Manavgat

Ich bin wieder allein. Nach nur einer Woche habe ich Nina wieder nach Antalya zum Flughafen gebracht. Es war eine wundervolle, gemeinsame Zeit, die wir nach vier getrennten Monaten verbracht haben. Sie ist vergangen wie im Fluge, viel zu schnell. Dabei habe ich das Gefühl, dass wir jede Sekunde ausgekostet haben. Wir haben vor allem viel geredet, das war sicher das Wichtigste.

Es war ein langsamer Start in den Tag, gemächlich gingen wir es an, warum sollten wir uns auch beeilen? Ninas Flug ging um 15.30, vor elf loszufahren wäre Unsinn gewesen. Auf diese Weise konnten wir nochmals in aller Ruhe frühstücken, Latte Macchiato mit geschäumter Milch. Kaffee ist eben wichtig. Uns beiden war eine gewisse Melancholie anzumerken. Der bevorstehende Abschied begann, uns beide zu berühren. Gestern noch hatten wir es geschafft, ihn fortzuschieben, uns nicht beeindrucken zu lassen. Nun aber konnten wir es nicht mehr ignorieren. Doch brachten wir das Kunststück fertig, bis zum Schluss unsere Zeit auszunutzen. Wir verabschiedeten uns von Gouda, der Platzkatze, die wir mit türkischem Käse für uns gewonnen hatten.

Die Fahrt in Richtung Antalya verlief ruhig, die von mir nicht gemochten Polizeikontrollen fanden alle auf der entgegengesetzten Fahrbahn statt. Unglaublich, wie sehr der türkische Staat seine Einwohner drangsaliert. Aber in dieser Hinsicht sind alle Staaten recht ähnlich. Der eine auf die eine, der andere auf die andere Art.
Wir kamen mehr als rechtzeitig in Antalya an. Mich freute das, bedeutete es doch, dass wir noch einmal zusammen lunchen konnten. Entgegen unserer sonstigen Routine wählten wir ein riesiges Einkaufszentrum nahe des Flughafens. Einrichtungen dieser Art enthalten immer eine Fressmeile. Hier wählten wir ein modernes Fast-Restaurant, nicht Fast-Food, sondern echte Mahlzeiten, die vorgekocht auf die Konsumenten warten. Eine leckere Angelegenheit. Ich hob die einzige grüne Schote in meinem herzhaften Hühner-Auberginen-Gericht bis zum Schluss auf und biss herzhaft hinein. Das Nächste, woran ich mich erinnern kann, waren verschwommene Gesichter, die sich besorgt über mich beugten.
Ich übertreibe natürlich. Doch den Schmerz in meinem Rachen spüre ich jetzt, Stunden später, immer noch. Ich muss mir endlich merken, dass es hier neben den völlig harmlosen grünen Paprikaschoten auch welche gibt, die man mit Vorsicht betrachten muss. Und am besten sollte man es beim Betrachten lassen. Ich zumindest.

Torsten Thoms

Danach war es endgültig Zeit, Abschied zu nehmen. Ich hasse diese letzten Momente am Flughafen, daher entschieden wir uns, uns vorher Lebewohl zu sagen. So geschah es dann, ich ließ Nina aus dem Auto, sobald wir das internationale Terminal erreicht hatten, wendete und ward nicht mehr gesehen. Vielleicht war es besser so.
Ich spüre gerade eine grenzenlose Leere in mir, die mich daran erinnert, dass ich lebe. Heute, und erst heute weiß ich, dass diese Reise mir mehr in meinem Leben gezeigt hat, als ich mir vorher jemals vorzustellen gewagt hätte. Ich habe gelernt zu verstehen, dass Reisen nicht alles ist. Sondern dass der Mittelpunkt in meinem Leben immer da sein muss, damit ich überhaupt reisen kann. Wäre er weg, stände ich ohne Zentrum verloren da, wüsste nicht wohin. So ist es jetzt, ich habe Nina vermissen gelernt.
Die Fahrt selbst wirkte jetzt leer, schien mir beinahe sinnlos. Ich werde natürlich einige Tage warten, ehe ich wirklich entscheide, was ich tun werde, aber es wird anders sein. Ninas Ankunft hier war immer ein Ziel, über Monate wusste ich, dass ich zum Zeitpunkt X in Antalya sein wollte. Nun gibt es keinen Punkt X mehr. Mal sehen, was das mit mir macht.
Übrigens, ich fuhr zurück auf den gleichen Platz, da es bereits fast vier Uhr war und ich keine Lust mehr hatte, etwas anderes zu suchen. Der Ort ist allerdings genauso leer wie mein Herz, so dass ich morgen sehr früh aufbrechen werde. Ein neuer Abschnitt beginnt dann. Einige Tage werde ich mir zum Entscheiden nehmen. Ich habe einige Optionen, bin selbst gespannt, für welche ich mich letztlich entscheiden werde. Ich weiß es selbst noch nicht.
Oder doch?