Ouarzazate

Es war der heißeste Morgen seit Beginn der Reise. Schon um 6 Uhr brannte die Sonne auf der Transe, in der ich immer noch versuchte zu schlafen. Ehe ich es verstand, wurden meine Träume schwer und wirr, zum Glück wachte ich recht bald auf. Auch draußen stand mir bald der Schweiß auf der Stirn, und das um diese Uhrzeit. Wunderbar, ich freue mich immer, denn diese Tage der Hitze liebe ich. Ich machte den Camper bereit zur Abfahrt, bevor es losging, besorgte ich noch reichlich Proviant vom Supermarkt um die Ecke. Ouarzazate war mein heutiges Ziel. Ein Blick auf die Karte und ich wusste, dass mir eine schwierige Gebirgsstrecke bevorstand, die allerdings einiges an Ausblicken und Panoramen versprach. Zwar sind es nur 200 Kilometer, doch es sollte eine stundenlange Fahrt werden, auf die ich mich freute, vor der ich jedoch auch Respekt hatte. Den Weg aus Marrakesch fand ich leicht, Ouarzazate ist gut ausgeschildert. Die Berge kamen immer näher, es war kaum zu glauben, aber hier herrschten sicher an die 35 Grad und ich blickte auf schneebedeckte Kuppen des Atlasgebirges, die immer näher kamen. Diese Berge sollte ich jetzt passieren, ein echter Test also für Fahrer und Fahrzeug. Der Anstieg begann relativ sachte und schon bald boten sich herrliche Ausblicke. Ich weiß gar nicht, wie oft ich anhielt, um Fotos zu schießen, bestimmt ein Dutzend mal. Laufend veränderte sich die Landschaft. Erst sah ich Ebenen, dann fuhr ich durch einige Dörfer, die aussahen wie sonst auch. Später jedoch, als der Anstieg begann, veränderte sich das Szenario. Die Vegetation wurde grüner, die Farbe der Berge röter. Dazu der blaue Himmel. Ich weiß nicht, wann ich jemals ein solches Farbendrama gesehen habe. Ich hoffe, es kommt auf den Fotos einigermaßen zur Geltung, ich bin jedoch skeptisch. Auch die Dörfer veränderten sich, jetzt passierte ich Berbersiedlungen, deren Häuser immer die Farbe der Erde vor Ort haben. da sie aus dieser hergestellt sind. Es ist ein selten schöner Anblick, wie sich die Bauten in die Natur einfügen, so passend wie nichts anderes in der Welt. Ich fuhr keine 20 Kilometer und es änderte sich wieder alles. Die Berge wurden karg und grau, doch auch hier war es ein aufregender Anblick, denn meist schlängelte sich neben der Straße ein kleiner Fluss, der üppige Vegetation erlaubte. Der Eindruck von Oasen ist nicht weit hergeholt. Bis dahin war der Anstieg nicht sehr dramatisch, doch das änderte sich. Die Serpentinen wurden enger, die Straßen steiler. Ich passierte sogar eine Schranke, die jetzt geöffnet war, eine Schneebarriere. In den Wintermonaten ist dieser Pass gesperrt.
Ich kroch gemächlich den Weg entlang, oder besser die Transe kroch, immer stetig arbeitend wie ein fleißiger Esel, der mit der Last keine Probleme zu haben schien. Ab und zu kam mir ein LKW entgegen, dann wurde es aufregend, denn die Straße erlaubte besonders in den Kurven keine Unkonzentriertheiten diesbezüglich. Doch irgendwann kam ich oben an, 2260 Meter waren wir aufgestiegen, mehr also als bei meiner letzten Wanderung in den Alpen, wo der Säuling mit ca. 2000 meine natürliche Grenze beschied. Ich hatte öfters unterwegs angehalten, um Fotos zu machen, immer war gleich jemand da, der mir angeblich echte Fossilien oder funkelnde Halbedelsteine verkaufen wollte. Ich lehnte wie üblich mit einem Lächeln auf den Lippen ab, schon aus dem Grund, weil ich bezweifle, dass es sich um echte Produkte dieser Gegend handelte. Mir tun die armen Händler zwar sehr Leid, denn es ist sicher nicht leicht, den Lebensunterhalt mit dem Verkauf dieser Produkte zu bestreiten, doch was soll man tun? Jedem ein Stück abkaufen? Naja, vielleicht kaufe ich demnächst zumindest einem von ihnen etwas ab. Doch bin ich nicht sicher, ob ich diese nicht gerade angenehme Aufdringlichkeit unterstützen möchte.

