Alanya

Es war ein Tag, an dem wir jede Sekunde Licht ausgenutzt haben. Mich trieb es wie üblich um sieben aus dem Bett, ein wie ich finde, beinahe schon befremdlicher Umstand. Zumal ich es immer wieder schaffe, natürlich auch Nina aufzuwecken. Sonst wäre mein Sonnenopfer auch umsonst, denn alleine unternehme ich eben in dieser Woche nichts. Somit muss auch Nina meinem Rhythmus folgen. Es klappt recht gut.

Nachdem wir den Camper auf Vordermann gebracht hatten, machten wir uns auf den Weg nach Alanya. 50 Kilometer vorbei an Hotelanlagen und Stränden, die für den Massentourismus ausgerüstet sind. Überall am Straßenrand lagen Einkaufszentren, die alle dasselbe anboten. Gefälschte Markenwaren, ob Uhren, Sonnenbrillen oder Sweatshirts. Trotz der Tatsache, dass ich anderer Menschen Urlaubswahl respektiere, kann ich es trotzdem nicht verstehen, dass jemand die schönste Zeit des Jahres so verbringt: Zwischen Nichtstun und Shoppen, dabei der Schnäppchenjagd frönend, ganz nach deutscher Gewohnheit also. Denn die meisten Urlauber hier scheinen aus der Bundesrepublik zu kommen.

Unsere Einfahrt in Alanya enttäuschte mich etwas. Nachdem wir den Camper irgendwo an der Hauptstraße abgestellt hatten, fanden wir die gleiche Art von Geschäften vor, die uns bereits die gesamte Strecke begleitet hatten. Dazu kam noch, dass die Verkäufer aggressiver vorgingen als sonst, selbst in Antalya waren sie nicht so motiviert wie hier. Wir konnten kaum einige Schritte laufen, ohne angesprochen zu werden. Je näher wir dem Hafen kamen, desto schlimmer wurde es. Selbst wenn wir an Läden oder Restaurants vorbeigingen, ohne auch nur einen einzigen Blick zu werfen, wurden wir beinahe angesprungen. Es war nicht besonders schön und förderte nicht unbedingt meine Sympathie für Alanya, das ich bis dahin zu den schlimmsten Erfahrungen in der Türkei zählte, da die moderne Stadt recht hässlich ist. Zu allem Überfluss fanden wir auch am Hafen keine Ruhe. Selbst aus sicher 30 Metern Entfernung wurden wir angerufen, um an irgendwelchen Bootstouren teilzunehmen. Einer dieser „Touts“ kam näher, als wir gerade eine Bank zum Ausruhen gefunden hatten. Nachdem er in seinem Versuch nicht nachließ, uns zu seiner Tour zu überreden, teilte ihm Nina mit, dass es schön wäre, wenn wir jetzt einmal in Ruhe gelassen werden könnten. Das vertrug unser türkischer „Tout“ ganz und gar nicht. Von einer Frau zurecht gewiesen zu werden hatte keinen Platz in seiner Welt. Er zeigte nun sein wahres Gesicht und begann, uns zu beschimpfen. Wir waren bereits auf dem Weg, ließen ihn einfach stehen, aber ich muss zugeben, dass mich dieses Verhalten ärgerte. Ich habe Verständnis dafür, dass dieser Job schwer ist, aber man muss Touristen so viel Respekt zeigen und wenigstens ein „Nein“ akzeptieren.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon beinahe genug von unserem Ausflug. Letztlich war es aber eine gute Entscheidung, nicht gleich aufzugeben. Unser Versuch, den Burgberg zu besteigen, brachen wir ab, weil dieser zu steil und die Wanderung zu lang erschien. Ein Bus brachte uns letztlich direkt zur Festung nach oben. Und hier versöhnte ich mich mit dem Ort, denn die Aussicht auf die rauen Klippen, das dunkelblaue Meer und der intensiv hellblaue Himmel sorgte bei uns für die Heiterkeit und Leichtigkeit, die ich vorher vermisst hatte. Die gesamte Wehranlage hier oben ist auch im ruinösen Zustand noch beeindruckend und erstreckt sich über den gesamten Hügel. Wir blieben lange und genossen die Wärme der Mittagssonne an diesem höchsten Punkt der Stadt, die von oben so aussah, als würde sie sich in die angrenzenden Berge hinein fressen. Ein modernes Ungetüm, errichtet zu dem Zweck, die Touristenmassen im Sommer aufzusaugen. Und diese Massen kommen zu einem großen Teil aus meinem eigenen Land, sind also Ursache der Entwicklung des Ortes, somit Spiegelbild unserer eigenen Gesellschaft. Es ist kein schöner Anblick, selbst von oben nicht. Daher konzentrierten wir uns auf das Meer, dabei fanden wir die Ruhe, die wir brauchten.

Auf dem Weg zurück liefen wir an einigen Restaurants vorbei, für eines entschieden wir uns nach eingehender Konsultation. Es war die perfekte Wahl, der freundliche Kellner las uns jeden Wunsch von den Augen ab und ich kam endlich einmal zu einer osmanischen Pfanne, ein leckerer Lammtopf.
Nachdem wir uns erfolgreich um den Aufstieg herumgedrückt hatten, liefen wir jetzt wenigstens den Hügel hinunter. Die mittelalterlichen Verteidigungsanlagen konnten wir so aus der Nähe begutachten. Schon nach wenigen Minuten waren wir wieder am Hafen. Runter geht es immer schneller. Keine Frage.
Jetzt, um die Nachmittagszeit, ließen uns die meisten „Touts“ in Ruhe, wahrscheinlich war das Geschäft für heute erledigt. Trotzdem muss ich sagen, dass es für mich keinen Grund gibt, diesen Ort nochmals zu besuchen. Der berühmte rote Turm aus dem 13. Jahrhundert ist zwischen modernen Gebäuden kaum noch zu erkennen. Zum Glück gibt es auf dem Burgberg noch nicht allzu viele neue Bauwerke. Hoffentlich bleibt es so.
Um halb fünf machten wir uns auf den Heimweg. Als wir in die Straße zum Campingplatz einbogen, war die Sonne bereits untergegangen. Ein perfekter Tag, was das Tageslicht anging. Und am Ende habe ich trotz einiger schlechter Erfahrungen das Gefühl, eine eine wundervolle Zeit verbracht zu haben. Der Grund dafür lag sicher in der Gastfreundlichkeit des Restaurantbesitzers und der lohnenden Attraktion der Burganlage.
Morgen ist bereits Freitag, die Woche mit Nina ist beinahe vorbei. Vier Monate Alleinsein für eine Woche Zweisamkeit. Es ist hart, aber von mir selbst gewählt. An Tagen wie diesem muss ich mich selbst daran erinnern.