Cucuron, Ansouis & Pertuis
Eine eisige Nacht löste den warmen Tag ab. Uns traf es unvorbereitet, und wie es oft geschieht, war keiner von beiden in der Lage, nachts aufzustehen und noch einige Decken zu holen. Wie gerädert wachten wir auf, bibbernd, draußen wärmten wir uns erst einmal in den Strahlen der Morgensonne.
Der Tag entschädigte uns für die Kälte der Nacht, herrliche 25 Grad ließ die Erinnerung an das Frieren vollkommen zerschmelzen. Wir hatten uns heute die Besichtigung einiger Dörfer in der Gegend vorgenommen, von denen es noch zahlreiche gibt. Unser Trip begann in Vaugines, ein winziges Dorf mit sehr viel Charme. Allerdings ist es so klein, dass wir nach wenigen Minuten beinahe jede Ecke kannten. Wir sahen die Zeichen von mehreren Wanderwegen und ich kann mir vorstellen, dass dieser entzückende Ort genau das richtige Ziel für einen leichten Lunch während einer ausgiebigen Wanderung im Luberon darstellt. Wir jedoch waren mit dem Auto unterwegs und brachen bald wieder auf, um die nächste Stadt zu sehen.
In Curcuron erwartete uns ein Mini-Verkehrsproblem. Nicht nur standen wir sicher eine Minute im Stau, auch fanden wir nicht sofort einen Parkplatz, mussten beinahe in einen Weinberg hinein fahren, um irgendwo zum Stehen zu kommen. Der Grund war der Markt, der glücklicherweise an diesem Tag hier stattfand. Ich könnte die nächsten Tage damit verbringen, immer wieder diese Märkte mit den exzellenten Produkten zu besuchen, die den Städten und Dörfern eine unvorstellbare Aura von Leben und Qualität geben. Hier in Cucuron war es natürlich ebenso, um eine Art mittelalterlichen Pool von beachtlicher Größe waren die Stände aufgebaut. Ich wünschte, ich hätte ein wenig mehr den Mut, mich durch die verschiedenen Käse – und Wurstsorten hindurch zu probieren, doch könnte ich die Ausmaße, die das annehmen würde, niemals mit entsprechenden Käufen ausgleichen können. Wir haben keinen Kühlschrank und ein wenig zu geizig bin zumindest ich ebenfalls. Wenn ich einmal einen Bestseller schreiben sollte, dann ….. ach lassen wir das.
Es war eine Freude, durch Cucuron zu laufen. Der Ort ist größer als Vaugines, somit hatten wir längere Wege zurückzulegen. Wir mussten durch ein altes Stadttor, auch Reste der Mauer sind noch zu sehen. Jeden Schritt genossen wir, besonders unseren Besuch beim Donjon Saint Michel, die Strecke dorthin führte uns an den ältesten Teilen der Stadt vorbei, die zum Glück noch nicht von den Massen der Frankreich-Reisenden entdeckt worden sind. Die Atmosphäre ist sehr rustikal mit Häusern aus rohen Steinbrocken, vorsichtig restauriert, ohne den Verlust der Patina hinzunehmen.
Von hier hatten wir die schönsten Aussichten auf dieses Tal, die Felder erstreckten sich unter uns, die Dörfer in der Ferne wirkten bezaubernd und die mittelalterliche Stadt unter uns strahlte uns ihren ganzen Charme entgegen. Wir liefen auch zur Kathedrale, die innen ausgesprochen düster ist wie viele regionale Kirchen. Wir sahen einen abgeschlagenen Baum, der an der Kirche lehnte. Ich versuchte, den Text auf einem Schild zu verstehen, das daneben hing. Erst der Rough Guide jedoch, auf den ich mich immer wunderbar stützen kann, erzählte in einer für mich verständlichen Sprache, nämlich Englisch, dass der Brauch, einen gefällten Baum von Mai bis August dort aufzustellen, auf das 18. Jahrhundert zurückgeht und erschaffen wurde, weil der Ort von der Pest verschont blieb. Das Schild hatte ich zwar etwas anders verstanden, nämlich dass ein Drittel der Bevölkerung der Krankheit zum Opfer gefallen ist, aber vielleicht habe ich es falsch interpretiert. Oder ein Drittel ist gut, es hätten ja auch zwei Drittel sein können.
Es war Zeit für Lunch und wir entschieden uns für das Weiterfahren. Unter schattigen Bäumen bei Ansouis fanden wir den perfekten Ort dafür, ich hatte in Restaurants gesehen, dass diese einen Salat anbieten, der mit Ziegenkäse überbackenem Baguette serviert wird. Das machte ich heute nach. Dank des Campingkochers briet ich dünne Baguettescheiben, ließ dann den Käse zerlaufen. Dazu kleine Tomaten und Blattsalat oder Ruccola vom Markt. Es war deliziös, der Ziegenkäse schmeckt warm wesentlich besser, gibt dem Salat eine deftige Note. Wein hatten wir zwar dabei, aber bei mir gilt die „Null-Toleranz-bei-Promille-Einstellung“ beim Autofahren, aber wer es probieren möchte, sollte einen eiskalten, trockenen Weißwein dazu trinken. Das ist übrigens immer ein guter Tipp, eigentlich zu allen Gerichten. Vielleicht muss man mal das Wort „Weiß“ mit „Rot“ ersetzen, dann passt es immer. Dieser Salat ist auch leicht genug, um danach noch Energie aufzubringen, das Sightseeing fortzusetzen.
Die Stadt Ansouis ist etwas kleiner als Cucuron, nicht ganz so charmant, weil etwas zu perfekt restauriert. Mir ist außer dem üblichen Gang durch die Gassen nicht viel aufgefallen, und wie es sicher oft geschieht, haben wir den Weg zum Chateau nicht gefunden, das hoch über dem Ort thront. Besonders enthusiastisch waren wir bei der Suche allerdings nicht, so beließen wir es bei dem fröhlich-leichten Verdauungsspaziergang.
Es war schon später Nachmittag, wir wollten aber noch nicht nach Hause. Also fuhren wir in den nächsten Ort, Pertuis, sicher ein Fehler, denn wir waren eigentlich schon ziemlich satt, was das Besuchen von Städten betraf. Manchmal ist weniger mehr, so dass wir auf das Besichtigen von Pertuis hätten verzichten sollen. Es ist jedenfalls ein lebhafter Ort, an dem der Kelch einer ausufernden Tourismus-Industrie bislang vorübergegangen ist. Dabei ist er hübsch, besonders um den Place Mirabeau herum. Ansonsten ist es eben einfach eine französische Kleinstadt, die man mal für eine Stunde oder zwei besuchen kann.
Wir blieben nicht lange, sondern machten uns bereits nach einer Dreiviertelstunde auf den Heimweg. Morgen fahren wir weiter, seit drei Tagen halten wir uns in dieser Gegend auf und langsam habe ich zumindest genug von den niedlichen Dörfern. Jetzt ist es Zeit für etwas Düsteres, Gemeines. Les Baux kommt gerade recht und vielleicht komme ich in Arles oder Nimes doch noch dazu, einen Stierkampf zu sehen.
Lassen wir uns überraschen.