Saint-Sozy

Es war ein Tag zu meiner freien Verfügung, wenn ich es mal so ausdrücken möchte. Die größte Attraktion hier, Martel, hatte ich gestern gesehen. Ich überlegte, ob ich mich ausruhen sollte. Aber eigentlich hatte ich keine Lust dazu. Mir ging es gut, körperlich und geistig war ich ausgeruht, was nicht selbstverständlich war nach all den Strapazen, denen ich mich freiwillig unterzogen habe. Nach einem ruhigen Morgen entschied ich mich also, gegen elf einfach loszulaufen. Ein echtes Ziel hatte nicht. Also ließ ich mich treiben. Ich begann meinen Rundgang in Creysse selbst, das ich gestern kaum gesehen hatte. Ein wirklich hübscher kleiner Ort. Die Kirche ist sehenswert, sie soll aus dem 12. Jahrhundert sein. Unglaublich, wie alt alles hier erscheint. Dabei ist das Mittelalter noch das jüngste, das man sich vorstellen kann. Eine uralte Landschaft mit uralten Spuren, Jahrtausende an Geschichte und Entwicklung. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen.

Ich setzte meinen Weg fort und fand mich irgendwie automatisch auf der Straße nach St. Sozy wieder. Warum auch nicht? Vier Kilometer, weiter sollte es nicht sein. War es auch nicht. Es war kein wunderschöner Weg, weil er auf der Straße entlang lief, aber mir war das eigentlich egal. So konnte ich meinen Gedanken nachhängen, später hörte ich das erste Mal auf der Reise etwas Musik.
Auch St. Sozy lohnt einen Abstecher. Wieder eine Burg. Wer hat das eigentlich damals alles bezahlt? Sicher, die Gegend wurde ein Jahrhundert lang als Kriegsgebiet genutzt. Aber solche Befestigungen sind doch teuer. Die Festung hier ist in Privatbesitz, es können Gites gemietet werden. Sehr standesgemäß. Ansonsten gab es nicht viel zu sehen.

Da es gerade einmal Mittag war, wollte ich noch nicht zurück. Ich hatte keine Wanderkarte für die Gegend, fand aber eine Karte im Dorf, die sehr genaue Informationen bereitstellte. Zuerst lief ich einen Berg hinauf, folgte den gelben Strichen, die mich zu einem „Chatea d’eau führen sollten. Das war eine etwas enttäuschende Angelegenheit, ich würde es als winzigen Wasserturm bezeichnen. Zu allem Überfluss stolperte ich und fand mich im Matsch wieder. Ich hatte nicht aufgepasst, weil das alles zu einfach schien. Gerade dann geschieht so etwas aber. Während ich noch darüber nachdachte, dass ein ernsthafter Sturz mich in größere Probleme stürzen würde, war ich bereits fast wieder in St. Sozy angelangt. Es war halb eins.
Ich suchte den nächsten Wanderweg. Eine grüne Linie versprach Aussichten und prähistorische Höhlen. Gemächlich wanderte ich durch die Landschaft. Alles war flach. ob sich das ändern würde? Ich kam an Feldern und Nussplantagen vorbei, später an einigen Teichen, wo ich lunchte. Schön, dass die Franzosen überall Tische und Bänke bereitstellen.
Danach suchte ich den Weg, es war nicht ganz eindeutig. Ein winziger Pfad führte aber letztlich endlich in die Höhe. Und dieser Pfad hatte es in sich. Ich war froh, gute Wanderschuhe gekauft zu haben. Steil und rutschig war es. Ich sah die versprochenen Felsenwohnungen der Menschen. Eigentlich waren es Felsvorsprünge. Eine wirklich interessante Wanderung, die ich ausgewählt hatte. Ich lief entlang der Felsen, dachte mir, dass ich irgendwann noch höher steigen müsste. Mit meinem iPhone hatte ich eine Aufnahme der Route gemacht, das beruhigt doch ungemein, wenn man ab und zu nachsehen kann, wo man sich befinden könnte. Genau wusste ich das nie.
Schließlich kam ich am Dorf Blanzaguet heraus, was mich überraschte. Aber ich war auf dem richtigen Weg. Der Anstieg begann hier tatsächlich, immer höher stieg ich, hatte schon jetzt sagenhafte Aussichten auf das Tal. In nicht allzu großer Entfernung entdeckte ich die Burg bei Lacave, die ich auf meinem Weg nach Rocamadour ausführlich fotografiert hatte. Das war alles so nahe. Aber das beste Panorama hatte ich noch vor mir. Hoch oben auf dem Berg, am höchsten Punkt, blickte ich hinab. Das faszinierendste sind die Dörfer, die ich identifizieren konnte. Montvalent, Creysse und noch ein weiteres, das ich nicht kannte. Was ist das nur für eine Gegend, die mit so viel Kleinoden aufwarten kann? Ist das der schönste Teil der Reise? Schwer zu sagen, aber als ich auf das Tal blickte, war ich das erste Mal wirklich zufrieden. So sehr wie die letzten beiden Jahre nicht mehr.
Der Abstieg war genauso schwierig wie der Aufstieg. Die Feuchtigkeit und der Schlamm halfen nicht gerade. Als ich einigermaßen gut hinuntergekommen war, sah ich eine Katze. Nur eine Sekunde lang, denn dann verschwand sie im Unterholz. Ich war mir sicher, eine Wildkatze gesehen zu haben. Kräftig und struppig sah sie nicht aus wie eine Hauskatze. Obwohl auch die sehr schnell auswildern würden, haben sie sich doch nie von uns domestizieren lassen. Trotzdem ist es ein lustiger Gedanke, mir unsere Daisy hier vorzustellen, Aber das ist unfair. Unsere verzüchteten Miezen können nichts dafür.
Als ich wieder in St. Sozy ankam, war ich doch relativ erschöpft. Trotzdem pausierte ich nicht, sondern lief wieder zurück nach Creysse.
Es war einer der besten Tage dieser Fahrt. Manchmal müssen es nicht die großartigen Attraktionen sein. Die Landschaft selbst ist das Sehenswerteste hier. Und die gibt es gratis.

 

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