Bodrum
Ein höchst interessanter Tag ist noch lange nicht zu Ende. Gestern Abend noch lief ich nochmals die Promenade entlang. Dabei fiel mir erst jetzt auf, mit welcher Sorte Engländer ich es hier, in dieser Bucht zu tun hatte. Nämlich genau die Sorte, die mir meinen England-Aufenthalt in Manchester am Anfang so schwer gemacht hat. Jogging-Hose, aufgeschwemmt, etwas brutal und rücksichtslos. Das trifft es wohl am ehesten. Kein besonders schöner Anblick übrigens, besonders Frauen ab 25 sieht man die Diät aus Fast Food, Cholesterin und Schokolade an, die der beste Nährboden für die qualligste Cellulitis ist. Gestern Nacht dann feierten sie, auch wenn nur noch wenige Figuren da waren. Zum Glück war der Karaoke-Schuppen einige Hundert Meter vom Platz entfernt, trotzdem hörte ich die Bässe noch im Camper. Ich möchte auch nicht wissen, was hier im Sommer los ist, denn die Disco oder Bar dieses einsamen Etablissements befindet sich direkt vor dem Platz. Wahrscheinlich kommt man nicht zum Schlafen her.
Heute Morgen dann fielen wieder die letzten Regentropfen. Da in den letzten Tagen die Sonne kaum geschienen hat, musste ich bei 15 Grad kalt duschen. Wenigstens kann mir niemand vorwerfen, ein Warmduscher zu sein. Nach dieser Erfahrung war ich aber so fit, dass mir keine weitere Ausrede mehr einfiel, ich musste endlich den Ölwechsel arrangieren. Lust hatte ich natürlich keine, denn die Sonne lugte langsam hinter den Wolken hervor. Aber es gab keine Ausrede mehr, ich fuhr los, zu einer Continental-Werkstatt. Der Mechaniker dort verstand mich nicht sofort, dachte, das Auto wäre liegen geblieben oder brauchte neue Reifen. Als er endlich mein Anliegen begriff, schickte er mich zur angrenzenden Tankstelle. Sehr interessant. Der Tankstellenwärter verstand auch nicht sofort, dann aber schon. Er machte sich auf die Suche nach dem entsprechenden Filter, auf dem zwar der Name Ford stand, der aber sicher wie alle anderen Produkte den Namen nicht wert war. Ist eine wüste Unterstellung, ich weiß. Dann suchte er ein Öl aus. Ich habe von so etwas keine Ahnung. Dann schickte er mich zum Zahlen des Öls und des Filters. Ich war gespannt, was sie mir nun aus der Tasche ziehen wollten. 53 Lira hieß das Verdikt. 26 Euro. Ich fragte, was denn der Wechsel selbst kosten würde. Der Wärter schaute mich nur groß an, bevor er mir mitteilte, dass ich doch schon das Öl hier gekauft hätte. Der Wechsel wäre daher kostenlos. Ich war erstaunt, wartete noch auf die Überraschung, die nicht kam. Der Wechsel dauerte 10 Minuten, ich gab ein großzügiges Trinkgeld, schon weil ich kaum glauben konnte, dass man einen Service für lau anbieten würde. Aber es war so. Sicher werde ich nach 10000 Kilometern wieder einen Wechsel machen lassen, schon weil ich der Qualität des Öls nicht traue. Aber dass ich so günstig bei der Sache wegkommen würde, hätte ich nicht gedacht. Zumal ich mich seit Wochen mit der Notwendigkeit des Wechsels herumschlage und diesen immer hinausgeschoben hatte. Aber so ist das auf Reisen, selbst die alltäglichen Kleinigkeiten werden zu Problemen, weil sie anders geregelt werden als zu Hause. Ach was, ich war einfach zu faul. Aber das gilt immer als gute Ausrede.
