Schwedisches Möbelhaus, dann Ferrara

Es war ein typischer Reisetag, den ich noch mit allerhand Praktischem aufgefüllt habe. Einmal mehr hatte ich verschlafen und mein ehrgeiziges Ziel, um acht loszufahren, war dahin, denn erst zehn nach acht bemühte ich meine Augenlider, der Schwerkraft zu trotzen und sich nach oben zu bewegen. Beim Auschecken verquatschte ich mich mit dem Rezeptionisten, der sich wegen der gestrigen Wettervorhersage tausend Mal entschuldigte. Vier Nächte war ich hier gewesen, von Barcelona einmal abgesehen, war es mein längster Aufenthalt auf einem Campingplatz, was einiges sagt. Es ist eine herrliche Gegend, in der man bestens der Sommerhitze entfliehen kann. Der Platz selbst ist auch so schön gelegen, so dass ich selbst heute Morgen noch einmal zweifelte, ob ich überhaupt schon abreisen sollte. Aber irgendwann muss einmal Schluss sein, so dass ich mich gegen halb zehn aufmachte. Ich kam nicht weit, denn wie von einem Blitz getroffen fiel mir ein, dass ich vom Rezeptionisten weder meine Acsi-Karte noch meinen Ausweis wieder bekommen hatte, Erstere wäre sicher der schlimmere Verlust gewesen, zumindest emotional. Bis ich beides in die Arme schließen konnte, war es wieder einmal zehn Uhr.

Die Fahrt selbst war weniger spektakulär als die Hinfahrt, im Grunde ging es nur sehr sanft bergab, die hohen Pässe hatte ich also alle hinter mir.
Auch die Temperaturen waren es bei Tagesbeginn sehr angenehm, stiegen jedoch, je weiter ich fuhr. Die Apotheken hier zeigen immer Datum, Uhrzeit und Temperatur, wie akkurat diese Thermometer immer sind, weiß ich nicht, jedoch schwankten die Zahlen immer irgendwo zwischen 35 und 39. Meine innere Stimme sagte mir – weise wie sie ist – , dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt, was im Grunde schlimm genug war. Doch dieses Mal handelte es sich eher eine trockene Hitze, die ich besser vertrug, zwar war es warm, aber es setzte mich nicht außer Gefecht wie in Genua. Auch verlockte mich die Aussicht, einige klimatisierte Geschäfte auf meiner Fahrt ansteuern zu können.

Mein erstes Ziel heute war Bologna, nicht etwa die Stadt, an der ich das wievielte Mal auch immer vorbei fuhr, sondern das schwedische Möbelhaus, in dem dich alle duzen, was auf Englisch relativ einerlei ist. Operation Healthy Backside war also in vollem Gange. Wie durch ein Wunder ging es meinem Rücken jedoch heute Morgen wunderbar, ich denke einmal, dass mein mir angeborener Geiz sagen wollte, dass das alles nicht nötig wäre und das Geld viel eher in einem guten Tropfen Chianti und einer perfekten Pizza angelegt wäre. Ich setzte mich jedoch durch, denn ich kenne diese kurzzeitigen Pausen, die zwischen den verschiedenen Schmerzattacken liegen.

Ikea selbst ist allein schon eine Reise wert, zumal sich die Häuser zum Beispiel in Berlin Schöneberg und hier in Bologna wie Zwillinge gleichen. Die Produkte heißen gleich, sie stehen an den selben Orten, sind genau so angeordnet, man muss die gleichen langen Wege durch das ganze Geschäft gehen, weil man sich nicht traut, die wenigen Abkürzungen zu nutzen in der Angst, man könnte etwas verpassen.
Bei den Matratzen angelangt, wurde ich schnell fündig. Ich widerstand der Versuchung, eine ganz billige zu kaufen, die es auch gab, sondern spendierte mir eine relativ gute, die den Vorteil hatte, dass ich sie zurechtschneiden konnte. Als ich an die Kasse kam, sah ich, dass auch hier der alten Ikea-Tradition gefolgt wird: bloß nicht zu viele Kassen öffnen. Also standen wir an, die Italiener vom Zeitverlust genauso begeistert wie ich. Was geschieht, wenn man Zeit hat? Man denkt darüber nach, weswegen man eigentlich hergekommen ist. Und wie es kommen musste, als ich an der Reihe war zu bezahlen, fiel mir ein, dass ich noch nach einigen Dingen hatte schauen wollen. Nun aber musste ich erstmal bezahlen, brachte die Mörder-Matratze (ein riesiges Paket) hinaus zum Wagen und lief dann nochmals durch die endlosen Gänge des skandinavischen Ungetüms. Ich fand alle Kleinigkeiten, unter anderem einen Milchschäumer, den ich – dank meiner Schusseligkeit – bereits seit fast zwei Monaten vermisse. Diesmal schien die Schlange noch länger, aber im Grunde war es nicht so wichtig, denn der Tag war ohnehin gelaufen.

Nach einer Ewigkeit hatte ich bezahlt, genoss noch den letzten kühlen Luftzug der Klimaanlage, dann beschloss ich, in den Camper zu steigen, der nun 90 Minuten in der prallen Sonne geparkt hatte. Immer wieder eine Freude einzusteigen.

Die Fahrt von Bologna nach Ferrara war völlig uninteressant. Das Gelände ist brandenburgisch-flach, ich hoffe für die Anwohner, dass es nicht ebenso langweilig und öd ist. Der Campingplatz in Ferrara ist zwar ausgesprochen simpel, erfüllt aber seinen Zweck, denn er ist nur zwei Kilometer vom Zentrum entfernt. Ich hatte eine kleine Hoffnung gehabt, es vielleicht heute schon für einen kurzen Spaziergang in die Stadt zu schaffen, doch ein Blick in den Camper genügte, denn darin sah es aus wie bei mir normalerweise im Büro: chaotisch. Also machte ich mich an die Aufgabe, die gerade gekaufte Matratze zurechtzuschneiden und nach möglichen Orten zu schauen, wo ich die Schaumstoffreste entsorgen konnte. Ich beschloss, um nicht zu sehr aufzufallen, etwas davon in jeden Mülleimer, den ich fand, zu werfen. Es war eine vergnügliche Beschäftigung, die allerhand Zeit in Anspruch nahm und mich mehr als anstrengte. Doch jetzt ist das Tagewerk geschafft, meine neue Schlafunterlage ist fertig und ich erwarte absolute Schmerzfreiheit nach all der Mühe. Zumal ich mir auch noch ein sog. ergonomisches Kissen gegönnt habe, wer denkt sich eigentlich solche Worte aus, einem gesunden Rücken steht also nichts mehr im Wege.
Ich freue mich morgen auf eine stressfreie Stadtbesichtigung. Eines weiß ich schon jetzt: Hier gibt es jede Menge Grillen. Und Mücken, die stechen und denen Autan egal ist. Somit steht einem ruhigen Abend nichts mehr im Weg.