Mannheim und Umgebung

Heute geht es wirklich los.

In zwei Stunden fährt mein Bus von Mannheim nach Perpignan, wo ich morgen um sieben ankommen werde. Eine Nachtfahrt also. Ich bin ein bisschen aufgeregt. Es ist ein kleines Abenteuer, wenn auch nur bedingt, denn ich kann nicht behaupten, dass es in die Wildnis geht oder dergleichen.

Die letzten Tage in Mannheim und Umgebung waren ruhig und trotzdem abwechslungsreich. Am 18.05. hatte ich das Vergnügen, sowohl Bad Dürkheim als auch Weinheim zu besuchen und mich dabei in einem Auto durch die Gegend kutschieren zu lassen. Ein seltenes Ereignis.

Bad Dürkheim wollte ich immer schon einmal sehen, fand es letztlich aber zu langweilig. Ein mondäner Kurort, voller betagter Menschen und teuren Restaurants, das war nichts, mit dem ich mich lange beschäftigen wollte. Vielleicht auch, weil es an diesem sonnigen Sonntag auch noch extrem voll war. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob wir es bis in die Altstadt geschafft haben, denn außer den Kur – und Parkanlagen haben wir eigentlich nichts gesehen. In jedem Fall entschieden wir uns recht rasch weiterzufahren. Nachdem wir Mannheim einmal komplett umrundet hatten, kamen wir in Weinheim an. Das war mehr nach meinem Geschmack.

Die Altstadt ist gut erhalten, hat ein gewisses antikes Flair mit fast perfekt restaurierten Fachwerkhäusern. Auch hier trafen wir auf viele Menschen, die sich den kulinarischen Genüssen in den vielen Restaurants und Bistros am Kirchplatz hingaben. Warum auch nicht? Hier saßen wir auch eine Weile und ließen das Leben an uns vorüberziehen, bevor wir uns entschieden, das alte Gerberviertel anzusehen und zur Ruine aufzusteigen. Eine perfekte Sonntag-Nachmittag-Handlung. Die Aussicht vom restaurierten Burgfried ist beachtlich, die Landschaft sanft und interessant. Es ist schon ein kleines bisschen wie im Süden Europas, zumindest was die Grundstimmung des Ortes angeht. Als heiter würde ich es bezeichnen, ein bisschen faul, aber das lag vielleicht am freien Tag.

So verging der Tag, den ich mit meiner Schwester und ihrem Lebensgefährten verbrachte. Ein wirklich schöner müßiger erster Urlaubstag, wenn ich ihn einmal so bezeichnen kann.

Der 19.05., also Montag, wurde zu einem Organisationstag, der eigentlich zu früh kam. Ich muss ein wenig ausholen, um das zu erklären.

Um diese Reise anzutreten, habe ich einen alten Koffer mit einer Achse und zwei großen Rädern versehen, weil ich keine Lust verspüre, mein Gepäck zu schultern. Warum muss ich, wenn ich in ein zivilisiertes Land mit Asphaltstraßen reise, einen Rucksack mitnehmen? Das dachte ich zumindest. Um eine lange Geschichte abzukürzen, meine Vorrichtung hielt genau von Berlin nach Mannheim, dann bog sich die Aluminium-Achse derartig, dass ein Teil des Koffers auf dem Boden schliff. Keine Chance auf eine lange Reise also.

Nun, da ich die Achse auf eine Weise eingebaut habe, die eine Rückkehr zum Normalzustand unmöglich machte, hatte ich keine Möglichkeit, sie auszutauschen. Ich versuchte am Montag also, sie zu festigen, zwei Stahlschrauben bohrte ich in die hohle Achse, was auch recht gut gelang. Am Ende aber traue ich der Vorrichtung nicht mehr, also gab ich nach einigen Stunden auf und werde stattdessen einen alten Koffer meiner Schwester nehmen. In Berlin werde ich mich dem Problem erneut widmen und einen stabilen und leichten Reisekoffer entwerfen, mit dem man auch eine „Backpacker“-Reise unternehmen kann, die ja eher eine kultivierte Kofferreise sein wird (Anmerkung 2019: Das ist nie geschehen, denn nach dieser Reise habe ich eingesehen, dass es Gründe gibt, einen Rucksack mitzunehmen). Ich gebe nicht auf, muss aber im Augenblick mit einem normalen Koffer Vorlieb nehmen. Ich hoffe, dass er hält, denn er ist schwer.

Zu meinen weiteren Anschaffungen des Tages zählte ein Alite-Stuhl, ein Camping-Möbel, in dem man gut und bequem (und stabil) sitzt, das aber nur 800 Gramm wiegt. Grandios. Das Sitzen ist etwas, auf das ich nicht verzichten möchte. Vielleicht liegt es daran, dass ich bald Mitte 40 bin. Etwas Bequemlichkeit gönne ich mir. Die 100 Euro kann es mir wert sein, schließlich ist das ein Betrag, den ich letztes Jahr noch für einen einfachen Ölwechsel ausgegeben habe. Sei es drum.

