Cavtat

Es scheint, dass ich meinen Ruhetag auf den heutigen Montag verlegt habe, auch wenn es eher zufällig geschah und mit meinem heutigen Ausflugsziel zusammenhing. Nach einem ausgesprochen ruhigen, wenn auch heißem Start in den Tag machte ich mich erst gegen 11 Uhr in Richtung Cavtat auf. Ich wollte heute meine Weiterfahrt vorbereiten, also hielt ich den ruhigen Ort für geeignet. Ich hatte wohl einen Bus erwischt, den viel zu viele Leute hatten nehmen wollen, denn ich kam kaum hinein. Es ist immer ein ganz besonderer Duft, wenn man bei 30 Grad im Schatten in einen Bus einsteigt, der mit Menschen nahezu vollgestopft ist. Ich denke, dass nicht alle in den letzten 24 Stunden in einer Form oder der anderen an die notwendige Körperhygiene gedacht haben, so jedenfalls roch es. Süßlich, säuerlich, je nach Windrichtung. Zum Glück dauerte die Fahrt nur einige Minuten, die Aussicht auf das Meer und die direkt neben uns ansteigenden Hügel entschädigten mich für die Geruchsbelästigung. Einige leichte Serpentinen zum Schluss und wir waren angekommen.
Ich hatte gelesen, dass in Cavtat besonders viele Ferienanlagen sein sollten. Das stimmte, schon auf dem Weg hierher waren wir an einigen Blöcken vorbei gekommen. Doch sobald wir im alten Dorf angekommen waren, hielten diese sich aufs Angenehmste zurück. Ich begann meine Tour mit einem Spaziergang. Mein Weg führte mich um die kleine Halbinsel herum, auf der Menschen vor Jahrtausenden wohnen. Sie ist dicht bewaldet, der Weg führt immer direkt am Wasser entlang, wo sich die Sonnenhungigen auf den Felsen verteilen. Alles wirkte sehr idyllisch, die Grillen zirpten besonders laut, die Nadelbäume verschenkten ihren betörenden Duft sehr freigiebig. Ich glaube, selten in meinem Leben bin ich so langsam gelaufen. Auch an den Ausgrabungsstätten bin ich vorbeigekommen, ohne sie allerdings recht zu bemerken. Jedenfalls kann ich mich an Reste von Grundmauern erinnern, von denen ich anfangs dachte, es wären eingestürzte Zäune aus Naturstein, aber irgendwann sah ich eine Karte von der Gegend und wurde eines besseren belehrt. Der Weg führte später zurück in das kleine Dorf, dass ich noch nicht gesehen hatte. Die Strandpromenade war angefüllt mit allen möglichen Restaurants, Bars und Cafés, genau mein Ort also. Die Häuser schienen alle historisch, rustikale Steinbauten, alles sehr charmant und unaufdringlich. Was mich aber besonders beeindruckte, waren die riesigen Jachten und Katamarane im Hafen. Ich kenne mich zwar nicht aus, aber es werden schon einige Milliönchen gewesen sein. Eine Jacht schätzte ich auf ca 30 Meter. Ich erinnerte mich an Südfrankreich, da habe ich das erste Mal darüber nachgedacht, einmal auf dem Wasser zu leben, es zumindest einmal zu erkunden. Das ist jetzt sicher mehr als zwei Monate her. Ich beobachtete, wie das Meer die Boote schaukelte, es war, als würde es mir den Rhythmus zeigen. Ich hätte gerne einmal einen Bootsbesitzer gefragt, wie es ist, auf dem Wasser zu schlafen. Besonders bei dem angenehmen Wellengang von heute muss es wie in einer Wiege sein.

Nach einigen Minuten hatte ich das Dorf abgelaufen. Die Cafés sahen derart einladend aus, dass ich mich gar nicht wehren konnte. Erst dachte ich über das Schreiben nach, dann zog ich es vor zu lesen. Der Rough Guide Montenegro hört sich sehr interessant an, eigentlich so interessant, dass ich es beinahe bereute, heute hier geblieben zu sein. Aber es läuft ja nicht weg. Der einzige Wehmutstropfen ist die Ökosteuer von 30 Euro, die ich werde bezahlen müssen. Moderne Wegelagerei, die kaum noch versteckt wird, denn nur ausländische Fahrzeughalter müssen sie bezahlen. Die einen machen es über überteuerte Vignetten, die anderen erfinden eine Steuer. Wie auch immer, ich hoffe für Montenegro, dass dieser Schuss nicht nach hinten losgeht, denn es liegt nun wirklich nicht auf einer der Hauptverkehrsstraßen Europas. Ich werde sicher nicht drum herum kommen.

In dem Café saß ich sehr lange, beobachtete Menschen, die kamen und gingen. Ich habe kaum noch ein schlechtes Gewissen, nur weil ich einen Espresso bestellt hatte, der eigentlich nach einer Minute bereits getrunken war.
Ausgeruht und frisch fühlte ich die nächste Aufgabe auf mich zukommen, den kleinen Hügel. Ganze 50 Meter stieg ich eine Treppe empor, dann eröffnete sich mir der Blick auf den Friedhof. Aber das war noch nicht alles, die Aussicht auf die Bucht und auf Dubrovnik in der Ferne war die winzige Mühe wert. Ich stieg über Gräber, um den besten Punkt zu finden. Eigentlich ist die Hauptattraktion hier oben ein kleines Mausoleum eines berühmten Bürgers des Dorfes. Der Rough Guide 2008 teilte mir einen Eintrittspreis von 4 Kuna mit. 2010 sind es schon 10, also allein deshalb ignorierte ich das winzige Objekt, das mit seinen teutonischen Statuen, die als Säulen dienen, nicht gerade sympathisch auf mich wirkten.
Als ich wieder hinunter kam, lud mich wieder ein Café ein. Diesmal konnte ich dem Eisbecher nicht widerstehen, muss allmählich aufpassen, denn ich habe das Gefühl, dass ich langsam wieder an Stellen zunehme, an denen ich nicht mehr zunehmen wollte.
Hier schrieb ich. Langsam macht sich ein wehmütiges Gefühl breit, denn der Roman liegt in den letzten Zügen. Eigentlich muss ich nur noch die Ideen in Worte fassen, sehr viel Neues wird es nicht mehr geben. Sicher, danach werde ich ihn überarbeiten, was wirklich Arbeit sein wird, aber das ist nicht das Gleiche, nicht der kreative Prozess, der zur Erschaffung einer Geschichte nötig ist.
Aber diesmal brauche ich mich nicht von den Figuren verabschieden. Es wird eine Trilogie, daher werde ich ihnen treu bleiben und ihre Entwicklung weiter verfolgen, auf die ich sehr gespannt bin. Und nein, ich kenne sie noch nicht, sonst wären es ja keine lebendigen Charaktere, die selbst mich oft überraschen, mitunter auch enttäuschen. Aber so ist das eben mit Lebewesen. Menschen sind es ja nicht, zumindest keine vollständigen. Gespannt? Hoffentlich.
Ich melde mich aus Montenegro.