Forcalquier

Die Bäche wenige Meter von unserem Stellplatz entfernt sorgten für einen angenehm kühlen, wenn auch taufeuchten Morgen. Die Croissants, die wir gestern bestellt hatten, fanden wir auf dem Tisch vor dem Camper. Das Ehepaar, dass den Platz betreibt, ist so engagiert und selbst mit den winzigsten Gesten darauf bedacht, unseren Aufenthalt hier so schön wie möglich zu gestalten, dass es eine wahre Freude ist. So stelle ich mir das vor, weil die beiden auch sichtlich Freude an ihrem Job haben und ihn mit ganzem Herzen ausführen. Sie arbeiten nicht, sondern widmen sich der für sie sinnvollen Tätigkeit, in diesem Fall einen Campingplatz zu betreiben. Wenn ich einen Wunsch freihätte, nur einen einzigen, der die Welt verändern sollte, würde ich mir wünschen, dass jeder es schafft, diese Tätigkeit für sich sofort zu finden. Ich denke, dann wäre einiges anders und vieles, was diese Welt so kompliziert macht, würde nicht existieren.

So jedenfalls hatten wir einen guten Start in den Tag. Wir wollten heute zum Markt nach Forcalquier, einem weiteren Dorf, das sich wie anscheinend alle hier an einen Hügel geklebt hat. „Village Perché“, falls ich es noch nicht erwähnt hatte. Ich muss gestehen, dass ich langsam aber sicher genug davon habe, zumal es auch immer eine ziemlich Anstrengung bedeutet, ganz nach oben zu gelangen.
Der Markt jedoch hat sich gelohnt, es gab nicht nur die sonst üblichen provencalischen Produkte wie Wurst, Käse, Fleisch, Obst etc., sondern ebenfalls einen Künstlermarkt, auf dem sich selbst gemachtes wie Kleidung und Schmuck fand. Ich habe noch rasch ein Geburtstagsgeschenk für Nina besorgt, morgen ist es so weit, bevor ich mich einen Tag später endgültig vom Jungsein verabschieden sollte, auch wenn ich dafür mit 40 nicht den geringsten Anlass sehe.

Der Markt erstreckte sich sehr weit, so dass wir recht lange beschäftigt waren. Bevor wir den Aufstieg zur Zitadelle wagten, kauften wir noch einen Ziegenkäse der besonderen Art,aus Banon. Er ist in Kastanienblätter eingewickelt und in Brandy mariniert und so berühmt, dass ich ihn nicht länger ignorieren konnte. Dazu kauften wir die flachsten Pfirsiche, die wir finden konnten, es sind die härtesten und die süßesten und ein Baguette. Dann begann der Aufstieg. Was ein herrliches Picknick werden sollte, endete in einem Desaster, denn Nina bekam einen Migräne-Anfall, nachdem sie die ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte. Die Krankheit schaltete sie fast völlig aus, wobei die Erschöpfung danach beinahe noch schlimmer ist als der Anfall selber. Die Hitze machte es alles nicht leichter, auch wenn wir einen schattigen Platz gefunden hatten, doch selbst hier war sie noch zu spüren.

Vielleicht sind es auch Zeichen, Dinge etwas ruhiger angehen zu müssen. Als das Schlimmste vorüber war, machten wir uns an den Abstieg, den man durchaus so bezeichnen kann. Unterwegs gingen wir noch am Place St. Michel vorbei, in dessen Mitte ein Brunnen steht, der angeblich Szenen zeigen soll, die, wenn nachgemacht, in den USA zu Gefängnisstrafen führen soll. So jedenfalls berichtete es der Rough Guide. Das einzig anzügliche Relief war dasjenige, das ein Paar bei Felatio-Cunnulingus , kurz 69, zeigt. So etwas ist strafbar? Die spinnen, die Amis.

Auf dem Markt ging es bereits ruhiger zu, als wir gänzlich unten ankamen. Unser erster Gang führte uns in eine Bar, in der Nina ihre Erschöpfung mit Koffein zu bekämpfen suchte. Es half ein wenig, doch an diesem Tag taten wir nichts weiter. Ich widmete ihn meiner Schreiberei, kämpfe wieder um meine gotische Geschichte, die, wenn ich nicht täglich an ihr arbeite, mir zu entgleiten droht. Es ist ein eindeutiges Zeichen, ich muss die Zeit dafür finden, sonst wird sie zerfahren und zerpflückt – durch mein Kurzzeitgedächtnis, das sich Handlungsstränge nicht für die Ewigkeit merken kann.
Nina ruhte sich aus, die Hitze hörte auch auf, dank eines Gewitters in der Gegend, das uns zum Glück nie erreichte.
Morgen ist Geburtstag, wir werden Ninas letzte Urlaubstage ruhiger angehen lassen, um die Erholung der drei Wochen nicht zu gefährden. Man muss seinem Körper zuhören, er sagt einem alles. Ich respektiere das, weil es wichtig ist. Wieder etwas, an das ich eher glaube, doch in meinem tiefsten Innern weiß, dass es stimmt. Warum erklären, was auf der Hand liegt? Wer glauben will, kann es tun. Wer nicht, lässt es eben.