Foix

Um sechs war die Nacht zu Ende.
Ich hatte mir den Wecker gestellt, um zumindest am Morgen die Wahl zu haben, zeitig aufzubrechen. Ich brauchte ihn nicht einmal. Um 5:40 schlug ich das erste Mal die Augen auf, wollte eigentlich sofort den Wecker abschalten. Am Ende stand ich sogar fünf Minuten früher auf. Es war gut so, schlafen kann ich schließlich in Berlin.
Außerdem wollte ich einmal ausprobieren, wie lange ich im Ernstfall brauchen würde. Nicht lange, denn nach exakt 75 Minuten war ich aufbruchbereit. Ich fand das sehr gut, denn das beinhaltete Frühstück. Also alles ohne große Hetze.
Um halb acht stand ich das letzte Mal an der schrecklichen Straße. Der Bus kam pünktlich, dann war mein Aufenthalt in Toulouse praktisch vorbei.
Am Gare kaufte ich mir ein Ticket. Ich hatte, wie versprochen, nichts organisiert, nahm einfach den nächsten Zug. Es funktionierte fantastisch. Um 8:45 saß ich also entspannt wie selten auf einem bequemen Sessel und freute mich des Lebens. So macht das Reisen Spaß.
Eine gute Stunde später trafen wir in Foix ein. Das Wetter, das am Morgen noch recht gut gewesen war, hatte sich jetzt sichtlich gedreht. Als ich aus dem Zug stieg, hing nur die Feuchtigkeit in der Luft, es regnete aber noch nicht.
So zog ich also mein Gepäck in Richtung Campingplatz. Eine recht anstrengende Geschichte, auch weil sich der Weg hinzog. Das hatte ich alles anders berechnet, wahrscheinlich eine Sinnestäuschung. Es sind wirklich um die zwei Kilometer.
Endlich erreichte ich den Campingplatz, aus der klammen Feuchtigkeit war ein leichter Nieselregen geworden. Die Anmeldung ging schnell vonstatten, aber als ich endlich das noch vom Morgen klamme Zelt aufbauen wollte, begann es richtig zu regnen.
Aber es war zu spät, das Zelt hatte ich ausgepackt, nun musste es schnell gehen, wollte ich nicht eine vollständig nasse Nacht riskieren.
Das Lidl-Zelt wollte aber nicht so wie ich. Aufgrund der Tatsache, dass man erst das Innenzelt aufstellen muss, riskierte ich einen Wassereinbruch. Zu allem Überfluss machte mich auch noch ein dummer Holländer darauf aufmerksam, dass mein Gepäck ein Stück weit auf dem Asphalt stand, wo er gerade auszuparken gedachte. Ohne zu fragen packte der meinen Koffer und stellte ihn auf die nasse Wiese.
Hätte ich eine Hand frei gehabt, dann …
Ganz schön gewalttätig in letzter Zeit.
Aber ich hatte keine Zeit. Mühsam errichtete ich das Zelt, noch nie hatte ich dabei solche Probleme. Irgendwie passte alles nicht zusammen, zumindest nicht so wie sonst. Nach einigem Gezerre und nachdem ich in meiner Softshell-Jacke ziemlich durchgeweicht war, stand es. Natürlich war es innen alles andere als trocken, aber das war nicht zu ändern. Wenigstens hielt es soweit dicht und das Außenzelt berührte dank einiger Tricks auch nicht das Innenzelt. So konnte ich mich ein meine Fleecedecke hüllen, nachdem ich die nasse Kleidung über meinen Alite-Stuhl gespannt hatte. Alles halb so schlimm. Ein Kaffee, dazu Baguette, das Leben könnte eigentlich kaum schöner sein. Ich war entspannt und wusste, dass ich genau an dem Ort war, an den ich hingehörte. Der Regen machte mir nichts aus. Er zwingt mich ein wenig, ruhiger zu werden. Ich habe noch zwei Wochen Zeit und nicht mehr viel Strecke vor mir. Also kann ich das alles entspannt angehen.

Am Nachmittag, nach einem Nickerchen, zeigte sich verstohlen die Sonne. Also machte ich mich auf in die Stadt. Die beeindruckende Burg zeigt sich schon von Weitem, die Ariège begleitete mich den ganzen Weg.
Foix ist das genaue Gegenstück zu den Städten, die ich bisher gesehen habe. Natürlich ist es viel kleiner, aber auch düsterer. Hatten Perpignan, Carcassone und Toulouse etwas südlich-heiteres, weist Foix eine eher düstere Atmosphäre auf. Selbst in der Sonne. Mir gefiel es auf Anhieb, war es doch so anders. Enge und auch etwas weitere Gassen, alte und nicht so alte, aber immer noch nicht neue Häuser, hübsche Geschäfte mit allerlei Gutem und (wahrscheinlich) Ungesundem, Cafés und Restaurants, die so aussehen, als ob sie für die Franzosen und nicht für die Touristen gemacht sind. Es war wirklich eine Offenbarung und eine herrliche Stunde, die ich dort verbrachte. Ich lief hoch zur Burg, hatte aber kein Interesse, sie auch innen zu besichtigen. Vielleicht wegen des Eintrittsgeldes, das eigentlich nicht zu hoch war. Aber da ich bereits eine Wanderkarte gekauft hatte, ist mein Budget für die nächsten zwei Tage eigentlich aufgebraucht. Überhaupt rinnt das Geld nur so durch die Finger. 400 Euro sind futsch. Das Ersparte von zwei Monaten in wenigen Tagen ausgegeben. Aber das gehört zum Reisen, das eines der teuersten Hobbys ist. Es macht mir zumindest nicht mehr viele Sorgen.
Einen wundervollen alten Antiquitätenhändler für Bücher entdeckte ich. Der Geruch von altem Papier kam mir entgegen. Vollgestopfte Regale mit allerlei Büchern jeder Couleur und jeden Alters ließen mein Herz jubeln. Natürlich waren es durchweg französische Bücher, aber das macht nichts. Allein die Tatsache, hier sein zu dürfen, ist für mich Belohnung genug. Ich schwelgte ein wenig in den alten Beständen, sicher auch sehr teure darunter. So hatte ich meinen Spaß.
Irgendwann hatte ich genug. In jedem Fall bin ich gespannt, was meine Zeit hier bringen wird. Es ist ein recht unentdeckter Teil von Frankreich, zumindest was den Hauptstrom der Touristen angeht.
Und zu sehen gibt es sicher genug.