So verging der Montag mit allerlei Nützlichem, auch wenn nicht alles funktionierte, das ich versuchte. Aber das gehört dazu.

Gestern, 20.05., hatte meine Schwester frei und wir entschieden, nach Heidelberg zu fahren. Und zwar mit den Fahrrad. 25 Kilometer, die meiste Zeit entlang des Neckars. Man kann schlechter fahren, aber nicht sehr viel besser. Es war himmlisch, denn nur auf wenigen Abschnitten mussten wir auf die Straße wechseln. Es war ein entspanntes Fahren ohne große Steigungen, für Ungeübte wie uns also wie geschaffen. Natürlich hatten wir bald etwas Muskelkater, aber das war keine Überraschung. Wenn wir nicht mehr konnten, machten wir eine Pause am Wasser, ruhten uns aus, auf diese Weise hatte ich immer das Gefühl, etwas Großartiges zu erleben.

Als wir uns Heidelberg näherten, wurde der Verkehr etwas dichter. Es war nicht mehr so angenehm, auch weil wir den Radweg übersehen hatten, der auf der anderen, für uns falschen, Straßenseite verlief. Zu allem Überfluss überfuhr uns noch fast ein Daimler-Cabrio, dessen Fahrer uns an einem Zebrastreifen aggressiv anhupte. Ich glaube, wenn der neben mir gestanden hätte, hätte ich zugelangt. Ich verspürte eine beinahe unbändige Wut, die ich kaum an mir kenne. Wahrscheinlich hätte es nicht den Falschen getroffen, aber richtig ist es trotzdem nicht. So etwas geht anders.

Der Vorfall beschäftigte uns nicht lange. Wir waren ziemlich erschöpft und gönnten uns einen Espresso in der Fußgängerzone. Wir saßen sehr gut, erfreuten uns an dem, was wir geschafft hatten und an den Menschen, die Heidelberg mit einer Ehrfurcht und Neugier durchstreiften, die immer schön zu beobachten ist, weil sie Menschen so positiv erscheinen lässt. Etwas davon schwappt immer auch auf andere über.

Natürlich wollten wir die Burgruine sehen, zumindest von außen, also liefen wir die Stufen empor, allerdings nicht ohne zuvor den Anstieg links davon bewältigt zu haben, der geradewegs in dem Burghof endete, für den man bezahlen muss. Also erklommen wir den Burgberg sozusagen zweimal. Und das mit dem Wissen, nochmals 25 Kilometer radeln zu müssen.

Die Ruine ist es aber wert, selbst wenn man sie nur von außen betrachtet. Die Aussicht auf den Neckar und die Altstadt Heidelbergs ist atemberaubend. Es war das erklärte Ziel der Fahrt, die Belohnung hätte krönender nicht sein können.

Wir liefen noch die Parkanlage der Burg ab, die einmal einen beachtlichen Garten enthalten hat. Ein Schild mit der Abbildung eines Kupferstiches zeigt, wie er einmal ausgesehen haben muss. Vilandry lässt grüßen. Ich frage mich, warum er nicht restauriert wird. Vielleicht haben wir Deutschen keinen Sinn für grandiose Gärten. Ein Park ist zwar auch etwas Schönes, aber nichts im Vergleich zu einem Stück Gartenarchitektur, die einem Prachtgebäude in nichts nachsteht. Für den Garten würde ich auch Eintritt bezahlen. Für eine Burg im Augenblick eher nicht. Das ist eine Frage des derzeitigen Interesses.

Wieder unten liefen wir noch durch die Altstadt, aber der Gedanke an die Rückfahrt wurde irgendwann so groß, dass wir entschieden, nach zweieinhalb Stunden wieder abzufahren. Zu meinem Erstaunen war ich einigermaßen frisch. Wir machten erneut eine längere Pause, die ich für ein Nickerchen nutzte. Die Sonne schien nicht mehr so heiß, es war angenehm und erholsam.

Auf den letzten Kilometern jedoch, mit dem Ziel vor Augen, wollten aber die Beine kaum mehr funktionieren. Meine Oberschenkel waren hart wie Stein, eine Frage der fehlenden Fitness. Zumindest ich war also froh, dass wir kurz darauf ankamen. Es war 19 Uhr, körperlich war ich müde, aber unglaublich zufrieden. Wenn ich an die Fahrt zurückdenke, bekomme ich Lust, einmal auf eine längere Radtour zu gehen. Wir werden sehen, ob ich mich mal aufraffen kann.

In 90 Minuten geht es los.

Morgen um die Zeit bin ich bereits an der spanisch-französischen Grenze und freue mich wahnsinnig darauf. Die Busfahrt wird sicher lang, aber ich hoffe, etwas schlafen zu können. Der gestrige Tag steckt mir noch in den Gliedern, so dass ich sicher sehr bald sehr müde sein werde.

Aber jetzt ist es an der Zeit, die letzten Vorbereitungen zu treffen. Dann heißt es, gut drei Wochen lang Freiheit zu spüren.