Rom

Auf einen sehr guten Tag gestern folgte heute einer, an dem eine Menge nicht so funktionierte, wie ich es mir gewünscht hätte. Nach der kältesten Nacht seit Monaten, es muss unter null gewesen sein, wollte ich mir durch den Heizlüfter etwas Bequemlichkeit und Wärme verschaffen. Er machte allerdings nur ein leises, klickendes Geräusch. Das war es dann, nach vier Tagen im geduldigen Einsatz hatte das blöde Ding seinen Geist aufgegeben. Da ich ihn bei Euronics gekauft hatte, das direkt gegenüber vom Campingplatz eine Filiale betreibt, hatte ich Hoffnungen auf einen unkomplizierten Umtausch. Nach einem eiskalten Frühstück machte ich mich auf den Weg, Originalpackung und Bon hatte ich sogar noch. Und zu meinem Glück war der Laden auch offen, an einem Sonntag immerhin. Doch da hörte es dann auf.
„Wir sind Euronics Nova“ Die Tusse hinter der Ladentheke fühlte sich sichtlich durch mein Anliegen gestört. Das gleiche Logo, aber eine völlig andere Firma. Zwar mit den gleichen, unnützen Geräten, aber eben anders. Für mich war das nicht ersichtlich, aber ich konnte nichts tun. Wütend warf ich den defekten Lüfter in eine Mülltonne.
Ohne viel nachzudenken kaufte ich im anliegenden Einkaufsmarkt einen neuen Lüfter. Nur um im Camper festzustellen, dass dieser auch nicht funktionierte. Wieder lief ich los, diesmal tauschten sie ihn. Ich wählte kurzerhand eine teurere Marke, es fiel niemandem auf. Das ist zwar nicht richtig, aber mir war es zu diesem Zeitpunkt schon egal, denn es ging schon auf elf Uhr zu und die wenigen hellen Stunden am Tag verstrichen durch diese Aktionen. Der funktionierte, so dass ich mich aufgewärmt und mit einem Muskelkater vom gestrigen Tag auf den Weg machen konnte.

Die Öffentlichen fuhren heute nicht so häufig, ich wartete auf alles – Bus und Bahn. Aber letztlich erreichte ich gegen Mittag das Kolosseum. Es war brechend voll. Dazu muss ich sagen, dass auch der Campingplatz überquillt. Ich weiß nicht warum, aber es kommen immer mehr Wohnmobile mit älteren Herrschaften an. Ist schon eigenartig, aber anscheinend gibt es hier keine Nebensaison. Es ist immer voll.
In Rom war an diesem Sonntag so viel los, dass ich mich nicht lange an den Magnetpunkten aufhalten konnte. Ich lief praktisch davon, zum Zirkus Maximus, wo mir ein Trupp römischer Legionäre über den Weg lief, samt Centurio und Standartenführer. Etwas unorganisiert sahen sie allerdings schon aus, zumal es auch nicht besonders professionell schien, als die Einheit an einer roten Ampel warten musste. Da haben sie die halbe Welt erobert, nur um sich dann von einigen modernen Blechbüchsen aufhalten zu lassen.

Ich wusste nicht recht was tun, schlenderte an diesem eisigen Tag einfach weiter, ließ mich treiben. Die Touristenmassen hatte ich hinter mir gelassen. Ich entdeckte einen Markt, sah dort nur Römer. Leider brauchte ich nichts und wollte auch nichts tragen. Es gibt dort immer die schönsten Sachen, frischer Käse, alte Weine, frische Früchtchen.
Nebenan entdeckte ich wieder ein kleines Juwel. In einer winzigen Seitenstraße fand ich eine kleine Kirche, St. George in Vilabano. Es ist ein romanisches Bauwerk, winzig im Vergleich zu anderen, aber dafür wesentlich charmanter. Es ist eine dieser frühchristlichen Kirchen, die noch einfach gehalten sind und sich damit eine Würde bewahrt haben, die es in den überladenen Gebäuden zum Beispiel des Barock nicht mehr gibt. Besonders beeindruckend sind die Säulen. Keine gleicht der anderen, alle sind sicher „wiederverwertet“. Ionische Kapitelle, korinthische, Säulen aus Marmor, weiß und mehrfarbig, aus Granit – es ist ein bunt-gemischter Anblick. Ich las einiges über den heiligen Georg, dessen Gebeine hier ruhen (sollen). Sie befinden sich im Altar, zumindest Teile davon. Ich glaube an so etwas nicht. Trotzdem, die Kirche empfand ich als Wohltat. Glaube ist etwas Schlichtes, etwas Erhabenes. Nicht das Gold und der Schmuck und Weihrauch der ausgearteten Religion.

