Fahrt nach Athen, Kanal von Korinth

Endlich einmal ein recht früher Start. Irgendetwas trieb mich aus dem Bett, schon gegen acht. Vielleicht war es der Abschied vom Peloponnes. Alle für mich bedeutungsvollen Gegenden beginnen mit „P“: Provence, Peloponnes, Parcelona. Mehr sind es eigentlich nicht. Auch heute hatte ich wieder das Gefühl, wieder einmal nur gestreift zu haben. Aber „es“ ist wieder da, dieses etwas, das mir Stress bereitet und mich weitertreibt. Schon jetzt beginne ich wieder die Tage zu zählen, wann ich an der griechisch/türkischen Grenze sein muss. Das ist eine Sache, die mir nicht gefällt, die mich abhängig macht vom Faktor Zeit, der ich aber nur entrinnen könnte, wenn ich aufhören würde zu fahren, sondern einfach einmal eine längere Zeit (unbestimmt) an einem Ort verweilen würde. Aber so weit bin ich noch nicht.

Der Peloponnes machte es mir nicht leicht. Kaum kam ich in Korinth an, sah ich auch schon das Schild zum Campingplatz, den ich eigentlich gestern hatte ansteuern wollen. Von dort wären es nur wenige Kilometer zu den antiken Stätten. Heute aber hielt ich stand. Meine Herausforderung jetzt bestand in dem Weg, nämlich diesen zu finden. Ich hatte mir vorgenommen, die verhasste Maut wie üblich einzusparen, was gar nicht so einfach war. Aus Versehen fuhr ich auf die Autobahn, hatte aber Glück, ohne einen Cent zu zahlen bei der nächsten Abfahrt wieder herunterfahren zu können. Wasserdicht ist das System also noch nicht. Dort fand ich sogar einen Wegweiser mit der Aufschrift „Athens Toll Free“. Wundervoll. Dabei übersah ich fast den Istmus, hielt aber noch rechtzeitig, um ihn mir genauer anzuschauen. Ich hatte Glück, gerade verschwand ein Dampfer, wahrscheinlich ein Kreuzer, aus dem Kanal. Es ist ein gewaltiger Anblick, 70 Meter tief haben die Arbeiter einen Kanal in den Felsen geschlagen. Man sieht es regelrecht, die raue Oberfläche, durchzogen von künstlichen Linien, die Arbeiter haben Besonderes geleistet. Schon in der Antike wollten die Menschen diesen Kanal, haben auch damit angefangen. Ebenfalls Napoleon, doch erst im 19. Jahrhundert gelang das Unmögliche. Irgendwann fahre ich einmal durch, aber nicht heute.

Danach wurde die Fahrt etwas anstrengender. Noch immer wiesen die Schilder auf die Strecke hin, doch wurden sie seltener. Im gleichen Atemzug wie die Straße schlechter wurden. Kein Wunder, denn die Autobahn liegt direkt daneben, die Gratis-Strecke wird sicher nicht gewartet. Dann geschah es, irgendwo bog ich falsch ab, schon war ich wieder auf der Autobahn. Diese Schlingel. Als ich wieder hinunterfahren wollte, erblickte ich die verhasste Struktur, Mautstelle. Und wieder hatte ich Glück, denn sie wurde erst gebaut. Von Weitem sah sie bereits fertig aus, bald schon werden auch hier die Fahrer zur Kasse gebeten. Noch einmal aber ließ ich mich nicht überraschen. Ab und zu hielt ich an, denn weite Teile des Weges führten mich am Meer vorbei. An einer eigentlich recht hässlichen Stelle sah ich einen Dampfer, halb versunken, auf der Seite liegend. Noch immer sah er majestätisch aus, auch wenn er nur halb zu sehen war. Das Wrack war weiträumig abgesperrt und ich frage mich, wie man so etwas beseitigt. Wenn man es überhaupt beseitigt.

Dann war es soweit, ich erreichte die Grenzen Athens. Die Stadt ist größer als ich dachte, denn Garmin zeigte mir noch 20 Kilometer bis zum Campingplatz an. Besonders hier standen wie Perlen aneinandergereiht LKWs, deren Fahrer anscheinend immer noch streiken. Wenigstens sind sie davon abgekommen, die Strecke zu blockieren, aber wenn man mich fragt, wäre das die wirkungsvollere Variante. Wenn auch mit mehr Ärger verbunden, doch das ist es, was sie bezwecken wollen, oder?
Den Campingplatz fand ich nicht sofort, denn Garmin schickte mich in ein Gewirr von winzigen Straßen. Manchmal würde ich mir wünschen, sie würde mehr Rücksicht auf die Größe der Transe nehmen.
Der Platz liegt direkt an der Hauptstraße, im Sekundentakt donnern die Fahrzeuge vorbei, manchmal heult ein Motorrad und ich hoffe, dass dieser Puls der Stadt heute Nacht nicht mehr ganz so gewaltig schlägt. Trotz meiner frühen Ankunft konnte ich mich nicht mehr dazu durchringen, in die Stadt zu fahren. Stattdessen erledigte ich einige Dinge, die einfach anstanden. Eine Starterbatterie, die mich vom Stromsystem unabhängig macht, scheint den Geist aufgegeben zu haben. Bei der Kontrolle des Säurestandes merkte ich, dass eine Menge Flüssigkeit fehlte. Ich kippte letztlich einen Liter destilliertes Wasser nach, kein Wunder, dass das Ding trotz voller Ladung nur wenige Stunden Strom gab. Auch fallen einige Teile der Innenverkleidung langsam ab, Sekundenkleber könnte helfen, dachte ich. Ich verteilte ihn geschickt, sogar auf dem Betttuch, doch der Erfolg will sich nicht so recht einstellen. Besonders die Küchenfliesen haben sich entschieden, der Schwerkraft nicht länger zu trotzen, da half auch Uhu nichts. Sei es drum.

Ich schrieb noch ein wenig, jetzt habe ich es. Die letzten Züge, dann bin ich durch. Vielleicht noch drei oder vier Tage Arbeit. Es ist also der richtige Moment, nach Athen einen Ort für die Überarbeitung zu suchen. Ich denke, ich werde in drei Tagen einen Fahrtag einlegen, um in einem Schwung nach Thessaloniki zu fahren. Dann habe ich Ruhe.
Morgen aber geht es erst einmal nach Athen. Ich kenne es schon recht gut, so dass der erste Impuls und Drang, die Stadt zu erkunden, nicht so stark ist. Trotzdem freue ich mich. Meist war es Startpunkt für Urlaube, Piräus hat etwas ganz besonders. Von England aus kam ich immer sehr früh mit dem Flugzeug an, so dass ich meist gegen sechs am Hafen war. Es gibt kaum etwas Schöneres, als vom Schiff aus die Stadt zu beobachten, bevor es einen über das Ägäische Meer in den Urlaub auf eine Insel bringt. Nun, diese Erfahrung werde ich dieses Jahr nicht machen. Dafür aber andere.
Heute spazierte ich noch etwas an der Hauptstraße entlang. Das kann wahrscheinlich niemand nachvollziehen, aber als Berliner kann ich mich dem Puls einer Stadt kaum entziehen. Selbst wenn es nur moderne Städte sind. Morgen dann wende ich mich wieder der Antike zu.
Das ist auch gut. Vielleicht besser.