Berlin

Ich schreibe wieder einmal aus der Vergangenheit. Vielleicht hat es seine Gründe, doch denke ich, dass die letzten beiden Tage aufregend genug waren. Ich bin wirklich nicht zur Ruhe gekommen.
Ich kam vorgestern in Berlin an. Als der Flieger die Wolkendecke durchbrach, merkten wir alle erst, in welche Welt wir eintauchten. Gestartet waren wir in Pisa bei 15 Grad und Sonnenschein, jetzt landeten wir bei Nebel und minus vier Grad. Es war eine undurchdringliche Suppe da draußen, ich sah viele, die den Kopf schüttelten. Ich auch, innerlich.

Wie in Watte gepackt stieg ich aus, lief die endlosen Gänge des Schönefelder Flughafens entlang. Als ich aus dem Terminal trat, erwartete ich eigentlich nichts, war aber dennoch etwas enttäuscht, dass niemand da war, der mich abholen kam. Nina hatte zu arbeiten. Alle anderen sicher auch. Als ich im Bus und später in der U-Bahn saß, war ich recht froh, allein sein zu dürfen, denn der Abschied von meiner heiß geliebten Reise fiel mir schwer. Sicher, die Wiedersehensfreude war groß, die Wohnung ist ein Traum, auch wenn viel zu tun ist.

In der Nacht schlief ich alles andere als gut. Das Hotelzimmer war noch etwas anderes gewesen, immer noch Teil des Abenteuers. Die Wohnung jetzt aber war Realität, stellte das echte Ende dar. Ob ich das schon begriffen habe, weiß ich noch nicht.
Am nächsten Tag beschäftigte ich mich wie ein Besessener. So viel Arbeit war zu erledigen, vor allem handwerkliche Kleinigkeiten, die mich die ganze Zeit über beanspruchten. Auf diese Weise kam ich nicht dazu, über diesen starken Einschnitt in meinem Leben nachzudenken. Am Abend ging dann auch noch der Durchlauferhitzer kaputt, so dass ich auch die letzten Stunden des Tages und ebenfalls den Vormittag des nächsten vollauf beschäftigt war, die Sache wieder in Ordnung zu bringen.

Jetzt, in den ersten Minuten, in denen ich mich einfach hingesetzt habe, stürzt alles auf mich ein. Ich bin traurig und glücklich zugleich. Traurig, weil es zu Ende ist. Ich denke mit so viel Wehmut an so viele Erlebnisse zurück, wünsche mich zurück zu den Orten, die ich erkunden durfte. Sehr stark sind mir die letzten echten Momente in Erinnerung, die ich am Meer erlebt hatte. Catania steht ganz oben auf meiner Liste, denn ich konnte die Wellen im Camper hören. Tag und Nacht. Es kann sich niemand vorstellen, zu diesem Rhythmus aufzuwachen und schlafen zu gehen. Wenn ich die Augen schließe und ganz still bin, dann höre ich die sizilianische See wieder, wie sie sanft gegen die schwarzen Lavaklippen rollt. Ich darf gar nicht darüber nachdenken.

Aber ich bin auch glücklich. Ich weiß, dass ich lange Zeit, sicher mein ganzes Leben, von dieser Fahrt zehren werde. Was auch immer geschieht, diese Erfahrung, das Glück, die Freude, die Freiheit, wird mir niemals jemand wegnehmen können. Ich empfinde zu Zeiten dadurch echte Hochgefühle, eine Gelassenheit, die durch die Tatsache kommt, etwas so Schönes gemacht zu haben. Auch wenn es sicher Hunderte Adjektive gibt, die weniger kitschig klingen und besser beschreiben, so ist das doch das passendste: Diese Reise war einfach schön. Ein Stück ich selbst, damit ein Stück Göttlichkeit, das ich erleben durfte.

Die Zeit danach fällt mir schwer. Wenn ich sitze, sitze ich meist an einer bestimmten Stelle, auf der linken Seite meiner orientalischen Pritsche im Wohnzimmer. Mit dem Raum der 110 m² großen Wohnung komme ich nicht zurecht. Die Weiten der Zimmer wirken unrealistisch und beinahe bedrohlich. Ich bin unglaublich genügsam geworden. Im Bad reicht mir ein winziges Plätzchen, um meine Kulturtasche abzustellen. Auch an meinen Einkaufssitten habe ich noch nichts geändert, gehe jeden Tag ein wenig einholen, gerade das, was ich für den Tag und morgens brauche. An den Kühlschrank oder gar die Tiefkühltruhe habe ich mich noch nicht gewöhnt.
Es ist auch schön zu sehen, dass Nina sich so verändert hat. Auch sie hat sich an die Einsamkeit gewöhnt, hat ihr Zimmer in Beschlag genommen, in dem sie sich nun auch oft allein aufhält. Sie scheint den größten Teil ihrer Angst vor der Einsamkeit überwunden zu haben. So etwas ist immer schön zu sehen, auch wenn der Effekt nicht durch sie selbst, sondern durch die äußeren Umstände meiner Wahl ausgelöst wurde. Trotzdem, sie scheint das Beste aus der Erfahrung mitgenommen zu haben.

Ich kann mich noch nicht dazu entschließen, das Journal zu bearbeiten. Auch die Grafiken für die Webseite, die ich vor einem Jahr noch plante, kann ich noch nicht erstellen. Ich bin dafür nicht bereit, vielleicht, weil ich noch nicht angekommen bin. Mit meinen Freunden und Verwandten habe ich noch nicht telefoniert. Ich kann es nicht ertragen, in der Vergangenheit über diese Fahrt zu berichten. Letztlich ist es natürlich eine Frage der Zeit. Ich werde realisieren, dass ich wieder da bin, in einem neuen Zuhause. Trotzdem hat die Reise ihre Spuren hinterlassen. Das finde ich auch gut so und ich werde mich nicht unter Druck setzen, sondern alles auf mich zukommen lassen. Vielleicht gehe ich morgen zum Meldeamt und erledige dort meine Bürgerpflichten. Dann wäre ich schon ein Stück weiter.
Wie auch auf der Fahrt erlebe ich jetzt jeden Tag einzeln. Keine Zukunft. Und das ist heilsam und intensiv.
Auch das habe ich gelernt. Man muss nicht Reisen, um Dinge zu erleben. Aber schön ist es trotzdem.