in Räumen aufgeteilt, die sich ergänzten oder gänzlich anders aussahen. Als Erstes bewunderte ich die formale Gestaltung von Haselnussbüschen. Ich staunte, was man aus den etwas ruppigen Sträuchern, von denen ich auch ein Dutzend in unserem Garten in Gräbendorf habe, machen kann. Allerdings ist die Pflanze so wild und unbändig, dass sie hier jeden Monat von Hand geschnitten werden muss, eine Arbeit, die sechs Gärtner in Vollzeit erledigen. Unglaublich. Einer der Gärtner schnitt in einer Rotunde aus Haselnusssträuchern die überstehenden Äste ab. Was für eine Arbeit. Aber was für ein Geruch. Es ist mir noch nie aufgefallen, aber ich habe die Sträucher bei uns noch nie beschnitten. Unser Garten ist ein bisschen wild. Man könnte auch sagen ungepflegt, aber das höre ich nicht gerne. Stimmt aber.
Leider konnte ich nicht durch die formal gestaltete Allee aus Haselnusssträuchern laufen. Sie war abgesperrt. Ich musste daran denken, dass Franzosen in dieser Hinsicht etwas eigen sind. Auch in Parks ist es nicht überall gestattet, den Rasen zu betreten. So ein Unsinn. Hier ebenfalls, man durfte die geometrischen Formen nur aus der Ferne betrachten. Das gab mir wenigstens Gelegenheit, Bilder zu machen, ohne von anderen Leuten gestört zu werden. Besonders schön war danach das Manor House/Herrenhaus, von dessen Lehmterrassen die französischen Gärten abgingen. Wieder formale Gärten, niedriger, aber nicht weniger eindrucksvoll. Alles ist beschnitten, ob Buxbaum, Haselnuss oder Pinie. Einige Pinien aus der Toskana streckten sich in den Himmel. Immer wieder entdeckte ich etwas Neues, betrat neue Räume, sah Wasserbecken und Springbrunnen, während ich meinen Weg fortsetzte. Besonders interessant fand ich den Küchengarten/Potager. Ich wünschte, unser Garten wäre näher bei uns zu Hause. Ich würde bestimmt Gemüse anbauen. Und Kräuter. Aber das mache ich schon auf dem Balkon.
Was mich ebenfalls faszinierte, waren die verschiedenen Wildwiesen. Unglaublich, wie verschieden sie waren, ungefähr vier an der Zahl. Der Mohn stach aus einigen hervor, aus anderen Margeriten. Und immer summte es kräftig, denn Insekten lieben das ganz sicher. Ich nahm mir vor, so etwas auch anzulegen. Wenn nicht dieses Jahr, dann im nächsten.
Am Ende der Tour, die ungefähr anderthalb Stunden gedauert hatte, verdunkelte sich wie auf Bestellung der Himmel. Aber mir war es egal, ich streifte meine Regenjacke über und setzte meine Fototour fort. Der Weiße Garten, ebenfalls streng formal mit Rosen und Dahlien, wird wohl später im Jahr noch zur vollen Blüte gelangen. Er duftete jedenfalls bereits betörend.
Nach diesem Rundgang war ich am Ende, sowohl physisch als auch mental. So viele Eindrücke haben mich begeistert, anders kann man es nicht sagen. Eyrignac war jeden Cent und jede Minute wert und muss sich nicht hinter den großen englischen Gärten verstecken. Wundervoll. Mit letzter Kraft lief ich zurück, verlief mich, weil mir noch so viele Eindrücke und Gedanken durch den Kopf gingen, so dass der Weg wieder länger wurde als notwendig. Erst als ich schon lange wieder auf dem Platz war, begann es heftig zu regnen. Aber das war egal. Auch dass ich bei den Spülbecken kochen musste, weil es im Vorzelt zu eng ist, gehört einfach ab und an dazu. Es war ein großartiger Tag, ein weiterer Höhepunkt der Reise. Viele werden wahrscheinlich nicht mehr kommen. Aber allein die Tatsache, dass ich die bisherigen selbstständig habe erreichen können, ist ein Erfolg.
Und das macht mich zufrieden.