Beynac-et-Cazenac

Der Akku ist irgendwie alle. Keine Ahnung, warum, vielleicht liegt, es am Sonntag selbst, was schon ein merkwürdiger Zufall wäre. Aber an diesem Tag fühlte ich mich körperlich müde. Und geistig ebenfalls. Letztlich aber war es auch nicht so schlimm, denn ich hatte den Eindruck, die unmittelbare Umgebung hier abgegrast zu haben. Es ist komisch, dass es solche Momente beim Reisen gibt. Orte, die ich gerne besucht habe, verblassen, sobald ich sie gesehen habe. Das heißt, mein Interesse daran verblasst. Ist es die Jagd nach ewig neuen Eindrücken? Das Verstoßen von Bekanntem, das mich zu langweilen scheint? Ich weiß es nicht. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, auf jeden Fall morgen abfahren zu müssen. Fünf Tage sind lang für meine Verhältnisse, aber die Gegend gab es definitiv her. Aber nun ist es genug.

Heute allerdings wollte ich mir Beynac ansehen, das Gegenstück zu Castelnaud, das ich gestern aus der Ferne so sehr bewundern konnte. Es ist nicht nur die Festung auf dem Felsen, der sich dramatisch über dem mittelalterlichen Dorf erhebt, so wie selten übrigens. Die Burg scheint in der Luft zu schweben, zumindest ist das der Anschein vom Ufer des Flusses aus. Unerreichbar, Kafkaesque. Nun, ich übertreibe. Aber es ist schon ein fantastischer Anblick.

Doch schon die nur drei Kilometer weite Fahrt wurde zu einem kleinen Problem. Meine Beine schmerzten, so dass ich kaum in die Pedale treten konnte. Was war nur los? Vielleicht gibt es solche Augenblicke auf physisch anspruchsvolleren Reisen. Müde Augenblicke, von denen man sich nur schwer erholt. Ich nahm mir vor, nicht allzu viel zu unternehmen. Eine Wanderung, die ich ins Auge gefasst hatte, ließ ich bedenkenlos fallen. Beynac musste an diesem Tag reichen.

Ich erreichte den Ort nach einigem Fluchen. Ich hoffe, dass mich niemand beim Radeln versteht. Wäre besser so. Ich könnte nicht einmal sagen, in welcher Sprache ich schimpfe. Es scheint eine Mixtur zu sein, je nachdem, mit welchem imaginären Partner ich mich gerade unterhalte. Es sind so viele, da verliere ich manchmal den Überblick.

So erreichte ich Beynac. Weil ich etwas erschöpft war, ärgerte ich mich darüber, dass es mal wieder keine Fahrradständer gab. Denkt denn niemand an uns? Parkplätze gibt es Hunderte, Fahrradständer keinen. Wäre ich nicht so erschöpft gewesen, hätte ich milde darüber gestanden. Aber es war anders. Macht es Sinn, so zu reisen? So schlecht gelaunt? Wahrscheinlich nicht. Aber es wurde besser. Ich schaute mir das mittelalterliche Dorf an, schon bald hatte ich die üblichen Touristengeschäfte hinter mir gelassen und stieg auf in Richtung Burg. Eine Katze begrüßte mich von einem Mauervorsprung. So etwas hebt meine Stimmung beinahe sofort. Sie miaute, doch kein Ton kam heraus. So etwas beunruhigt mich immer, denn ich kenne es von unserer Lilly zu Hause, die die meisten ihrer Zähne verlieren musste, weil die Rachenentzündung so schlimm war. Die Katze jedenfalls begrüßte mich nach leichtem Abtasten intensiver, schmuste ein wenig, ohne wild zu werden. Die Versuche zu miauen waren nach kurzer Zeit fast schon komisch. Sie versuchte es aber immer wieder, tonlos und halbherzig. Das hielt sie aber nicht davon ab, mir ihre Zuneigung zu zeigen. Kann man bei so einem Erlebnis noch schlechte Laune pflegen? Ich jedenfalls nicht. Mich hat diese Begegnung sehr gefreut.

Beynac habe ich als uriger empfunden als Castelnaud, denn die Touristengeschäfte befanden sich fast allesamt im unteren Bereich des Dorfes, natürlich ein plus beau village. Danach ist in den engen Gasen wohl nicht mehr so viel Platz, was mir recht ist. Natürlich weiß ich, dass es hier in dieser armen Gegend ohne nennenswerte Industrien nichts anderes gibt. Es ist schon sehr egoistisch von mir, den Leuten vorzuwerfen, ihre Dörfer mit Touristenboutiquen zu verschandeln. Einfach haben sie es sicher nicht. Es gibt also immer mehr Seiten einer Medaille, nicht nur zwei. Aber das ist beinahe schon eine Selbstverständlichkeit, die ich aber trotzdem in der heutigen Zeit der Identitätspolitik, wo es nur entweder dafür oder dagegen zu geben scheint, nicht oft genug wiederholen kann. Das Leben ist nicht gemacht für einfache Wahrheiten oder Lösungen. Je eher wir das verstehen, desto besser.

Die Burg erreichte ich nach einigen Minuten. Was vorher so grandios und weit entfernt erschien, ist wie so oft nur ein kurzer Fußweg. Auch so eine Lebensweisheit. Die Burg sah ich mir nur von außen an. Aber ich suchte den etwas entfernten Aussichtspunkt, von dem aus ich Chateau Milandes sehen konnte, das Josephine Baker gehört hat. Sie hat sich damals übernommen und ist verarmt gestorben. Mehr weiß ich eigentlich nicht über den Star der 20er, der in Berlin damals so gestrahlt hat, dass man sich auch heute noch erinnert. Vielleicht sehe ich es mir auf der Rücktour doch noch an. Mal sehen.

Für heute hatte ich allerdings genug. Ich sah nochmal bei der Katze vorbei, die mich wieder freundlich begrüßte. Es war eindeutig, wer wen an diesem Tag mehr brauchte. Oder an jedem anderen Tag.

Auf der Rückfahrt schlich ich im ersten Gang dahin. Selbst bei abschüssigen Stellen. Ich hoffe, dass ich mich bis morgen erholt habe. Denn morgen steht mir eine echte Herausforderung bevor.

 

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