Der Tag war noch immer jung, nach einer kurzen Arbeitssession machte ich mich zu Fuß auf den Weg nach Bodrum. Jetzt lachte die Sonne wieder, daher wurde es ein heiterer Marsch. Sobald ich die „englische“ Bucht passiert hatte und in die angrenzende kam, wurde es vornehmer. Nach einer Kaserne begann der Hafen, eine Jacht nach der anderen lag in den müßigen Wellen. Hier kommt der Geldadel her, keine Frage. Die Preise selbst für einen einfachen Kaffee liegen deshalb bis zu 100% über denen an anderen Orten. Aber deshalb war ich nicht da. Ich schlenderte bis zum Basar, wo mir ein findiger Verkäufer zwei Markenhemden andrehte. Natürlich wieder echte Ware, so wie immer in der Türkei. Das Dreiste dabei ist, dass es sich um ein echtes Geschäft handelte. Nicht etwa um illegale Ausländer, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, die Fälschungen zu verhökern. Ganz offen als gut gehendes Geschäft. Ich denke, dass damit Schluss sein wird, wenn die Türkei der EU beitritt. Es kann also nicht mehr lange dauern. Denke ich.
Nach meiner kurzen Shopping-Tour lief ich in Richtung Festung. Das eindrucksvolle Gemäuer interessierte mich auf Anhieb, so dass ich entschied, es zu besichtigen. Da ich in letzter Zeit ausschließlich antike Ruinen gesehen habe, sind mittelalterliche zu kurz gekommen. Daher genoss ich diesen ausführlichen Besuch. Bei der Burg handelt es sich um eine ehemalige Festung der Hospitaler, Malteser, Ritterorden des heiligen Johannes, wie immer man ihn jetzt nennen möchte. Der hatte nach der Vertreibung aus dem heiligen Land in Rhodos seinen Hauptsitz, bis er sich den Osmanen geschlagen gab. Die Burg hier ist sorgfältig restauriert, hat Charme und enthält außerdem noch ein Museum zur Unterwasser-Archäologie. Es war wirklich lohnenswert. Leider befinden sich in diesem Museum wieder Untermuseen, für die man gesondert bezahlen muss. Wie schon erwähnt, halte ich diese Praxis für frech und unnötig. Wenige Besucher berappen nämlich diesen Zuschlag, sondern laufen einfach weiter. Besonders hier kann man das auch, denn es gibt sehr viel zu sehen.
Im „Englischen“ Turm fand ich ein komplettes Bankettzimmer vor. Viel interessanter aber waren die vielen mittelalterlichen Inschriften, teilweise aus dm 13. Jahrhundert, wenn man diesen Zahlen glauben darf, die in die groben Steine der Wände geschlagen sind. Auch soll sich hier Cem, der Sohn von Mehmet dem Eroberer nach dessen Tod aufgehalten haben. Über ihn habe ich in „Turbane in Venedig“ gelesen. Ich finde es immer schön, wenn sich Kreise schließen und ich Orte sehen kann, an denen Menschen waren, über die ich vorher gelesen habe. Die Malteser waren übrigens nicht sehr nett, sie bewirteten den hohen Gast zwar, der von ihnen Unterstützung für den Kampf um den Thron erfragen wollte. Aber gleichzeitig akzeptierten sie Bestechungsgelder von seinem Bruder, setzten Cem danach gefangen, auch wenn sie ihn weiter gut behandelten.
Ich hatte noch das zweifelhafte Vergnügen, die Folterkammer zu sehen. Ein bedrückender Ort, düster, mit Käfigen, in denen Menschen wie Vieh gelebt haben müssen.
Von den Zinnen der Festung hatte ich immer wieder wundervolle Blicke, auf Rhodos und das Meer, auch auf die Stadt. Das Museum zur Unterwasser-Archäologie ist in kleinere Räume unterteilt, meistens sind verkrustete Amphoren ausgestellt, aber auch Glasware. Erstaunlich, wie zahlreich dieses Material schon in der Antike verwendet wurde.
Alles in allem habe ich voller Lust die Burg erkundet, war wieder neugierig wie ein Kind. Ich dachte, ich hätte diese Neugier schon lange verloren, deshalb bin ich so gut gelaunt. Schön, dass ich doch nicht die Lust am Reisen verloren zu haben scheine. Vielleicht muss ich die Attraktionen besser abwechseln, denn ich tendiere dazu, mich rasch zu langweilen. Das ist aber bei allen Dingen so.
Jetzt sitze ich wieder in einem netten Café und schreibe. Ob ich morgen noch einen Tag bleibe, weiß ich noch nicht. Eigentlich geht mir diese Art von Ressort jetzt auf die Nerven. Mal sehen, wie es morgen aussieht.