Alexandroupolis

Eine furchtbare Nacht nahm ein frühes Ende. Ich weiß auch nicht warum, aber ständig wachte ich auf. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, auf diesen Campingplatz bei Troja zu fahren, der eigentlich nur ein Vorgarten ist. In jedem Fall ist er frei zugänglich für jeden. Nicht dass irgendwer davon Gebrauch macht. Aber es ist gegen jegliche Vernunft, einen solchen Ort aufzusuchen, denn im Grunde bieten Campingplätze vor allem eines: Sicherheit. Alles andere findet man auch sonst irgendwie. Da das Wildcampen hier erlaubt ist, hätte ich mich genauso gut auch auf den Parkplatz einer Tankstelle stellen können. Das führt mich dazu, mir Gedanken darüber zu machen, warum ich eigentlich nicht öfter einfach dort übernachte, wo es mir gefällt, unabhängig davon, ob es erlaubt ist oder nicht. Letztlich habe ich das nur zu Beginn der Reise in Frankreich getan. Anscheinend ist das ein Stück Sicherheit und auch Bequemlichkeit. Zwar habe ich mein One-Bedroom-Studioflat mit Kochnische überall dabei, möchte aber auch gerne zumindest saubere Einrichtungen nutzen. Und die findet man natürlich auf einem Campingplatz. Ganz davon abgesehen, dass es eine große Sorge weniger ist, wenn man weiß, dass es sich um ein gesichertes Gelände handelt.

In jedem Fall wachte ich nachts mehrfach auf, schaute oft nach draußen und immer wieder auf die Uhr. Drei Uhr, vier Uhr, halb sechs. Als um kurz vor sieben die Sonne aufging, hatte ich genug. Ich stand auf und packte so gut es ging. Das Unternehmen Europa hatte begonnen. Noch vor acht war ich auf dem Weg, fuhr die letzten Kilometer bis Canakkale. Wie bereits auf der Hinfahrt, an die ich mich jetzt erinnerte, verfuhr ich mich. Plötzlich entfernte ich mich vom Hafen, das sollte nicht sein. Doch kurz vor neun hatte ich die Fährstation erreicht, war 25 Lira leichter, hatte dafür eine Fahrt auf einem Boot vor mir. Erst als ich an Bord war, merkte ich, dass ich meine letzten Schritte auf dem asiatischen Kontinent gewandelt war. Für’s Erste zumindest. Wehmut kam auch jetzt nicht auf. Schließlich war ich lange genug da gewesen.
Auf See wehte es heftig und ich bewegte mich daher kaum. Ganz eindeutig bin ich schon jetzt nicht mehr richtig angezogen. In den nächsten Tagen muss ich daran denken, meine Strickjacken zu aktivieren, die gerade unterm Bett verstauben. Das tun sie seit April.

In Europa ging ich wieder an Land, es fühlt sich nicht anders an als in Asien. Die Weiterfahrt verlief ereignislos. Noch einmal tankte ich für die letzten Lira, kämpfte allerdings mit mir, ob ich nicht doch lieber eine warme Jacke kaufen sollte. Bei Kipa, dem Hypermarkt der Tescoreihe, fand ich eine, aber letztlich habe ich bislang auf der Fahrt so viel Gewicht verloren, dass ich zwischen zwei Größen entscheiden müsste, weder M noch S passen richtig. Sei es drum, dann kaufe ich eben in Italien ein. Ist sowieso viel stilsicherer.
Dann war es soweit. Ich näherte mich der Grenze. Hatte ich Scherereien befürchtet, überraschten mich die türkischen Grenzbeamten ungemein. Zwar musste ich wieder viermal halten, aber letztlich war ich in fünf Minuten durch. Auf der Brücke nach Griechenland grüßten mich die jungen Soldaten, die mit ihren furchteinflößenden Maschinengewehren die Grenze bewachten. Ich grüßte zurück und hoffe, dass die Türkei umso schneller der EU beitritt, damit diese dämliche Grenze verschwindet.

Etwas mehr Ärger machten dann die griechischen Beamten. Besonders der Zoll drang in das Heiligtum meiner Schlafstätte ein und klopfte alles ab. Ich musste sogar eine Staufläche ausräumen. Der untersetzte Beamte fragte mich, was ich beruflich täte. Als er hörte, dass ich Schriftsteller bin, wurde er wesentlich freundlicher. Trotzdem klopfte er weiter. Als er das Bücherregal im Wagen entdeckte, hörte er damit auf, wünschte mir viel Erfolg und endlich eine Veröffentlichung. Im Grunde war er sehr nett und ich versprach ihm, dass ich schon deshalb veröffentlichen werde, damit er recht behalten konnte. Dann war ich durch. Letztlich hat alles nicht länger als eine Viertelstunde gedauert. Dann war mein Türkeiabenteuer vorbei. Ich wandle wieder auf bekannten Pfaden, denn ich hielt wieder in Alexandroupolis. Soweit geht alles nach Plan. Ich habe immer noch vor, morgen in der Stadt ein Ticket nach Italien zu kaufen. Irgendwie freut es mich, wieder in Europa zu sein. Zwar ist alles teurer, aber dennoch ist es mein Zuhause. Welcome back. Nur muss ich in Zukunft mehr Zeit für mein Buch finden, das ich unbedingt weiterschreiben möchte. Wir werden sehen.