Von hier fand ich den Weg zurück ins Zentrum. Bald schon stand ich auf dem Kapitol, Michelangelos Prachtplatz war völlig überlaufen. Ich flüchtete ins jüdische Viertel, fand dort teilweise Ruhe. Es ist schon komisch, manchmal muss man nur um eine Ecke biegen, dann ist man wieder ganz allein. Die Freude hielt nicht lang, ich kam auf den Hauptplatz mit einigen koscheren Restaurants, hier waren allerdings mehr Italiener als Touristen. Trotzdem war es voll.
Da ich inzwischen ausgesprochen erschöpft war, wollte ich mir einen Kaffee gönnen. Ich setzte mich daher in ein einfaches Café um die Ecke. Wie in alten Zeiten klappte ich das Netbook auf und begann damit, am Roman zu arbeiten. Ich bin immer noch dabei, Ideen zu sammeln. Etwas schrieb ich auch, aber sicher nicht mehr als 500 Worte. Es ist sicher besser, erst zu sammeln. Das Schreiben kommt ohnehin von allein. Den Schock bekam ich allerdings, als ich bezahlen wollte. Vier Euro für einen läppischen Cappuccino. Die spinnen, die Römer. Sicher, ich hatte den Kardinalsfehler gemacht und mich gesetzt, aber deshalb den Preis gleich vervierfachen? Ich habe kein Verständnis dafür. Ab Morgen verzichte ich auf diese Art der Pausen. Auch wird es wieder wärmer, so dass ich mich irgendwo auf eine Bank setzen kann, um zu arbeiten. Schade eigentlich.

Mich ärgerte dieser unverschämte Preis so sehr, dass ich etwas aus dem Konzept kam. Ich fand mich vor einem Buchladen wieder, in dem ich beinahe ausschließlich deutsche Titel sah. War ich in der richtigen Stadt? Ich ging hinein. Eine schlechte Entscheidung. Ich begann, in einem Buch zu blättern, das ich bereits durch die Scheibe gesehen hatte. Binnen kurzer Zeit hatte ich mich vertieft. Es ist eine Art Romführer, nur völlig anders. Ich bekam Hintergrundinformationen, von denen ich noch nie gehört hatte. In jedem Fall beschloss ich, das Buch zu kaufen. Es war auch noch ein gebundenes Werk, 28 Euro, ich muss verrückt geworden sein. Wahrscheinlich sagte ich mir, wenn ich schon einen Cappuccino für vier Euro trinken kann, kann ich auch ein sündhaft-teures Buch kaufen. Allerdings muss ich sagen, bereue ich nur einen dieser beiden Umstand. Ein Buch ist niemals Verschwendung.
Außerdem hat es mich inspiriert, ich werde mich morgen auf eine besondere Tour begeben, von der ich noch nichts verrate.

Ich war bereits wieder in alten Gefilden, um die Via del Corso herum. Ich lief diese Einkaufsmeile entlang, dann zur Spanischen Treppe. Ich kam an den Luxus-Läden Roms vorbei, Gucci, Armani, Chanel, Burford und weiß der Teufel noch was sonst. Es sind diese Läden, in denen im Schaufenster keine Preise stehen. Als ich das letzte Mal hier war, vor zwei Jahren, hatte ich noch das Gefühl gehabt, dass diese Welt gar nicht so weit weg erschien. Sicher hätte ich mir schon damals nicht leisten können, dort einzukaufen, doch in einigen Jahren, wenn meine Karriere weiter so verlaufen wäre… Es kam anders. Ich habe meine Seele nicht verkauft, schreibe jetzt eben und fühlte mich hier völlig fehl am Platze. Das ist der Preis. Da ich das einsah, beschloss ich, es für heute genug sein zu lassen. Immerhin war es schon beinahe dunkel und meine Beine taten mir weh.
Auch die Rückfahrt dauerte lange, so dass ich nicht vor halb sieben auf dem Platz war. Trotz einiger Rückschläge und meiner Geldverschwendung war es ein weiterer guter Tag. Mal sehen, wie lange ich noch bleibe. Ich habe einige Ideen. Und außerdem fühle ich mich sehr wohl. Das ist doch das Wichtigste.