Fahrt über den Atlas und den Col de Tichka

Erst einmal oben, auf dem Col de Tichka, ging es wieder ein wenig hinunter, die Strecke war ab diesem Zeitpunkt kein Problem mehr.
Die Landschaft öffnete sich, die Berge traten in den Hintergrund und ich fuhr auf einer Art Plateau. Wieder wurde die Erde röter, die Berberdörfer noch spektakulärer und die Vegetation grüner. Vielleicht ist es auch nur das Zusammenspiel und der Gesamteindruck, die diese Farben so satt erscheinen lassen. Doch kann ich jedem empfehlen, einfach öfter anzuhalten und das Szenario zu genießen.
Jetzt liefen die Kilometer schneller, mussten sie ja auch mal, denn ich war bereits über vier Stunden unterwegs. Trotzdem gönnte ich mir an einem besonders schönen Fleck eine kleine Pause samt Snack und Espresso. Selten kann ich mich an eine farbenprächtigere Pause erinnern. Ich nahm sogar etwas von der roten Erde mit, die, als ich sie anfeuchtete, den Innenraum des Campers mit einem starken, erdigen Geruch erfüllte. Vielleicht wachsen darin meine Minzableger etwas besser?
Ouarzazate erstaunte mich. Garmin zeigte mir noch 10 Kilometer an, da tauchte das erste Ortseingangsschild auf. Aha. Es standen einige Häuser neben der Straße, dann wieder keine mehr. Wieder ein Grüppchen. Dann lange nichts. Was mir auffiel, war, dass alles nagelneu ist. Eine wirklich saubere Sache, jedoch nicht urig wie die anderen Eindrücke, die ich bislang vom Hohen Atlas hatte. Irgendwann kam ich dann doch noch im Zentrum an, das einen ebenso gepflegten Eindruck machte. Als ich den Campingplatz erreichte, hatte ich wieder ein Erlebnis mit einer Katze, die mich zu verfolgen scheinen. Ein später Lunch sollte es sein, ich öffnete eine Dose Sardinen und suchte Besteck. Als ich mich wieder umdrehte, saß dieses wirklich hübsche Tier auf meinem Campingtisch und leckte ungeniert die Tomatensoße aus der Konserve. Sie schaute mich frech an, selten habe ich so blaue Augen gesehen, ob bei Mensch oder Tier. Ich überließ dem Vieh meine Sardinen, wieder freiwillig, ich scheine bei diesen Lebewesen wenig Autorität zu genießen.

Ouarzazate und erste Kasbah 

Ich lief nochmals in die Stadt, um mir die Kasbah anzuschauen. Am Eingang lungerten wieder einmal ein halbes Dutzend angeblicher Führer herum. Selbst wenn man die Dienste von einem ablehnt, wird der zweite es ebenfalls probieren. Und der dritte und vierte, auch wenn sie danebenstehen. Der erste versuchte mich sogar von der Kasbah wegzulotsen, das habe ich schon mehrfach erlebt. Leider bin ich jetzt so misstrauisch, dass ich mich keinem mehr bedienen möchte, zumal sie am Ende oft unverschämte Preise verlangen. Aber wieder zur Kasbah, es ist bereits von außen ein bemerkenswertes Gebäude. Ich nehme an, es besteht aus Lehm und Stroh, so zumindest sieht es aus. Die rot-braune Farbe passt wie üblich gut in die Landschaft. Wie ich gelesen habe, ist der Bau von der Unesco geschützt. Innen befindet sich ein wahres Labyrinth an Räumen, meist sehr niedrig. Es war sehr erfrischend, die Kasbah allein zu erkunden, von den Fenstern aus, die meist vergittert sind, hat man einen herrlichen Blick auf den Rest des Gebäudes, das nur ca. zu einem Drittel zur Besichtigung frei steht.
Nach meiner Tour wehrte ich wieder alle Annäherungsversuche der „falschen Führer“ ab und machte mich auf in Richtung Fluss. Bald darauf hatte ich einen noch besseren Blick auf die Kasbah, auf die Fotos freue ich mich bereits. Auf dem Rückweg begegnete ich einer Gruppe Franzosen, die einem der Führer aufgesessen waren. Ich lief hinter ihnen her, just in diesem Moment bog der Führer ab, lotste seine Gruppe direkt in einen Shop hinein. Die langen Gesichter der armen Teufel kann man sich gut vorstellen. Ich frage mich wirklich, ob es das Prinzip der Gastfreundschaft erlaubt, Fremde so in die Irre zu führen, denn sicher war dieser Shop von Anfang an das Ziel dieser (bezahlten) Tour. Ich ziehe wie üblich meine Lehren daraus. Ich sehe es als ausgesprochen interessant an und werde mir überlegen, wie ich in Zukunft mit diesem Verhalten umgehen kann, ohne mich völlig von den Einheimischen abzuschotten. Denn das kann besonders hier niemals der Weg sein.
Ich habe mich noch nicht entschieden, welche Route ich morgen nehmen werde. Ich bin an einem Scheideweg, denn eigentlich beginnt hier eine Art natürliche Rundfahrt, für die ich wahrscheinlich keine Zeit haben werde. Ich habe nur noch zwei Wochen in diesem wunderbaren Land und ich muss mir bereits jetzt überlegen, was ich sehen und was ich für eine spätere Reise aufheben möchte.
Es ist nicht leicht.