Cabo da Gata

Meine achte Woche auf Reisen beginnt, damit wäre mein alter Rekord von 1998 eingestellt. Es war ein merkwürdiger Tag bislang, der sehr heiß zu werden versprach. Und dieses Versprechen auch hielt. Heute standen einige Besorgungen an, die ich schon lange erledigen wollte. Mein Sonnenschirm ist seit Wochen nur noch bei absoluter Windstille einsatzbereit, eine Nadel und etwas Faden würden ihn allerdings wieder in einen besseren Zustand versetzen. Beides hatte ich nicht mitgenommen, auch wenn ich es jedem empfehlen kann. Man kann nicht an alles denken. Bereits die Fahrt zum Einkaufszentrum gestaltete sich schwierig, Stau auf der ganzen Linie, eine dreiviertel Stunde brauchte ich für 5 Kilometer. Dank Garmin fand ich dieses Centro Commercial ohne größere Umwege. Doch was ich wollte, fand ich nicht. Wie die Nadel in einem, nun ja, Einkaufszentrum. Zumal diese Einrichtungen von immenser Größe sind, was meine Suche nicht einfacher gestaltete. Meine Frage an einen Angestellten versetzte diesen derart in Panik, dass er verschwand. Die Furcht vor Englisch scheint mir hier tief verwurzelt. Ob es an Gibraltar liegt? Der Angestellte holte allerdings nur jemand anderen, eine junge Frau, von der er annahm, sie könne sich besser als er verständigen. Dem war natürlich nicht so, also machte ich mit der Hand verzweifelt die Geste des Nähens. Das half, die beiden hatten verstanden. Was nicht half, war die Tatsache, dass sie auch nicht wussten, wo Nähzeug zu finden wäre. Also folgte ich der jungen Frau durch den halben Laden, sicher ein Weg von einigen Hundert Metern, bis wir zu einer dritten Angestellten kamen, die nur kurz den Weg wies, sich dann wieder ihrer anderen Tätigkeit zuwandte. Diese Informationen waren allerdings so genau, dass die zweite Frau unbeirrt auf einen winzigen Stand zusteuerte, mich im Schlepptau, und mir triumphierend Nadeln und Faden präsentierte. Manchmal kann auch eine einfache Suche zu einem echten Erlebnis werden, wenn man nur hinschaut.
So let the show begin.

Als Nächstes suchte ich ein Internetcafé, was sich als noch schwieriger heraus stellte. Eine dringend zu erledigende Email mit einem Scan der Bestätigung meines verlorenes Paketes aus Marokko wollte ich so schnell wie möglich verschicken. Diese Suche stellte sich als noch schwieriger heraus. Die halbe Stadt umkurvte ich, bis ich ein düsteres Loch mit einem „@“ entdeckte, das sicher einige Computer im Laden zu stehen hatte. Doch das Glück hatte mich heute nur bedingt gefunden. Zwar kam ich mit einer der alten Kisten ins Internet, doch meine Festplatte mit den Informationen wollte das Ding partout nicht erkennen. So schrieb ich nur eine Mail, dass ich die benötigten Unterlagen später senden würde, eine höchst unbefriedigende Information. Auch auf dem Campingplatz, den ich später ansteuerte, war Internet nicht verfügbar. Es sollte wohl heute nicht sein. Das geschieht beim Reisen häufig, dass die einfachsten Dinge sich als umständlich erweisen. Was zu Hause kaum eine halbe Stunde in Anspruch nehmen würde, kostet einen den ganzen Vormittag. Doch auch das gehört einfach dazu, zur Organisation und zum Leben eines Reisenden, und eigentlich ist es das Salz in der Suppe. Man lernt, wie die Gesellschaften in anderen Ländern funktionieren, findet überall Lösungen und traut sich am Ende wesentlich mehr als vor einer Fahrt. Bereits das macht das Individualreisen so wertvoll, denn die Lektionen fürs Leben sind beinahe grenzenlos und auf alles übertragbar, was man im normalen Leben braucht. Das ist meine feste Überzeugung, die sich immer mehr manifestiert.

Ich bin nicht sehr weit gefahren heute, Almeria sehe ich noch immer von dem Strandcafé aus. Im Rough Guide steht, dass man an besonders guten Tagen sogar das „Rif de Maroc“ sehen könne. Leider ist es kein guter Tag. Der Ort, in dem ich mich aufhalte, ist ein typisches Seeressort, wie es hier zu Dutzenden vorkommt. Die Strände sind sicherlich sehr schön, doch merke ich, dass es mich nicht wirklich interessiert. Zum Strand-Wandern ist es bereits zu heiß. Der Ort befindet sich direkt in einem Naturpark, welcher allerdings wüstenartig-karg ist. Vielleicht wage ich später einen kleinen Spaziergang zum Leuchtturm.

Auch mache ich mir zur Zeit Gedanken zum Thema meiner Reise, das Mittelmeer. Die nächsten 200 Kilometer bieten reichlich Strand und Sonne, kaum Kulturelles, das, was ich eigentlich suche. An Stränden kann ich zwar gut schreiben, sitze dabei aber meist in einem Café an einer Promenade, wo auch genug Menschen sind, deren Anwesenheit mich auf eine Weise beruhigt und inspiriert. Im Sand zu sitzen, womöglich noch in der prallen Sonne, grenzt für mich an Wahnsinn. Ich denke daher, dass ich das Mittelmeer als Thema der Reise zwar behalten werde, doch ein wenig weiter fassen muss. Morgen werde ich die 200 Kilometer am Stück zurücklegen, auch wenn ich mich viel zu schnell fortbewegen werde. Doch nur um des Bleibens Willen werde ich mich nicht am Meer entlang quälen. Lieber verweile ich in Städten wie Valencia oder Barcelona länger als sonst, vielleicht jeweils 4, 5 oder sogar 6 Tage als mich in den Massentourismusorten des spanischen Mittelmeers aufzuhalten. Wenn nötig entferne ich mich auch vom Mittelmeer. Es ist schließlich meine Reise und ich bestimme, wann ich meine eigenen Regeln breche. In Granada hab ich es schließlich auch getan. Und das war auch völlig richtig.