Zwar hatte ich in eine bessere Campingsausrüstung investiert, doch auch die nützte nichts bei eisigem Wind und vier Grad Außentemperatur. Es ist ein unruhiger und erschöpfender Schlaf, wenn man friert. Ich will es immer nicht wahrhaben und versuche, die Kälte zu ignorieren. Es bleibt mir auch nichts anderes übrig. Eigenartigerweise bleibe ich immer sehr lange liegen, auch wenn ich halb wach bin. So begann der Tag erst gegen neun. Steifen Glieder mussten erst wieder bewegt werden. Aber nach einem Kaffee und Croissant ging es wesentlich besser. Auch schien es nicht mehr so kalt, als ich erst einmal aufgestanden war.

Mein Weg führte mich direkt nach Vannes. Wieder lief ich am Wasser entlang, wieder versöhnte mich die Bretagne trotz der relativen Kälte. Heute war es anders. Pfingsten stand vor der Tür. Auf einem Lagerplatz für Schiffe herrschte emsiges Treiben. Boote wurden gereinigt oder aus dem Wasser gehoben. An vielem hing noch der Schmutz des Winters. Eines der Boote stand zum Verkauf. Ich glaube, ein Katamaran, aber ohne Segel. Ich träumte kurz, bevor ich mich losriss. Das muss in einem anderen Leben geschehen, wenn ich betuchter bin.

Der Hafen von Vannes, der, so wie ich es verstanden habe, noch recht neu ist (oder wieder neu ist), war ebenfalls lebhaft. Wieder wurde gereinigt, Holzteile abgespritzt und geschrubbt, Gepäck verladen. Es sah eigentlich nicht sehr effizient aus, weil die meisten Leute herumstanden, während andere recht hart zu arbeiten schienen. Aber was weiß ich schon. Berge an Gepäck lagen herum. Man konnte die Freude der Menschen wegen der bevorstehenden Ausflüge spüren.

Vannes

Die Stadt war auch recht lebendig. Ausgiebiger als am Vortag schlenderte ich durch die Gassen. Alles wirkte heiter, und auch wenn die Sonne meist fehlte, zeigte sich Vannes von seiner sympathischsten Seite.

Es dauerte nicht lange, dann entdeckte ich die alte Stadtmauer mit dem blühenden Park davor. Tausende Mohn Blumen leuchteten zu mir nach oben, wo ich stand und mir die Schönheit ansah. Die Franzosen haben definitiv einen Sinn dafür. Auch am Markt ist das zu bemerken. Und in fast allen Schaufenstern, von denen alle fantasievoll und einzigartig gestaltet sind. Völlig egal, ob es sich um die schnödesten Dinge handelt, hier sieht es aus, als wären sie gut genug für einen König.

Mir reichte es vollkommen, durch die engen Gassen zu spazieren und die ruhige alte Atmosphäre zu genießen. Auch fühlte ich mich in anderer Hinsicht frei. Eigentlich ziehen mich Dinge in Schaufenstern an. Kleidung, Küchenutensilien, Antiquitäten und auch andere Gegenstände, die man kaum braucht. Dieses Mal aber hatte ich mir vorgenommen, leichter als sonst zu reisen. Mein, übrigens selbst genähter, Seesack wiegt 9 Kilo mit Gepäck, zumindest war das vor dem Abflug der Fall. Jetzt, mit Lebensmitteln, dürften es 2 Kilo mehr sein. Damit ist der Sack voll. Ich habe also weder Platz für weitere Konsumgüter, noch Lust, diese fünf Wochen lang zu tragen. Es ist also mehr als angenehm, sich diese Sachen ohne den Drang anzusehen, sie kaufen zu wollen. Es geht eben einfach nicht.

Den Lunch nahm ich in besagtem Garten unterhalb der Stadtmauer zu mir. Zusammen mit vielen Franzosen, die sie ebenfalls nach draußen zog. Das Wetter spielte mit, es war sogar manchmal sonnig, ohne zu heiß zu sein. Die Mauern beeindruckten mich übrigens sehr. Wuchtig trotzen sie der Zeit, haben sicher manche Belagerung überstanden und Schutz geboten. Jetzt sind sie Biotop für so manche Pflanzen, die sich in ihren Ritzen angesiedelt haben. So blüht der Stein, macht ihn weicher und weniger hart.

Auch den Garten oder Park sah ich mir näher an. Wohl geordnet und wild blühten die Mohnblumen, waren mehr als nur Farbtupfer, tauchten die Landschaft in ein leuchtendes Orange. Danach machte ich einen letzten Spaziergang durch die Stadt. In einer Bäckerei erstand ich ein winziges Stück Kouign-amann, ein schweres bretonisches Gebäck, fettig und zuckrig. Trotz seiner Fülle war als saftig. Es ist so viele Jahre her, seit ich es das letzte Mal gekostet hatte, dass ich mich kaum daran erinnern konnte. Ich kann es sicher nicht jeden Tag essen. Aber ab und bestimmt. Auch wenn mein alternder Körper damit beginnt, die kleinen Sünden des Lebens nicht mehr zu verzeihen. Am Nachmittag, nach einer ausgiebigen Ruhephase, machte ich noch eine kleine Wanderung am Wasser, oder besser: am Schlamm, entlang: die Bucht von Morbihan. Für Naturliebhaber ist es bestimmt interessant, seltene Arten sollen vorkommen. Mir ist eher das Laufen wichtig und die Ideen, die mit dabei kommen.
So ging ein lohnender Tag zu Ende.
Im Grunde der erste Reisetag.