Dorchester & Weymouth

Die Nacht wurde nicht so stürmisch wie erwartet. Doch die Elemente, die wir am Tag zuvor so reichlich genießen konnten, hatten uns ausgelaugt. so dass wir lange schliefen. Zumindest ich hatte selbst nach neun Stunden immer noch das Gefühl, völlig erschöpft zu sein.
Und wieder überraschte uns das Wetter. Erst Sonne, dann Regen, dann wieder Sonne, so dass ich nie richtig angezogen war. Auf der Fahrt nach Dorchester wechselte es ständig. Dort sollte heute Markttag sein.
An regionalen Märkten kann man die Menschen erkennen. Immer sind sie besonders und eigen. Ich habe im letzten Jahr so viele unterschiedliche Märkte gesehen. In Marokko, Frankreich, Italien, Kroatien, Türkei. Immer sind sie anders, spiegeln wider, warum Leute was kaufen und verkaufen. In England findet man hauptsächlich Kleidung und eine Menge Pflanzen, eher weniger Lebensmittel. Auch Plunder und Bücher entdeckten wir massenweise. Fastfood-Buden gehören ebenso dazu und einfache Teestuben. Wir erstanden von einem Farmer frisch gepflückte Erdbeeren. Die waren so süß, wie ich sie noch nie zuvor gegessen hatte. Sie schmeckten beinahe wie die kleinen Walderdbeeren. Ich kam nicht an einem Kräuterstand vorbei. Dort zählte ich allein schon 15 verschiedene Minzsorten, kaufte Marokkanische, weil diese mir letztes Jahr auf dem Rücktransport des Campers aus Italien erfroren war. Und eine exotische Basilikum-Pflanze, deren Herkunft und Art ich leider vergessen habe. Ich weiß gar nicht, wie viele Kräuter ich schon gekauft bzw. Proben ich genommen habe. Der Balkon wird sicher nach der Reise überquellen.

Dorchester selbst erkundeten wir, nachdem wir auf dem Markt gewesen waren. Es besteht eigentlich nur aus einer Hauptstraße. Wir fanden die üblichen Highstreet-Geschäfte. Doch anders als in Bath hatte ich heute mehr Spaß daran, einfach einen Schaufenster-Bummel zu machen. Die Stadt selbst ist auch hübsch, doch stand uns nicht der Sinn nach Attraktionen und Museen. Vielleicht sind wir in dieser Richtung bereits durch den National Trust zu verwöhnt. Nach einiger Zeit hatten wir genug, auch wollten wir an diesem Tag noch etwas mehr unternehmen. Weymouth, ein typisch englisches Seebad, wollten wir uns ebenfalls ansehen. Es war nicht leicht, einen Parkplatz zu finden. Meist schaffe ich es, die Stadtgemeinde zu überlisten und einen Parkplatz zu finden, der die Stadtoberen nicht bereichert. Heute jedoch musste ich in den sauren Apfel beißen und bezahlen, auch wenn mir das zuwider ist. Ich denke eben wirtschaftlich. Das kann einem keiner verbieten.
Wir fanden in Weymouth ein wirklich typisch englischen Badeort. Die Strandpromenade ist breit, der Strand ungewöhnlich sandig. Die Amusementparks sind schrill und locken die Urlauber mit dem bunten Geklimper ihrer Automaten. Doch ich war hier, um endlich wieder am Meer Fish & Chips zu essen. Mit ausreichend Malzessig und Salz war es wieder einmal ein Vergnügen. Leider vertrage ich es nicht, denn Stunden später rumort es in meinem Bauch und ich fühle mich rund und ungesund. Einfach englisch also. Doch den Spaß kann mir niemand nehmen.

Wir liefen am Strand entlang, später durch den Ort. Die Kaufhausketten haben sich nicht verändert in all den Jahren.
Die Engländer genossen das Meer, und zwar unabhängig davon, aus welchen sozialen Schichten sie kommen. Vielleicht ist es das Privileg von Inselbewohnern, dass das Meer immer mit dazugehört. Während es bei uns eher etwas für die zumindest besser Betuchten ist, geht hier jeder ans Meer. Besonders Rentner genießen den Bummel auf der Promenade und die Sonne im Gesicht, aber auch sichtlich arme Menschen erfreuen sich an diesem Gratis-Vergnügen. Ich glaube, sie wissen, wie glücklich sie sich ob des ständig nahen Meeres schätzen können. Zumindest habe ich das Gefühl, wenn ich in die Gesichter schaue, die am Meer entspannter zu sein scheinen als sonst, in einem Land, in dem das Sozialsystem keine Lebenseinstellung, sondern zur Überbrückung einer echten Notlage und auch nur zum puren Überleben da ist.

Zwei Orte reichten uns heute. Etliche Stunden waren wir unterwegs gewesen, erst gegen fünf machten wir uns auf den Heimweg. Wieder führte uns Garmin die wildesten Landstraßen entlang. An einer Steigung dachte ich, dass uns der neue Motor der Transe im Stich lassen würde. Im ersten Gang, vielleicht mit 5 Km/h schnauften wir nach oben, die Strecke wollte kein Ende nehmen. Doch wir kamen an, nur um den Hügel auf der anderen Seite wieder hinunterzusausen. Solch langsame Fahrten haben den Vorteil, dass ich mir ohne Gefahr in Ruhe die Landschaft ansehen kann. England sieht aus wie ein welliges Stück Stoff, das aus vielen einzelnen Teilen und Farben zusammengesetzt ist. Patchwork Landscape, der Begriff beschreibt es ganz gut. Kaum ein Feld, das nicht bestellt wird, kaum ein Fleck Erde, das aussieht wie das benachbarte.

Am Abend holte mich Nina von ihrem Meditationsausflug noch einmal aus dem Camper. Wir liefen zu dem Klippen, die Sonne stand jetzt nicht mehr hoch am Himmel, sondern fing sich im Meer und tauchte die Landschaft in ein gleißendes, doch sanftes Licht. Es war herrlich.
Und wieder geht ein perfekter Tag zu Ende, an den ich mich noch lange erinnern werde. Morgen werden wir wieder ein Stück in Richtung Dover fahren. Aber noch sind wir dort lange nicht angekommen. Und einige Tage bleiben uns noch, die wir komplett und vollständig ausfüllen werden.