Sferracavallo/Palermo

Ich schlief einfach aus. Gegen acht schaute ich das erste Mal auf die Uhr, doch konnte ich es nicht ertragen, schon aufzustehen. In der Nacht hatten mich die Zahnschmerzen geplagt, so dass ich einige recht wirksame Schmerzmittel genommen hatte, die man mir nach der Entfernung der Weisheitszähne verschrieben hatte. Danach war ich ziemlich high, im Schlaf flog ich von Wolke zu Wolke, beinahe schon bewusst, auch wenn es Träume waren. Wahrscheinlich wachte ich deshalb so spät auf.

Ich beeilte mich trotzdem, um mich auf den Weg zu machen. Der Campingplatzbesitzer wunderte sich zwar, dass ich bereits nach zwei Tagen die Zelte abbrach, aber im Grunde ist das meine normale Reisegeschwindigkeit. Ich habe das im Augenblick nur vergessen, vielleicht auch in Anbetracht der Tatsache, dass es weniger Anlaufpunkte gibt. Trotzdem, meine Zeit hier am anderen Ende Siziliens war abgelaufen. Ich nahm die Autobahn, die auch hier gratis ist. So kam ich schnell voran, war gegen zwölf auf dem Campingplatz bei Palermo. Mitten in einem Wohngebiet liegt er, ein echter Campingplatz ohne Schnickschnack, einfach zum Schlafen. Keine Disco, kein Schwimmbecken, kein Spielplatz. Himmlisch. Das es so etwas noch gibt… Und günstig ist er auch noch. Sollte ich einmal einen Platz betreiben, mache ich es auch so. In der Nähe einer Großstadt braucht man auch nichts anderes.
Palermo scheint mir eingebettet zwischen mächtigen Hügeln. Vor allem in Sferracavallo, wo ich nächtige, türmen sich die Berge auf. Eigentlich sehr schön, denn hier hat man alles, Berge, Meer, Großstadt. Ich komme mir goldrichtig vor.

Ich ruhte mich ein wenig aus, machte mich dann aber bald auf in Richtung Palermo. Bald schon bereute ich es. Sonntags reist es sich nicht sehr gut in Italien, schon gar nicht mit Öffentlichen. Der erste Bus kam noch sehr schnell. Als wir den ersten Zwischenstopp erreichten, sah ich den Anschlussbus gerade abfahren. Aber ich hatte Hoffnungen, da es ein sehr stark frequentierter zu sein schien. Diese Hoffnungen wurden maßlos enttäuscht. Ich wartete mit vielen anderen zusammen eine halbe Stunde. Dann kamen drei auf einmal. So ist es oft in Großstädten. Außer in Deutschland, wo man sich schon aufregt, wenn ein Bus drei Minuten Verspätung hat. Eigentlich ein Paradies. Am Ende war ich gegen zwei in Palermo, also eigentlich nicht zu spät.

Ich hatte nichts gelesen, wollte die Stadt einfach auf mich wirken lassen. Da alles recht dunkel und verwirrend aussah, verpasste ich meine Haltestelle, was nichts machte, denn am Bahnhof war es mir zentral genug. Schon im Vorüberfahren machte Palermo auf mich einen etwas düsteren, unheimlichen Eindruck. Als ich jedoch ausstieg, relativierte sich das rasch. Ich lief auf einer breiten Straße entlang, der Via Roma. Diese war heute für den Verkehr gesperrt, vielleicht hatte es eine Parade oder etwas Ähnliches gegeben. In jedem Fall war heute eindeutig Startschuss für den Winterschlussverkauf. Vor den Geschäften herrschte dichtes Gedränge. Drinnen bestimmt auch, ich erkunde so etwas nicht. Palermo wirkte jetzt beinahe wie Rom, geschäftig und vibrierend, es hatte aber auch etwas Verruchtes wie Neapel. Wenn es auch bei Weitem nicht so schmutzig ist. Mir gefielen die alten Gebäude, denen man den Zahn der Zeit ansieht. Hin und wieder kam ich an Kirchen und Palazzi vorbei, ich nahm erst einmal alles auf. Auf der Straße sah ich eine Menge Menschen aus aller Herren Länder. Viele Araber, aber auch Schwarze, selten nur hellhaarige Italiener. Irgendwann bog ich ab und landete vor dem Opernhaus. Dort schmückten Weihnachtssterne die Treppe, gelbe bildeten „2011“. Ich war dankbar für die Erinnerung.
War ich bislang meist nur große Straßen entlanggelaufen, verlor ich mich bald in kleinen Gassen. Hier wurde es dann unheimlich. Ich vergesse oft, dass es keine sehr reiche Gegend ist, auch wenn die Immobilienpreise eine andere Sprache sprechen. Demnach ist Palermo teurer als Berlin. Ist sicher nicht schwierig. So billig wie in der deutschen Hauptstadt lebt es sich nirgends. Trotz der Bedenken lief ich weiter, in den Gassen hing überall Wäsche, jedes Klischee kann die Altstadt Palermos bedienen. Es war hier natürlich einsamer als auf den Hauptstraßen. Irgendwann hatte ich genug und fand mich wieder im Getümmel der Einkäufer. Ich ging einfach einmal mit in einen Laden, schaute mir Notebooks und MacBooks an (Nicht das gleiche!!). Ich suche nämlich. Habe es nicht sehr eilig, aber ich möchte aufrüsten. Letztlich verlor ich natürlich das Sightseeing aus den Augen, aber es sollte heute ohnehin nur ein erster Geschmack sein.

Bald darauf wurde es langsam dunkel, so dass ich beschloss, es für heute genug sein zu lassen. Die Rückfahrt dauerte ebenfalls etwas länger, was an dem Verkehr lag, den ich für einen Sonntag beachtlich fand. Autofahren möchte ich hier nicht, es ist chaotisch genug, um mir Respekt einzuflößen.
Bevor ich morgen in die Stadt aufbreche, werde ich mich belesen. Zwei Tage will ich mit Sicherheit hier bleiben. Nina kommt in einer Woche an, bis dahin habe ich sicher die erste Erkundung Siziliens abgeschlossen.
Ich fühle mich heute etwas besser als gestern. In jedem Fall wird mein erster Gang in Deutschland zu einem Zahnarzt führen, ich habe das Gefühl, dass es eine größere Geschichte ist. Schmerzmittel auf Dauer will ich auch nicht nehmen, im Moment bleibt mir aber nichts anderes übrig. Ein paar Wochen muss ich noch warten. So lange muss es eben gehen.